Einsames Spiel, manche Tagesmütter haben nur noch ein Kind zur Betreuung und geben dann letztendlich auf. Foto: Todt

Während Familien aus Villingen-Schwenningen auf einen Platz in der Tagesstätte warten, berichten Tagesmütter von Existenzängsten und sinkender Nachfrage.

Hier Wartelisten, dort leere Räume Die Zweijährige spielt bei ihrer Tagesmutter alleine. Für ihren Vater ist dieses einsame Spiel ein Symbol für „den grundlegenden Fehler in der Kinderbetreuung“ im Kreis. Eltern warten lange auf Kita-Plätze, während Tagesmütter zu wenig Kinder oder gar keine Anmeldungen mehr haben.

 

„Fehler im System der Kinderbetreuung“, immer wieder kommt diese Aussage von David Todt im Gespräch mit unserer Redaktion vor. Ein „Fehler“, unter dem seiner Ansicht nach einige auch aus Villingen-Schwenningen leiden: Kinder, Eltern und Tagesmütter, von denen ebenfalls eine Handvoll an diesem Spätnachmittag dabei ist. Tagespflegeeinrichtungen im Schwarzwald-Baar-Kreis kümmern sich vor allem um Kinder unter drei Jahren, „springen aber auch ein, wenn Eltern keinen Platz für ihre über Dreijährigen bekommen“, so der Tenor.

Kritik der Eltern Für die Kindertagesstätten und die Kindertagespflege ist seit dem Sommer 2023 der Landkreis zuständig, damals ging das städtische Jugendamt an das Kreisjugendamt. Die Geschichte von Familie Todt aus Obereschach könnten viele andere Mütter und Väter bestätigen, meint David Todt eingangs, um dann die Kritikpunkte aufzulisten. Die oft erfolglose Suche nach einem Kitaplatz, die Wartelisten, „und dann bekommen wir einen Platz in Marbach angeboten. Das ist völlig inakzeptabel“, meint Todt, der mit seiner Frau ein Haus in Obereschach gekauft hat. „Sollen ich und meine Frau jetzt jeden Tag quer durch die ganze Stadt fahren?“

Fahrerei weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll

Ihm geht es nicht nur um die für ihn weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvolle Fahrerei. Er denkt auch daran, was die Distanz mit den Kindern mache. Erste Freundschaften bilden sich, doch das nachmittägliche Spiel nach der Kita-Zeit oder das Wochenend-Treffen mit den Spielkameraden sei somit nur wieder mit Hin-und Herfahren verbunden.

Mit Blick auf die sechs Tagesmütter, die an diesem Nachmittag eher in der Zuhörerinnen-Rolle sind, denkt er an einen weiteren gravierenden „Fehler im System“. Seine kleine Tochter gehe noch zu einer Tagesmutter am Wohnort in Obereschach. „Doch dort spielt sie derzeit alleine.“ Ihre Tagesmutter bestätigt, dass sie kaum noch Anfragen habe, die Nachfrage sei weggebrochen. „Für die frühkindliche Entwicklung ist das sicher nichts, dieses einsame Spiel.“

Situation der Tagesmütter Tagesmütter sind nicht nur für Todt ein integraler Bestandteil der Betreuung, „der allerdings bislang zu wenig sichtbar ist“. Zudem fehle es an Information, Transparenz und aktive Vermittlung, kritisiert er, um das Angebot präsenter zu machen. Was die Obereschacher Tagesmutter anbelangt: Wenige Tage nach dem Gespräch gibt sie auf. „Ich komme so nicht mehr über die Runden.“

Wie ihr geht es auch anderen Tagesmüttern, die in und um Villingen-Schwenningen Buben und Mädchen betreuen. Die einen stehen bereits kurz vor der Aufgabe, andere bangen um ihre Existenz und hoffen, dass ihre Investitionen im eigenen Heim und ihre Qualifizierung nicht umsonst waren, andere rechnen und rechnen und wissen nicht, wie sie mit wenigen Kindern noch ihre Pachten bezahlen sollen, wenn sie Räume gemietet haben.

Unsicherheit bei Kindern über drei Jahren

Was die Existenzängste befeuert, ist die Unsicherheit bei Kindern über drei Jahren: Wenn in einer Kita doch ein Platz frei werde, „werden die Kinder von uns abgezogen, wir kommen uns wie Lückenbüßer vor“, erzählen sie. Generell kommen meist Kinder unter drei Jahren in die Pflegestellen.

Familienvater Todt sieht auch noch eine gesellschaftliche Konsequenz in Verbindung mit dem „Fehler im System“: Villingen-Schwenningen wolle interessant sein für junge Familien: „So aber sicherlich nicht.“ Davon abgesehen, dass sich manche Frauen überlegen, ob sie zuhause bleiben, um die Kinder selbst zu betreuen und somit ihren Beruf zumindest temporär aufgeben: „Keine gute Option, weder für die Frauen noch für die Kinder, die wieder unter sich bleiben.“

Verbesserungsvorschläge Wie könnten die „Fehler im System“ behoben werden? Manche Eltern berichten, dass sie über die zentrale Vormerkstelle der Stadt kaum Informationen erhalten, welche Tagesmütter freie Plätze haben. Selten würden Eltern, die einen Kita-Platz suchen, auf die Möglichkeit der Kindertagespflege hingewiesen, ergänzen sie. „Und genau dieses kommunikative Problem sollte geändert werden“, so Todt.

Mit Hilfe einer digitalen Plattform oder App ließen sich freie Plätze bei Tagesmüttern abbilden. Es gebe lediglich eine Übersicht mit den Betreuungsangeboten des Landkreises, aber diese sei eher unübersichtlich. Der Wahlobereschacher schlägt nicht nur eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendamt vor, sondern auch eine engere Kooperation zwischen Kitas und Tagesmüttern. Und, schlagen Familienvater und Tagesmütter unisono vor: „Ein Gespräch mit Stadt. Kreisjugendamt und Elternvertretern wäre dringend nötig.“ Mit im Gepäck wäre die Idee, unter Dreijährige bei Tagesmüttern zu lassen und die über Dreijährigen in den Kitas.

Von Warteplätzen und Wunschlisten

Zuweisungspraxis
Die für betroffene Eltern wichtigsten Fragen gehen an die Stadt und damit an Pressesprecherin Madlen Falke: Gibt es für Eltern, die eine Betreuung suchen und keinen städtischen Kita-Platz bekommen, über das Amt für Kindertageseinrichtungen eine Hinweis auf freie Tagespflegeplätze? „Wir vermitteln den Kontakt zum Landkreis, der für die Kindertagespflege zuständig ist. Eine Übersicht über freie Plätze liegt uns aber nicht vor.“ Die Nachfrage nach Kitaplätzen für unter Dreijährige sei generell rückläufig, bestätigt Falke. Warum wird dann einer Familie, die in Obereschach lebt, für die zweijährige Tochter ein Kitaplatz in Marbach angeboten? Wenn Kinder auf der Warteliste stehen und in der Wunsch-Kita kein freier Platz sei, jedoch in einer anderen Kita, werde dieser auch angeboten, wenn das Kind an der Reihe sei. „Dann entspricht das Angebot vielleicht nicht dem Wunsch, jedoch haben wir auf diesem Weg auch schon viele Kinder versorgt. Wir versuchen immer möglich zu machen, dass die Kinder möglichst Wohnortnah untergebracht werden können.“ Ein Anspruch auf Unterbringung in der Kita in direkter Lage bestehe nicht.