Am Dienstag entscheidet das Stuttgarter Landgericht über den Fall Vincent Schöller. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Nächste Runde im Fall Vincent Schöller: Mit einer Gegendarstellung reagiert die Schiedsrichtergruppe Calw auf die kürzlich veröffentlichte Stellungnahme des Württembergischen Fußballverbands – und stellt sich hinter ihr Mitglied vom TSV Haiterbach. Am Dienstag wird der Fall vor dem Landgericht verhandelt.

„Stellen Sie sich vor, Sie werden in Ihrer jeweiligen Liga mit großem Abstand Meister, haben den Aufstieg vor Augen. Alle Punkte sprechen für Ihren Verein, Sie sind Erster in der Tabellenkonstellation, die erkämpften Punkte, die erzielten Tore, eben alles, was Sie nach allen Spielen auf Platz eins stehen lässt. Die eigentlichen Regularien sind klar geregelt, Platz eins berechtigt zum Aufstieg“, eröffnet die Schiedsrichtergruppe Calw ihre Gegendarstellung zur kürzlich veröffentlichten Stellungnahme des Württembergischen Fußballverbands im Fall Vincent Schöller und führt weiter aus: „Und dann kommen plötzlich Faktoren zum Tragen, die überhaupt nichts mit Ihrem sportlichen Erfolg zu tun haben. Als würde man den Meister auf einmal nach Trikotfarben, Sportheimgröße oder Bratwurst am Spielfeldrand definieren. Genau so war die Vorgehensweise in dem aktuell beschriebenen Fall bei den Schiedsrichtern in der Oberliga Baden-Württemberg.“

 

Frust sitzt tief

Man merkt bei dieser Gegendarstellung schnell: Der Frust sitzt tief bei der Schiedsrichtergruppe Calw. Ihr Mitglied Vincent Schöller vom TSV Haiterbach ist aktuell der notenbeste württembergische Schiedsrichter der Oberliga. Dennoch will ihn der zuständige Schiedsrichterausschuss des WFV nicht für den Aufstieg in die Regionalliga nominieren und beobachtet ihn bei Spielen nicht mehr. Stattdessen setzt der Ausschuss auf den Stuttgarter Referee Jonathan Woldai, der selbst Mitglied des Ausschusses ist. Kritiker wittern hier Vetternwirtschaft. Schöller verklagte daher den WFV und will mit einer einstweiligen Verfügung durchsetzen, wieder beobachtet zu werden, um für den Aufstieg nominiert werden zu könen. Vor zwei Wochen wurde der Fall bereits vor dem Amtsgericht verhandelt, das sich aufgrund des Streitwerts jedoch nicht zuständig fühlte. Am Dienstag (16.30 Uhr) geht es daher vor dem Stuttgarter Landgericht weiter.

Zwischen den beiden Verhandlungen hatte der WFV eine Stellungnahme veröffentlicht und sich damit gegen die Beschuldigung gewehrt, er würde auf Zeit spielen. Das nämlich wirft Schöllers Anwalt Sascha Wirth – zugleich Obmann der Schiedsrichtergruppe Kocher/Jagst – dem Verband vor. Denn bis zur Nominierung Ende April muss Schöller noch dreimal bei Spielen beobachtet werden. Laut Wirth wolle der WFV ein Urteil daher möglichst lange hinauszögern, denn ohne die drei Beobachtungen hätte sich die mögliche Nominierung seines Mandaten von sich aus erledigt. Der WFV gab in seiner Stellungnahme jedoch der Klägerseite mit ihrem „prozessualen Vorgehen“ die Schuld daran, dass sich ein Urteilsspruch verzögert, und führte dafür formaljuristische Gründe ins Feld.

