In Sonthofen sind die Narren schon gesprungen: Mehr als 5000 Mitglieder der schwäbisch-allemanischen Narrenzünfte sind beim narrensprung am 13. Februar durch die Allgäuer Stadt gezogen. Foto: dpa

Bei der Fasnet in Oberschwaben werden kuriose Traditionen und Rituale gepflegt.

Riedlingen - Wie viele Frösche sind nötig, um 300 Narren satt zu kriegen? In welchen Mooren leben eigentlich Moorochsen? Viele der typischen Figuren und Bräuche der oberschwäbischen Fasnet scheinen rätselhaft. Doch bei genauem Hinsehen löst sich so mancher scheinbare Fall für den Tierschutz in Wohlgefallen auf.

Die alteingesessenen Mitglieder der Riedlinger Narrenzunft Gole schwören darauf: Einmal jährlich trifft man sich zum Froschkuttelessen. Was aber hat es damit auf sich? Der Festsaal befindet sich im ersten Obergeschoss des Gasthauses Mohren inmitten der Altstadt. Gegen 9 Uhr bildet sich im engen Treppenhaus eine lange Schlange von Zunftmitgliedern, allesamt männlich, wie es die Vorschrift will. Ohne persönliche Einladung und Eintrittskarte kommt keiner rein. Auch das Tragen einer Kopfbedeckung ist Pflicht. Nach dieser Hürde folgt die Begrüßung durch den Zunftmeister, und alle singen gemeinsam sämtliche 17 Strophen des Gole-Lieds. Der Gole, die Vater-Figur der Riedlinger Fasnet, steckt in einer Römer-Rüstung und zieht ein grimmiges Gesicht. Seine Herkunft ist nicht ganz gewiss. Stammt der Name von "johlen", also "grölen", "schreien" ab, oder hat er einen Bezug zum biblischen Riesen Goliath? Den 300 Männern scheint das in diesen zwei Stunden egal. Jetzt werden verdiente Mitglieder geehrt, zotige Sprüche geklopft, und dann endlich gibt es die heiß ersehnte Portion Froschkutteln. Für Frösche sind die Fleischeinlagen bei genauem Hinsehen etwas groß geraten. Der Narrenrat klärt auf: "Es sind ganz normale Kutteln im Teller. Die Bezeichnung ,Froschkutteln' kommt von der Zunft der Frösche, die wie die Störche, Mohren und Löwen Teil der Riedlinger Fasnet sind." Dieses Rätsel wäre gelöst.

In Oberschwaben ist die Fasnet von Tierfiguren geprägt

Wie es sich für Narren gehört, verlassen um Punkt 11 Uhr die Gole den Saal. Aber nicht über die Treppe. Die haben die Frauen mittlerweile verrammelt, so dass den Herren nichts anderes übrig bleibt, als den Saal durch ein Fenster im Obergeschoss über eine eigens dafür angefertigte Rutsche zu verlassen. Die Gaudi ist groß. Vereint mit den Weibern der Stadt geht es zum Umzug.

In Oberschwaben ist die Fasnet von Tierfiguren geprägt, wie sie häufig in der Natur vorkommen: Im Moor und Ried beheimatet sind Störche und Frösche. Es gibt Katzen und Bären, Gockel und Gänse, Geißen und Kühe, aber auch Galgenvögel, Krautscheißer, Strohbutzen und Riedmeckeler, deren Entstehung oft weit in die Geschichte zurückgeht. So versinnbildlicht der Bad Buchauer Riedmeckeler nicht etwa eine meckernde Ziege, sondern den einst weit verbreiteten Berufsstand der Torfstecher.

Mit Riedteufeln, Turmfratzen, Schlossgeistern, Hexen und Moorgeistern ist auch die Fabelwelt reichlich vertreten. Und in Bad Buchau brüllen Moorochsen, die zwar äußerlich aussehen wie richtige Ochsen, aber eigentlich gar keine sind. Moorochs ist eine volkstümliche Bezeichnung für die Große Rohrdommel, einen typischer Vogel aus dem Federseeschilf, der im Frühjahr an seinem dumpf brüllenden Ruf weithin hörbar ist und seinem Namen alle Ehre macht. Offenbar aber war dessen Aussehen für einen Fasnetsauftritt weniger geeignet, so dass man sich für Fell und Maske eines Hornviehs entschied - das ja im Oberschwäbischen auch nicht selten anzutreffen ist.

Wer in den Brunenn hüpft, darf alle Mädchen küssen

Auch viele Bräuche werden nur in Oberschwaben gepflegt. In Riedlingen ist es neben dem Froschkuttelessen die Mohrenwäsche. Bei diesem Ritual, das traditionell am Mittwoch vor Aschermittwoch stattfindet, wird ein bis dahin geheim gehaltener Prominenter der Stadt von den Wäschweibern im Trog gewaschen, wie es einst dem ersten Farbigen erging, der mit einem Wanderzirkus die Stadt besuchte und für hochgradig verschmutzt gehalten wurde.

In Munderkingen ist das Brunnenspringen angesagt. Dabei hüpfen unverheiratete Männer in den Brunnen und dürfen danach alle Mädchen küssen, die sie erwischen und die nicht schnell genug davonlaufen. Ehewillige Bräutigame werden in Sigmaringen auf eine Stange gesetzt und zum Marktbrunnen getragen.

Aber nicht nur Brauchtum, auch der Spaß kommt in Oberschwaben nicht zu kurz, etwa bei der Bachnabfahrt in Eberhardzell, die traditionell am "gompigen Donnschdig" stattfindet. Das ist der Donnerstag vor Rosenmontag, andernorts auch als schmutziger oder schmotziger Donnerstag bekannt. Der Begriff "gompig" oder "gumpig" geht laut Siegfried Gögler, Brauchtums-Ausschuss-Vorsitzender, auf "schlecht" zurück. Er begründet dies damit, dass man an der Fasnet alles machen dürfe. "Schmotz" dagegen bezeichne das Fett, das während der Fasnet noch rasch alles aufgezehrt werden musste, bevor die Fastenzeit begann.

"Jo, wa saischt au!", kann darauf nur die Antwort des Aulendorfer Zunftmeisters Klaus Wekenmann lauten, der unter "gumpen" ein anderes Wort für "tanzen" versteht. Überhaupt gehen die Uhren in Aulendorf etwas anders. Die Fasnet beginnt regelmäßig am Mittwoch vor dem "gumpigen" und endet am Dienstag vor Aschermittwoch. Wobei das Ende wohl eines der spektakulärsten in der gesamten Fasnetsregion Allgäu-Oberschwaben ist. Es beginnt mit einem nächtlichen Fackelzug der Hemdglonker, der unterbrochen wird von einer Einkehr zu Glühwein und Punsch. Dann geht es weiter durch die Straßen der Stadt bis zum Schlossplatz. Dort bildet sich ein großer Kreis um den Galgenbaum, an dem schließlich die Fasnet in Gestalt einer Hexe mit pyrotechnischer Hilfe effektvoll verbrannt wird. Der Narrenbaum aber wird in dünne Scheiben zersägt und Stück für Stück an die Umherstehenden weitergereicht. Weckenmann: "Damit der Samen für die Fasnet im nächsten Jahr gesät ist."