Sie regieren Horb in der fünften Jahreszeit: das Stoibrecherpaar Peter und Nina Lehmann samt ihren Pagen und dem Hofmarschall. Foto: Morlok

Es ist so weit! Seit Samstagabend hat zumindest das närrische Horber Volk wieder eine echte Regierung. Nina und Peter Lehmann sind das neue Grafenpaar.

Horb - Sie werden als Ita von Toggenburg und Graf Rudolf von Hohenberg ganz offiziell als die neuen Regenten die Horber Narren durch die fünfte Horber Jahreszeit führen. Statt im braunen Zottelfell der "Hornauer Stoibrecher" werden sie diese Fasnetsaison in feinem Zwirn und in Begleitung ihrer Pagen genießen und begießen.

"Ein Stoibrecherpaar aus alten Zeiten darf uns durch diese Fasnet stolz begleiten. In einem Stoibrecherjahr sind sie das auserwählte Grafenpaar", reimte Hofmarschall Daniel Wagner in gewohnt souveräner Weise. Und die neuen Regenten ließen es, gemäß ihrer eigenen Parole – "lasst es krachen – keine halben Sachen" – in Bezug auf die Auswahl ihrer Pagen gleich richtig krachen. Nicht nur Muriel Schneiderhan und Amelie Katz, die beiden Narrenzunft-Paginnen, sondern auch die Lehmann-Kinder Nele und Moritz stehen dem Grafenpaar zur Seite.

Ein Novum in der Geschichte der Zunft, die ihnen so schnell niemand nachmacht, wie sie fröhlich verkündeten.

Bis die beiden jedoch in vollem Ornat ins Steinhaus einzogen, verging eine ordentliche Zeit, in der die Besucher mit einigen aberwitzigen Beiträgen bei Laune gehalten wurden.

Die Zunftmeister Christoph Baiker und Gerhard Munding begrüßten eine recht überschaubare Menge an Besuchern im Steinhaus. Corona und die steigenden Fallzahlen forderten auch hier ihren Tribut. Viele der älteren Zunftmitglieder sagten ihre Teilnahme ab und Baiker gab den Anwesenden den Tipp: "Genießt diesen Abend – wir wissen nicht, wie viele noch folgen."

Als nächstes großes Event steht der Eröffnungsball in der ersten Februarwoche 2022 auf dem Programmzettel, der dann unter dem Motto "Bella Italia – Dolce Vita in Horb" die Rundhalle zum beben bringen soll.

Panoramastraße: "Wir brauchen ’ne Rennbahn, mit allen Finessen!"

Ob die Herren Rosi R. und Ralle Z. den ersten Teil des Auftritts der Gesangsgruppe "Schantle Plus" an diesem 13. November wirklich genossen, das sei mal dahingestellt. Zur Melodie "Die kleine Kneipe in unserer Straße" nahm der Chor die Erschließung der Panoramastraße aufs Korn. "Generationen von Bürgern war die Pano ganz recht. Statt Gehweg ein paar Pfosten – war auch nicht so schlecht. Der Bordstein gleich Null und die Fahrbahn zu schmal, da gibt es nur eins – wir haben keine Wahl – wir brauchen ’ne Rennbahn, mit allen Finessen – der Anlieger zahlt’s und der Käs’ ist gegessen", sangen sie und groovten sich dabei richtig ins Thema ein. Sie schimpften über den OB und seinen Hiwi, die beide glauben, dass alle Anwohner der Pano reich wären. "Die soll‘n an die Börse mit all ihrer Kohle – die sind dann stets flüssig und der Stadt kommt’s zum Wohle", zitierten sie einen Ratschlag von Ralph "Ralle" Zimmermann.

Mit ihrem Loblied auf die Horber Vereinsvielfalt glätteten "Schantle Plus" aber alle aufkommende Kritik an irgendwas.