Fadenscheinige Ausreden

Darauf reagiert nun die Schiedsrichtergruppe Calw mit ihrer Gegendarstellung – und kritisiert dabei das Verhalten des WFV schon vor Schöllers Klage: „Die Art und Weise, mit diesem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen, war zu keinem Zeitpunkt der Plan, doch wenn man sich mit diesem Thema an die Verantwortlichen des WFV wendet, bekommt man nur unzufriedenstellende Antworten, besser gesagt fadenscheinige Ausreden. Wichtig ist auch zu betonen, dass es sich nicht um persönliche Befindlichkeiten handelt, sondern es einzig um die Sache geht, wie der Umgang im Schiedsrichterwesen aktuell abläuft.“

Dass mit Jonathan Woldai nur der drittbeste Oberliga-Schiedsrichter Württembergs nominiert werden soll, der aber Mitglied in dem für die Nominierung zuständigen Ausschuss ist, kann die Schiedsrichtergruppe Calw nicht nachvollziehn. „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“, heißt es in der Stellungnahme, die deutlich macht: „Im Rahmen der Obleute-Tagung beziehungsweise eines Workshops der Obleute wurde diese Entscheidung kontrovers diskutiert. Der Verbandsobmann lehnte eine Änderung der Entscheidung ebenso ab wie letztlich der Verbandsvorstand. Vincent Schöller hatte demnach keine andere Wahl, als die Entscheidung durch ein ordentliches Gericht überprüfen zu lassen.“

In der Sache verweigert

Zudem wirft auch die Schiedsrichtergruppe Calw dem WFV vor, auf Zeit zu spielen und die Höhe des Streitwerts nur als Ausrede zu nutzen, denn das Amtsgericht habe bereits zwei Wochen vor der Verhandlung „darauf hingewiesen, dass die Zivilprozessordnung vorsieht, dass das Gericht dann zuständig wird, wenn der WFV mündlich zur Sache verhandelt ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen“. Weiter schreibt die Gruppe: „Exakt dies verschweigt der Verband jedoch – wohl wissentlich – in seiner Stellungnahme. Mit anderen Worten: Hätte der WFV in Person des Geschäftsführers Frank Thumm nicht die Verhandlung in der Sache verweigert, sondern wäre Bereitschaft zur Verhandlung bestanden, wäre der Fall erstinstanzlich jedenfalls bereits entschieden.“

Auch hadert die Schiedsrichtergruppe Calw mit Thumms Aussage in der Verhandlung vor dem Amtsgericht, dass die Beobachtungen und Benotungen der Schiedsrichter nicht allein ausschlaggebend für einen Aufstieg seien: „Hierbei sei die Frage erlaubt, wie man sich qualitativ verbessern will, wenn man sich gegen die Erstplatzierten entscheidet. Und ebenso die Frage, ob die Vereine im WFV-Gebiet jährlich einen Betrag im sechststelligen Bereich zahlen müssen, wenn das Beobachtungssystem laut Herrn Thumm so irrelevant ist. Zumal der Verbandsschiedsrichter-Obmann Stellmach doch auf den Lehrgängen der Schiedsrichter stets geäußert hat, dass unter seiner Führung der Schiedsrichter die ersten Plätze immer aufsteigen werden.“

Unnötige Verzögerung

Abschließend schreibt die Schiedsrichtergruppe Calw: „Genau aus diesen aktuell unzufriedenstellenden Aufstiegsregularien haben sich inzwischen die Verbandsschiedsrichter-Obleute des Württembergischen, Badischen und Südbadischen Fußballverband in einer Mediation darüber geeinigt und schriftlich vereinbart, dass die aktuelle Aufstiegsregelung mit sofortiger Wirkung ausgesetzt werden soll. Dies hätte zur Folge, dass jeder Verband künftig einen Platz für den Aufstieg in die Regionalliga Südwest melden könnte. In den letzten Jahren standen bei drei Landesverbänden nur zwei Aufstiegsplätze zur Verfügung, worunter die Zusammenarbeit der Landesverbände stark litt. Diese Vereinbarung lag im Übrigen auch den Präsidenten der Landesverbände vor, die das bereits unterzeichnete Dokument allerdings abgelehnt haben. Dennoch hat sich der Verband dazu veranlasst gesehen mit exakt diesem formalen und faktisch unzutreffendem Argument den Streitwert zu erhöhen und mit der gleichzeitig erhobenen Rüge den Rechtsstreit unnötig zu verzögern.“