Ein Aromastoff in der Nuss-Schokolade ist Auslöser für den Streit Foto: StN

Der Schoko-Hersteller will gegen das mangelhafte Testurteil vorgehen. Juristen sehen kaum Erfolgschancen: Immer wieder halten Firmen Testurteile zwar für falsch. Doch die Warentester entscheiden Rechtsstreitigkeiten meist für sich.

Der Schoko-Hersteller Ritter Sport will gegen das mangelhafte Testurteil von Stiftung Warentest vorgehen. Juristen sehen kaum Erfolgschancen: Immer wieder halten Firmen zwar Testurteile für falsch. Doch die Warentester entscheiden Rechtsstreitigkeiten meist für sich.

Waldenbuch - Der aktuelle Fall

Vanille und Sahne: Diese Geschmacksnoten verstärkt der Aromastoff Piperonal in Lebensmitteln. Der Schokoladen-Hersteller Ritter Sport verwendet das Aroma zum Verfeinern der Sorte Voll-Nuss und weist es auf der Zutatenliste als natürliches Aroma aus. Nach der EU-Aromaverordnung bedeutet das: Das Aroma wurde in der Natur nachgewiesen und aus der Pflanze oder biotechnologisch mit Hilfe von Bakterien und Pilzen hergestellt. Piperonal kommt in der Natur unter anderem in Dill, Pfeffer und Vanilleschoten vor.

Nun aber hat die Stiftung Warentest in der vergangenen Woche einen Schokoladentest veröffentlicht und in der Sorte Ritter Sport Voll-Nuss chemisch hergestelltes Piperonal entdeckt. „Dieses muss als Aroma gekennzeichnet werden, nicht als natürliches Aroma. Die aktuelle Zutatenliste täuscht die Verbraucher. Auch wenn das nicht die Gesundheit gefährdet, lautet unser Urteil deshalb ‚mangelhaft‘“, sagt Birgit Rehlender, Projektleiterin des Tests. Die chemische Herstellung von Aromen ist deutlich günstiger als die natürliche Gewinnung.

Ritter Sport streitet die Falsch-Deklaration ab und will rechtliche Schritte gegen die Stiftung Warentest einleiten. Für das Unternehmen geht es dabei nicht nur um die getestete Sorte Voll-Nuss: Alle Sorten mit Vollmilchschokolade enthalten Piperonal, und überall ist es als natürliches Aroma auf der Zutatenliste deklariert.

Die Arbeit der Warentester

Der Bundestag beschloss im Dezember 1964, die Stiftung Warentest einzurichten. Als neutrale Test-Institution soll sie den Verbrauchern seitdem dabei helfen, Produkte unterschiedlicher Hersteller vor dem Kauf besser vergleichen zu können.

Über 200 Waren und Dienstleistungen fühlen die Warentester jährlich auf den Zahn. Ein Test kostet zwischen 30.000 und 100.000 Euro. Finanziert wird das durch den Verkauf der Test-Hefte und Bücher, durch die Verzinsung des Stiftungskapitals und durch staatliche Zuwendungen. Anzeigen können der Unabhängigkeit wegen in den Zeitschriften nicht geschaltet werden.

Hat sich die Stiftung Warentest für ein neues Testprodukt entschieden – beispielsweise für Nuss-Schokolade – und sich überlegt, was genau daran geprüft werden soll (etwa Geschmack oder Verpackung), wird ein Fachbeirat zusammengerufen. Darin sitzen unabhängige Experten (etwa Wissenschaftler), Verbraucherschützer und Vertreter des Produktbereichs, der getestet wird. Im Beispiel also ein Schokoladenhersteller. Ob sein eigenes Produkt später auch getestet wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.

Diese Einbeziehung der Produktanbieter ist weltweit einmalig. „Wir wollen nicht nur herausfinden, ob die Testkriterien richtig und sinnvoll sind, und den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung helfen. Es geht auch darum, dass die Hersteller sie in der Realität erfüllen können“, sagt Heike van Laak von der Stiftung Warentest.

Danach wird weltweit nach einem externen Prüfinstitut gesucht, das den geplanten Test umsetzen kann, und entschieden, welche Produkte geprüft werden sollen. „Das richtet sich unter anderem nach der Verbreitung und nach dem Preis“, sagt van Laak. Wie normale Verbraucher kaufen die Warentester die Testprodukte im Handel ein. Sie werden also nicht von den Herstellern geliefert und so womöglich vorab manipuliert.