"Michel" Kreidler nimmt sich Bundestagsabgeordnete zur Brust

Zunft-Methusalem Thomas "Metze" Kreidler stieg dann in die nicht vorhandene Bütt und persiflierte als deutscher Michel die Politlandschaft aufs Allerfeinste. "Seit mir gegrüßte, ich bin ein Depp, könnte heißen Karle oder Sepp, kurzum, ich bin so wie ihr heut, ein Mann des Volkes, liebe Leut. Ein deutscher Michel halt, kurzum, net ganz gescheit und net ganz dumm."

Das Finanzamt kam bei seiner Gesamtbetrachtung ebenso wenig gut weg, wie die Damen und Herren der Regierung. "Wer ein krummes Rückgrat hat, der kriegt ein Überhangmandat und wer einen dicken Arsch hat, das ist kein Witz, der bekommt einen Ausgleichssitz. Und manche, die der Herrgott schuf, ohne Studium und Beruf, dürfen sich, es ist zum Lachen, auf Staatskosten zum Affen machen."

Der "Michel" Kreidler kannte auch das Nachtgebet der Bundestagsabgeordneten. "O Herr wir sind versorgt gottlob, beschaff uns noch nen Nebenjob und wir preisen deinen Namen, immer und auf ewig – Amen." Die Diskriminierung in der Sprache war dem Michel ebenfalls eine längere Betrachtung wert. "Aus Schofseggel, des find ich schad, wird Lamm-Erzeugungs-Apparat und den Grasdackel aus gutem Grund, den nennt man zukünftig Wiesenhund", stöhnte er von der Bühne herunter, um zu ergänzen: "Der deutsche Arschlöcherverband will neuerdings und kurzerhand, die Arschlöcher, die alle kennen, After-out-Membranen nennen." Dass Kretschmann "The Big Boss oft he Länd" global mitgestalten will und die Banken die Menschheit abzocken würden, blieb an diesem Abend auch kein Geheimnis.

Urs und Utz Rübli (Stefan Fox und Locke Guth) ließen sich von den Versprechungen von "The Länd" nach Horb locken und freuten sich, dass man gleich am Stadteingang von ihnen ein Foto von einem Autoanhänger aus machte. Nur als sie erfuhren, das die 450 Euro, die man ihnen hier für einen Job angeboten hat, nicht pro Stunde, sondern pro Monat gemeint waren, gefiel es ihnen nicht mehr so gut in Horb. Und als sie dann noch mit dem Bürgerbüro, dass noch langsamer als jeder Schweizer arbeite, Bekanntschaft machten, da wurde der Fluchtgedanke groß.

Rosi und Ralle träumen vom Durchregieren

Fluchtgedanke war auch das Wort, das einem bei der gesangsähnlichen Darbietung von Rosi und Ralle in den Sinn kam. Die beiden "Dauerurlauber vom Rathaus" träumten von einem Regieren der Stadt ohne Gemeinderat. "Der Stadtrat meint es ja gut, wir unterdrücken die Wut und lächeln weg den Frust. Regieren ohne Rat, das wäre eine Wohltat, denn Streit gibt es bei uns nie", sangen, nein grölten, sie zur Melodie der Homo-Hymne Y.M.C.A. von Village People.

Durchweg bekamen alle Fraktionen von ihnen ihr Fett weg und gut, dass es Fasnet ist, denn sonst gäbe es bei der nächsten Gemeinderatssitzung wahrscheinlich gleich zu Beginn eine deftige Schlägerei, denn die beiden Ton-Legastheniker teilten volle Kanne gegen ihr Gremium und den Landkreis aus.

Tja, dafür ist die fünfte Jahreszeit halt da. Mal richtig die Sau rauslassen, ungestraft sagen zu dürfen, was einem nicht passt und hinterher mit drei kräftigen "Narri-Narro ond Horrido" vergnügt die 99. Fasnetsaison der Horber Narrenzunft starten.