Foto: Pressefoto Baumann

Aus Angst vor Hooligans ist ein Testspiel der Stuttgarter Kickers erst abgesagt, dann ohne Publikum ausgetragen worden. Ein Fan-Experte warnt: Der Sport darf sich nicht erpressbar machen.

Stuttgart - Nach einem schwarzen Wochenende wächst die Sorge in der Fußballszene: Bestimmen jetzt die Hooligans das Spiel? In Degerloch gingen am Samstag Rowdy-Gruppen aufeinander los, in Sandhausen wurde ein junger KSC-Fan krankenhausreif geschlagen. Eigentlich bergen Fußball-Testspiele wenig Brisanz – doch nun stellt sich die Frage, ob bei Vorbereitungsspielen die Sicherheit für Spieler und Zuschauer gewährleistet werden kann.

Der Drittligist Stuttgarter Kickers und der VfR Aalen wollten ihr Spiel ursprünglich beim SV Bonlanden austragen. Weil aber 25 Hooligans aus Aalen erwartet wurden, sollten die Fangruppen getrennt werden. Dazu hätte der Veranstalter unter anderem die Tribüne mit Absperrungen verändern und eine Vermischung der Fangruppen verhindern müssen. SV-Vorsitzender Kurt Adam sagte die Partie daraufhin ab.

Zuletzt trafen die Mannschaften dann doch aufeinander, ein Winkelzug half zumindest den Spielern: Das Testspiel wurde kurzerhand im Gazistadion in Degerloch ausgetragen – allerdings vor leerer Tribüne, Zuschauer mussten draußen bleiben.

Geisterspiele werden solche Begegnungen genannt, die aufgrund von Sanktionen ohne Publikum stattfinden müssen. Zwischen 2004 und 2012 gab es allein in der Bundesliga drei solcher Spiele, auch Drittligisten und die Regionalliga waren davon betroffen; Clubs in Österreich, Griechenland und Italien hatten unter dieser Sanktion schon zu leiden. Ob das Spiel der Blauen beim SV Sandhausen am Sonntag unter ähnlichen Umständen ausgetragen wird, ist offen. Bisher gilt die Partie als gestrichen.

Hooligans außerhalb der Reichweite der Vereine

Keine Frage, Sicherheit auf dem Sportplatz oder im Stadion geht vor. Allerdings gibt Gunter Pilz zu bedenken, dass „sich der Fußball erpressbar macht, wenn er nach Ankündigungen von ein paar Handvoll Hooligans gleich ein Testspiel absagt“. Der Fan-Forscher aus Hannover ist der Meinung, dass das Spiel auf dem Sportplatz in Bonlanden gut hätte durchgeführt werden können. Ja, sogar hätte durchgeführt werden müssen. „Mit einem besonnenen Einsatz von Polizeikräften könnte einem Aufkeimen von Gewalt früh entgegen getreten werden“, betont Pilz, „ich bekomme da immer Bauchschmerzen, wenn sich der Fußball von solchen Dingen beeinflussen lässt.“

Dass nun auch schon Testspiele als Bühne für gewaltbereite Fußball-Anhänger herhalten müssen, überrascht den Professor nicht, die Bedeutung der Partie spielt für diese Klientel keine Rolle. Den Hooligans genügt das Spiel als Anlass für Randale. „Ob es sich um ein Punkt- oder Pokalspiel oder auch nur um eine Test- oder gar Freundschaftsspiel handelt“, sagt Pilz, „ist völlig nebensächlich. Nicht einmal die Liga spielt eine Rolle.“ Mit den üblichen Fan-Projekten sei dieser Gruppe ohnehin nicht beizukommen, die Hooligans stehen in aller Regel außerhalb der Reichweite der Vereine.

„Es gibt schon die ersten Stadionverbote“

Doch speziell in Stuttgart, wo es bis heute kein Fanprojekt gibt, ist die aktuelle Entwicklung mehr als bedenklich. Immer wieder kommt es zu Prügeleien und Raubüberfällen – und inzwischen machen die eher braven Kickers-Fans immer öfter von sich reden. „Das Phänomen stellen wir seit zwei Jahren fest“, sagt der Stuttgarter Polizeisprecher Olef Petersen.

Offenbar ein kleiner Kern versucht die Fans der Blauen auf Krawall zu bürsten. Zuletzt war dies am vergangenen Wochenende der Fall – als etwa 20 Rowdys in den Reihen der Kickers-Fans an der Stadtbahn-Haltestelle Waldau in Degerloch eine Auseinandersetzung mit Fans des VfB Stuttgart anzetteln wollten. Die Beamten für jugendspezifische Gewaltkriminalität bei der Stuttgarter Polizei haben die Rädelsführer bereits im Visier: „Es gibt schon die ersten Stadionverbote“, sagt Polizeisprecher Petersen. Gegen die bekannten Drahtzieher gehe man mit Platzverweisen vor. Freilich: Ob es dem harten Kern gelingt, unter den Kickers-Fans eine Hooliganszene aufzubauen, liegt auch an den blauen Fans selbst.

Die Stuttgarter Kickers haben das Spiel gegen den Fußball-Zweitligist VfR Aalen übrigens 0:1 verloren. Michael Klauß schoss in der 32. Minute das einzige Tor. Der VfR war über 90 Minuten klar spielbestimmend, machte aber zu wenig aus seiner Dominanz.