Etwa zehn Minuten entfernt von der Geburtskirche Jesu in Betlehem liegt das Waisenhaus Crèche. Die Kolpingsfamilie Rottenburg unterstützt das Haus im Westjordanland seit 25 Jahren in der Weihnachtszeit. Besonders Findelkinder, die auf dem Papier gar nicht existieren, benötigen die Hilfe dringend.
Mehr als 3000 Euro für das Waisenhaus Crèche in Bethlehem haben Familien in Rottenburg nach Angaben von Thomas Weißhaar, Präses der Kolpingsfamilie Rottenburg, bei deren diesjähriger Nikolausaktion gespendet. Die Kolpingsfamilie unterstützt die Crèche seit 25 Jahren. Ein Bindeglied zwischen Rottenburg und Bethlehem ist für sie Rudolf Ammann, Schönstatt-Pater und ehemaliger Diözesanpriester im Bistum Rottenburg-Stuttgart. Er kennt das Waisenhaus von seinen Besuchen und berichtet unserer Redaktion über dessen Arbeit und das Schicksal der Kinder.
Wie ist die Situation für das Waisenhaus Crèche?
Zurzeit haben es die Vinzentiner-Schwestern in der Crèche sehr schwer, das Waisenhaus zu führen. Palästina ist seit 7. Oktober 2023, dem Beginn des Krieges, so gut wie abgeschnitten. Pilger und Touristen kommen nicht mehr ins Land. Das bedeutet für die Crèche, dass sie keine Besucher und damit Spender ins Haus bekommen. Und auf Spenden aus dem In- und Ausland sind die Leute dort angewiesen. Hinzu kommen noch Neuzugänge von Waisen und Findelkindern, weil auch deren Familien von der Blockade durch den Krieg betroffen sind. Eine Beduinen-Familie kann weit über zehn Kinder haben. In ihrem Zelt wohnen die ersten fünf, alle anderen geben sie wegen Platzmangel in die Crèche.
Wie alt sind die Kinder, die in dem Waisenhaus leben?
Im Waisenhaus Créche sind nur Kinder von ein bis fünf Jahren untergebracht. Die Schwesterngemeinschaft unterhält noch ein anderes Waisenhaus für ältere Kinder (sechs bis 14 Jahre) in Betphage bei Jerusalem, ebenfalls im besetzten Gebiet.
Wie haben Sie das Waisenhaus in Bethlehem kennengelernt?
Ich habe Kontakt bekommen mit der Crèche durch meine vielen Pilgerfahrten ins Heilige Land, die ich mit Gruppen durchgeführt habe. Dabei haben wir auch jedes Mal das Waisenhaus besucht, so dass sich ein persönliches und vertrauensvolles Klima mit den leitenden Mitarbeitern entwickelt hat. Sie haben uns auch viel von ihrer Arbeit im Waisenhaus erzählt und von den Schicksalen jedes der Kinder, die ihnen anvertraut sind.
Wie viele Mitarbeiter hat die Crèche?
Zu den fünf Schwestern arbeiten etliche Laien, ein sehr engagierter Geschäftsführer und etliche junge Mütter in ihrem Team. Immer wieder stellen sie unehelich schwanger gewordene Frauen an, die ihre Schwangerschaft vor den Augen ihrer meist muslimischen Angehörigen verbergen müssen, um nicht umgebracht zu werden (Familienehre!). Sie werden so lange im Haus für ein kleines Gehalt, das sie „nach Hause“ mitbringen, beschäftigt, bis sie das Kind geboren haben, um es dann im Waisenhaus als „Findelkind“ zurückzulassen.
Was benötigt das Waisenhaus am dringendsten?
Was in diesen Kriegszeiten die Kinder am nötigsten brauchen, weiß ich momentan nicht. Denn seit dem 7. Oktober 2023 ist ja ein Besuch dort nicht mehr möglich. Aber aus früheren Kontakten weiß ich, dass man in Betlehem und Umgebung so gut wie alles kaufen kann. Am nötigsten braucht das Haus tatsächlich am ehesten Geld. Denn obwohl in den judäischen Bergen, in denen die Crèche liegt, viele Wasserquellen entspringen, bekommen die Schwestern von der Besatzungsmacht Israel für jedes Kind zum Trinken und Baden ein gewisses Kontingent an Quell- und Kranwasser zugeteilt, allerdings nicht die Findelkinder. Diese existieren „bürokratisch gesehen“ nicht. Sie haben auch keine Geburtsurkunde und können auch später keine „Papiere“ bekommen. Dann muss die Crèche für sie das noch fehlende Wasser teuer dazukaufen.
Wie steht es um die Gesundheitsversorgung der Kinder?
Ist ein Kind krank und auf ganz professionelle Hilfe angewiesen, die es am ehesten nicht in palästinischen, sondern in israelischen Krankenhäusern gibt, muss man dort aber die anstehende Behandlung, auch die eventuell notwendige OP im Voraus bar bezahlen. Einen Krankenkassenschutz gibt es nicht, zumal nicht für Palästinenser.
Trotz der Herausforderungen gibt es sicherlich auch schöne Momente. Können Sie uns von einem freudigen Erlebnis berichten?
So gut wie bei jedem Besuch der Gruppen im Waisenhaus hatten wir alle zusammen nicht nur Kontakt mit den Kindern, soweit sie mobil waren. Berührend war für mich jedes Mal, wie die Kinder auf die Fremden zugegangen sind, total vertrauensvoll, ohne zu „fremdeln“ ließen sie sich auf den Arm nehmen und kuschelten sich an jeden Besucher, der ihnen die Hände entgegenstreckte. Die meisten wollten gar nicht mehr auf den Fußboden zurück. Sie klammerten sich an die Frauen und Männer und nur unter Tränen konnten wir uns losreißen.
Wie feiern die Kinder in der Crèche Weihnachten?
Die Crèche liegt etwa zehn Minuten entfernt von der Geburtskirche Jesu in Betlehem. Dorthin fahren Betreuer mit einigen Kindern immer mal wieder, um das „besondere Kind von Betlehem“ zu treffen, um seine Hilfe zu erbitten und sich ihm anzuvertrauen. Auch einen Christbaum mit vielen bunten Lichtern haben die Kinder von Betlehem in ihrem Haus. Sie bekommen auch kleine Geschenke, obwohl Spielsachen genügend für alle zur Verfügung stehen.
Spendenmöglichkeit für das Waisenhaus
Die Kolpingsfamilie nennt folgendes Spendenkonto
Kolpingsfamilie Rottenburg, IBAN: DE54641500200002009690, BIC: SOLADES1TUB