Der Impfstoff Comirnaty von Biontech und Pfizer. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Jahre nach Beginn der Corona-Impfkampagne soll Pfizer Ungeheuerliches zugegeben haben. Das Unternehmen kommt wegen einer "atemberaubender" Aussage unter Beschuss. Aber was ist wirklich dran? Ein Faktencheck.

Seit ein paar Wochen nehmen Corona-Infektionen vermutlich zu, werden aber aufgrund der milden Verläufe gar nicht mehr gemeldet. Im Kreis Rottweil zum Beispiel liegt die Inzidenz nur noch bei <110. Und auch die schweren Covid-Fälle in den Krankenhäusern sind mit 119 (11.11.2022, Intensivregister.de) im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt (352) in Baden-Württemberg und Deutschland (1126 vs. 2732) deutlich gesunken. 

 

Sich mit der Impfung und Hygienemaßnahmen zu schützen, bleibt dennoch vor allem für ältere Menschen weiter wichtig – auch wenn in Baden-Württemberg voraussichtlich ab Mitte November die Isolationspflicht wegfallen wird. "Corona hat seinen Schrecken weitgehend verloren", sagt Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, auf Anfrage unserer Redaktion.

Schwabo-Leser spricht von einem Skandal

Aufregung gibt es derzeit dennoch. Denn in sozialen Medien verbreitet sich, dass der Impfstoffhersteller Pfizer angeblich zugegeben habe, dass sein gemeinsam mit der Firma Biontech entwickelter mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 keine Ansteckung verhindern könne: "Atemberaubende Zeugenaussage: Pfizer hat den COVID 'Impfstoff' nie darauf getestet, ob er die Übertragung des Virus 'stoppt'! Wir wurden alle belogen!!!", heißt es etwa in einem Facebook-Beitrag.

"Die Anhörung der Pfizer Directorin Janine Small kürzlichst im Europäischen Parlament ist ein Skandal, der eigentlich auf jede Titelseite einer Tageszeitung gehört", schrieb auch ein Leser des Schwarzwälder Boten per Mail. Nur die Südthüringer Rundschau (Anm. d. Red.: eine Gratis-Zeitung, die dem Reichsbürgertum sehr nahe steht und die in der Vergangenheit die Gefährlichkeit von Corona-Infektionen verharmlost hat) hätte den Mut gehabt, über diesen Skandal zu berichten.

Ein Blick auf die Fakten fördert Ungeheuerliches zutage - oder doch nicht?

Pfizer-Skandal? Bewertung der Aussage

Die Aussage von Pfizer ist zutreffend – aber nicht neu. Es war nie ein Geheimnis, dass die Tests vor der Impfstoffzulassung nichts zum Einfluss auf die Virus-Übertragung sagten. Es ging vielmehr darum, den Schutz vor einer schweren Covid-Erkrankung nachzuweisen.

Corona: Die Fakten zur Pfizer-Aussage

Die Pfizer-Aussage stammt ursprünglich aus einer Anhörung im Europäischen Parlament am 10. Oktober: Dort fragte der rechtskonservative niederländische Europa-Abgeordnete Robert Roos die Pfizer-Sprecherin Janine Small, ob es vor der Zulassung des Biontech-/Pfizer-Impfstoffs Tests hinsichtlich der Übertragung gegeben habe. Die Pfizer-Sprecherin antwortet: "Nein." Man habe damals mit großer Schnelligkeit auf das Virus reagieren müssen.

Diese Antwort ist aber weder neu noch schockierend. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur Ema bereits in ihrer Mitteilung vom 21. Dezember 2020 anlässlich der Zulassung des Pfizer-Impfstoffs festgehalten: "Die Auswirkungen der Impfung mit Comirnaty auf die Verbreitung des Sars-CoV-2-Virus in der Bevölkerung sind noch nicht bekannt. Es ist noch nicht bekannt, inwieweit geimpfte Personen das Virus noch in sich tragen und verbreiten können." Ähnlich äußert sich die Ema in einem weiteren Bericht.

Schon am 11. Dezember 2020 hatte die US-Zulassungsbehörde FDA in einer Mitteilung über die Zulassung des Pfizer-Impfstoffs betont: "Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Daten vor, die eine Aussage darüber zulassen, wie lange der Impfstoff schützt, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff die Übertragung von Sars-CoV-2 von Mensch zu Mensch verhindert."

Unklar, ob Impfung die Weiterverbreitung verhinden kann

Pfizer-Chef Albert Bourla sagte der irischen Webseite "The Journal" vom 13. Januar 2021 zufolge, es sei noch Forschung hinsichtlich der Frage nötig, ob die Impfungen auch die Weiterverbreitung des Virus verhindern könnten: "Dies ist noch nicht schlüssig. Wir wissen, dass es bei Tieren einen signifikanten Schutz vor der Übertragung des Virus gibt ... . Beim Menschen haben wir das noch nicht [bewiesen]."

Tatsächlich hatten weder die EMA noch die FDA den Nachweis einer verringerten Weiterverbreitung des Virus von den Impfstoff-Herstellern gefordert. Das entscheidende Kriterium war, dass die Impfstoffe als sicher gelten und mindestens einen 50-prozentigen Schutz gegen Erkrankung boten. Der Pfizer-Impfstoff hatte in der klinischen Studie ursprünglich eine Wirksamkeit von 95 Prozent.

Mit anderen Worten, er schützt laut RKI sehr gut vor einer schweren Erkrankung und damit vor einem Krankenhausaufenthalt – auch wenn mehrere in der Zwischenzeit aufgetauchte Virusvarianten den Schutz verringert haben. Die Tatsache, dass die Zulassungsstudie die Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch zunächst nicht untersucht hat, bedeutet aber nicht, dass die Impfung keinen Beitrag zur Verringerung der Übertragung leisten könnte.

Impfung hat geringere Wirkung bei aktueller Corona-Variante

Das "New England Journal of Medicine" hat im Februar 2022 eine Studie veröffentlicht, wonach vor allem bei frühen Varianten des Virus die Impfung eine Übertragung verringert hat. Bei aktuelleren Varianten hatte die Impfung eine geringere Wirkung auf die Weiterverbreitung.

Auch ein im "British Medical Journal" veröffentlichter Bericht von Anfang 2022 kommt zu dem Schluss, dass die Impfstoffe tatsächlich helfen, eine Infektion zu verhindern, und somit einen indirekten Einfluss auf die Übertragung haben.