Mehrgenerationenhäuser protestieren bundesweit gegen das geplante Kürzen ihrer Zuschüsse – so auch in Freudenstadt.
Ein Paket mit 16 622 Unterschriften nahm SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken von einem Besuch im Mehrgenerationenhaus Familienzentrum mit. Hinzu kommen 33 492 Unterschriften, die online gegeben wurden. Die zusammengerechnet rund 50 000 Unterschriften sind Ausdruck einer bundesweiten Petition, die sich gegen Mittelkürzungen für die Mehrgenerationenhäuser (MGH) im kommenden Haushaltsjahr richtet.
Das Bundesfamilienministerium plant eine fünfprozentige Kürzung des Bundeszuschusses bei allen Mehrgenerationenhäusern. Das Bundesnetzwerk, Landesverbände und die Häuser selbst machen gegen die beabsichtigte Kürzung mobil, sehen ihre Angebote und Leistungen gefährdet und verweisen auf ihr niederschwelliges Angebot für viele Bürger in bedrängten Lebenslagen.
Auch Esken ärgert geplante Kürzung
Saskia Esken, SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Calw/Freudenstadt, ermutigte die Mehrgenerationenhäuser in ihrem leidenschaftlichen Protest: „Es ist eine tolle Idee, und es ist gut, dass Sie Ihre Stimme erheben.“ Esken, die in Begleitung von SPD-Ortsvorsitzendem Sadik Varol und SPD-Kreisvorstandsmitglied Gerhard Gaiser gekommen war, hütete sich zwar vor Versprechungen, versicherte aber, dass sie „noch mal drüberschauen“ werde.
Denn die beabsichtigte Kürzung ärgere auch sie. Zumal gerade die Mehrgenerationenhäuser in ländlichen Regionen vor besonderen Aufgaben stünden und sich immer wieder neu zu bewähren hätten.
An einem liebevoll gedeckten und mit viel gesundem Fingerfood bestückten Tisch im Familienzentrum fehlte es nicht an schlagkräftigen Argumenten gegen die Kürzung, über die letztlich der Bundestag beschließen werde, vorgetragen von prominenten Vertreterinnen des Bundesnetzwerks Mehrgenerationenhäuser und der gleichnamigen Landesarbeitsgemeinschaft.
Marianne Reißing, Vorständin im Familienzentrum Freudenstadt und sowohl im Landesvorstand als auch im Bundesgremium vertreten, schilderte, welche Verantwortung und welches Engagement diese Häuser gerade in den Krisen der vergangenen Jahre auch langfristig übernommen hätten. Die vielfältigen praktischen Hilfen für Flüchtlinge aus der Ukraine nannte sie als Beispiel.
Auch Kinderarmut als Beispiel
Vereinsamung im Alter oder Kinderarmut waren weitere Beispiele, die Claudia Schwarz von der Geschäftsstelle des MGH-Bundesnetzwerks und Dorothea Brust-Etzel vom Vorstand der MGH-Landesarbeitsgemeinschaft anführten. „Die Entwicklungen in unserer Gesellschaft zeigen mehr denn je, wie wichtig der soziale Zusammenhalt und Orte der Demokratie sind“, sagte Ankica Rukavina von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Mehrgenerationenhäuser in Baden-Württemberg. Die Familienzentren seien Orte gelebter Demokratie, seien Stellen, die ihre Türen offen halten für Menschen unabhängig von deren Herkunft und Alter.
Die Türen der Mehrgenerationenhäuser gingen – wie auch die des Familienzentrums in Freudenstadt – auf die Straße. Die Häuser bekämen so unvermittelt Trends und neue Entwicklungen mit und könnten darauf schnell reagieren.
Die Sprecherinnen lobten im Allgemeinen das 2006 aufgelegte Förderprogramm von jährlich 40 000 Euro pro Einrichtung für die 530 aktiven Mehrgenerationenhäuser bundesweit. Bei den zusätzlich erwachsenen Aufgaben sei der Förderrahmen aber schon jetzt zu eng geworden. Würde die geplante Kürzung umgesetzt, müssten vor Ort wohl oder übel Angebote und Leistungen zurückgenommen werden.