Suizid oder Mord - der Fall Florian H. gibt bis heute Rätsel auf. Foto: dpa

Im September 2013 verbrannte Florian H. in seinem Auto auf dem Cannstatter Wasen. Bis heute gibt es Zweifel an der These, der 21-Jährige sei freiwillig aus dem Leben geschieden. Der leitende Ermittler hält allerdings daran fest.

Stuttgart - Die Ermittler im Fall des Feuertodes von Florian H., einem Aussteiger aus der rechten Szene, haben vor dem NSU-Untersuchungsausschuss an der Suizid-These festgehalten.

„Für mich ist der Fall Florian H. ein sicherer Fall“, sagte der Erste Kriminalhauptkommissar Helmut Hagner vom Polizeipräsidium Stuttgart am Montag in Stuttgart. „Es gibt für mich keinerlei Anhaltspunkte, dass hier irgendjemand etwas von dritter Hand eingebracht hat, gezündet hat, um den Florian H. umzubringen.“ Die Polizei vermutet eine Selbsttötung unter anderem aus Liebeskummer. Pikant: Der Bruder eines Ermittlers soll früher Mitglied im Ku-Klux-Klan gewesen sein.

Familie übt Kritik an Polizeiarbeit

Vor einer Woche hatte die Familie vor dem Ausschuss den Ermittlern schlampige Arbeit vorgeworfen. Die Beamten seien von Anfang an von einem Suizid ausgegangen und hätten diese These nie infrage gestellt.

Florian H. war im September 2013 in seinem Auto auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart verbrannt. Am selben Tag hatten ihn LKA-Beamte befragen wollen. Florian H. soll gewusst haben, wer die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn getötet hat. Der Mord wird dem rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugerechnet. Der Landtagsausschuss soll Kontakte und Aktivitäten des NSU im Südwesten beleuchten sowie die Aufklärungsarbeit der Behörden.

LKA drängte auf Ermittlungen in rechter Szene

Das Landeskriminalamt (LKA) hat laut Kriminalhauptkommissar Achim Korge darauf gedrungen, stärker in die rechte Szene zu ermitteln. Dafür sah sich die Polizei aber nicht zuständig, wie Korge sagte. Der Staatsanwalt habe dafür keine Rechtsgrundlage gesehen. So habe er auch den Vorschlag der Polizei, einen Durchsuchungsbeschluss für Florian H.’s Zimmer zu erlassen, abgelehnt.

Staatsanwalt Stefan Biehl wies Versäumnisse am Montag zurück: „Ich hatte keine konkreten Anhaltspunkte für eine Straftat, nur dann kann ich ein Ermittlungsverfahren einleiten.“ Er habe weder eindeutige Hinweise für eine Nötigung noch eine Bedrohung des Florian H. gehabt. Es habe auch keine Anzeige der Eltern vorgelegen. Der Vater hatte die Ermittler darauf hingewiesen, dass sich sein Sohn aus der rechten Szene massiv bedroht gefühlt hatte.

Der Polizist Jörg B. hatte der Familie von Florian H. im September 2013 die Todesnachricht überbracht, wie die „Südwest Presse“ am Samstag berichtete. Sein Bruder soll im Jahr 2001 eine gehobene Stellung beim rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan in Schwäbisch Hall gehabt haben.

"Ich habe mir noch nie etwas zuschulden kommen lassen"

„Ich bin seit 26 Jahren Polizeibeamter“, sagte Kriminaloberkommissar Jörg B. am Montag. „Ich habe mir noch nie etwas zuschulden kommen lassen, auch nicht in dieser ganzen Sache.“ Er habe einen Kollegen mit in eine Gaststätte in seinem Heimatort Schwäbisch Hall mitgenommen. Dort sei auch sein Bruder dazu gekommen. Später habe ihm der Kollege mitgeteilt, es werde disziplinarrechtlich gegen ihn ermittelt, weil er Mitglied im Ku-Klux-Klan sei, sagte JörgB. weiter. „Er sei über meinen Bruder an die Organisation herangekommen.“

Die Polizeiführung hat nach eigener Aussage nichts über die Kontakte von Jörg B.’s Bruder zum Ku-Klux-Klan gewusst.

In einem Bericht der Tageszeitung „Junge Welt“ hieß es zudem, ein Fahrlehrer habe sich der Polizei in Stuttgart als Zeuge angeboten, weil er am Auto des Florian H., das später in Flammen aufging, einen zweiten Mann gesehen habe. „Es wurde nur eine Person beobachtet“, sagte der leitende Ermittler Hagner. „Es waren zum Zeitpunkt des Zündens keine Personen in der Nähe.“

Die Obmänner zogen am Abend eine kritische Bilanz. „Hier ist streng getrennt worden“, sagte Jürgen Filius (Grüne) mit Blick auf die Zuständigkeiten von Landeskriminalamt und Polizei Stuttgart. „Das ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Ulrich Goll (FDP) kritisierte den zeitlichen Ablauf. Die Behörden hätten sich „atemberaubend schnell festgelegt“ auf die Suizid-These. Allerdings habe sich weiter erhärtet, dass „wahrscheinlich keine Fremdeinwirkung im Spiel war“.