Ist das Prüfinstitut mit den Tests fertig, erstellt es ein Gutachten für die Stiftung Warentest. „Meist erhalten auch die getesteten Firmen bereits jetzt eine Information mit ihren Messergebnissen. Unsere Bewertungen und die Schlüsse, die wir daraus ziehen, stehen aber nicht darin. Das Unternehmen muss die Daten also selbst interpretieren können“, sagt Birgit Rehlender. Als Projektleiterin des Schokoladentests hat sie auch der Firma Ritter Sport eine entsprechende Information vor der offiziellen Veröffentlichung der Testergebnisse zukommen lassen. Darin sei zwar das Piperonal aufgetaucht, nicht aber der chemische Ursprung, „denn das gehört zur Bewertung“, sagt Rehlender und betont: „Wenn ein Anbieter sagt, dass unsere Werte überhaupt nicht mit den eigenen Prüfergebnissen übereinstimmen, wiederholen wir den Test.“

Die Stiftung und die Gerichte

„Bekommt eine Firma für ihr getestetes Produkt die Note ‚mangelhaft‘, ist die Empörung in der Regel groß“, sagt Heike van Laak. Immerhin kann eine solche Bewertung Umsatzrückgänge von bis zu 30 Prozent für das betroffene Unternehmen bedeuten. Weswegen die Firmen regelmäßig mit rechtlichen Schritten drohen. „Dass tatsächlich eine Firma vor Gericht zieht, kommt aber nur etwa viermal pro Jahr vor“, so van Laak. Die meisten Prozesse verlieren die Hersteller.

Schuld daran ist ein Urteil aus dem Jahr 1975. Damals klagte ein Hersteller von Skibindungen gegen das schlechte Testurteil. Nach einem langen Rechtsstreit entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Unternehmen die Ergebnisse akzeptieren müsste, wenn diese in neutralen Tests (also nicht etwa durch einen Konkurrenten) und nach objektiven und sachgerechten Kriterien zustande gekommen seien und die daraus folgende Bewertung vertretbar erscheine.

„Die Stiftung Warentest bekommt dadurch einen sehr großen Spielraum, welche Maßstäbe sie für die Testverfahren ansetzt und wie stark sie die einzelnen Testkriterien bewertet“, sagt Roland Schimmel, Professor für Bürgerliches Recht an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Diesen Spielraum hält der Jurist aus zwei Gründen für gerechtfertigt: „Er stärkt die Verbraucheraufklärung, die in Deutschland einen hohen Stellenwert hat. Außerdem fallen die Testurteile unter die Meinungsfreiheit. Es gehört zum ökonomischen Risiko eines Unternehmens, dass sich jemand kritisch über ein Produkt äußert.“

Aus diesen Gründen glaubt Schimmel auch nicht, dass es der Firma Ritter Sport gelingen wird, einen rechtlichen Erfolg gegen die Stiftung Warentest zu erzielen. „Am wahrscheinlichsten wäre noch eine Unterlassung. Die Warentester müssten die Testergebnisse dann richtigstellen. Aber die Fälle der letzten Jahre zeigen, dass man der Stiftung Warentest kaum Fehler nachweisen kann. Sie ist vor Gericht ein Angstgegner.“

Fast aussichtslos hält er eine Klage auf Schadenersatz – mit der bislang noch kein einziges Unternehmen gegen die Warentester erfolgreich war. „Dazu muss ich nicht nur einen Fehler beweisen, sondern auch noch belegen, wie viel Umsatz mir durch das Testergebnis entgangen ist.“

Die Androhung rechtlicher Schritte hält er aus Unternehmenssicht dennoch für richtig. „Das machen die Firmen in den letzten Jahren immer häufiger, weil es eine gute Möglichkeit ist, den Ruf in der Öffentlichkeit wieder etwas zurechtzurücken.“ Ob dann tatsächlich geklagt werde, sei zweitrangig. „Bis es zu einem Urteil kommt, vergehen meist mehrere Jahre. Die Öffentlichkeit hat den Fall bis dahin ohnehin längst wieder vergessen.“