Stuttgart - Es braucht nicht viel, um die Gesetzesmühle in Gang zu setzen. Vielleicht ein Shirt mit einem Hanfblatt-Aufdruck, die falsche Musik im Autoradio oder vielleicht etwas gerötete Augen – „schon wird man um eine Urinprobe gebeten“, sagt Volker Auwärter. Der Professor für Rechtsmedizin an der Uniklinik Freiburg kennt die Maschen der Polizei, um Cannabis-Konsumenten am Steuer ausfindig zu machen, zur Genüge. Und er ist kein Freund davon. „Oft ist es so, dass zufällig erwischten Gelegenheitskonsumenten der Führerschein wegen des positiven Drogentests entzogen wird, obwohl ihr Cannabiskonsum länger zurückliegt und nachweislich keinen Einfluss auf ihr Fahrverhalten genommen hat.“

Auwärter nennt dies eine „Sanktion durch die Hintertür“. Ist Drogenkonsum strafrechtlich nicht mehr zu verfolgen, kommt eben einfach ein anderes Recht zur Geltung – das doch mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt: So kommt zu dem Führerscheinentzug noch die Aufforderung zur MPU – der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung. Ganz zu schweigen von den sozialen Folgen: Nicht wenige der Beschuldigten verlieren ihren Arbeitsplatz, wenn sie nicht mobil sind oder ein Strafverfahren gegen sie eröffnet wurde.

Der Freiburger Rechtsmediziner steht mit dieser Meinung nicht alleine da: Nicht umsonst hat ihn die Liga der freien Wohlfahrtsverbände in Baden-Württemberg zu sich nach Stuttgart eingeladen. Zusammen setzen sie sich nun für eine „Entkriminalisierung von Cannabis“ ein.

Schüler fürchten, dass sie im Nachhinein für das Kiffen belangt werden können

Dabei soll es aber nicht nur darum gehen, dass sich die Landesregierung für eine Novellierung des Führerscheingesetzes einsetzt, die künftig verhindert, dass allein der Nachweis von kleinsten Mengen des Drogenwirkstoffs THC über die Fahrtauglichkeit entscheidet. „Eine groß angelegte Entkriminalisierung würde vor allem auch die Präventionsarbeit in den Schulen erleichtern“, sagt Joachim Abstein, der Vorsitzender der Landesstelle. „Bislang können wir in Schulen das Thema Cannabiskonsum gar nicht oder nur schwer ansprechen.“ Zu groß sind die Hemmungen der Schüler, dass sie auch im Nachhinein für das Rauchen eines Joints belangt werden. „Meist erfolgt ein Ansprechen der Thematik erst, wenn der Konsum Lehrern oder der Polizei aufgefallen ist“, so Abstein. Das sei aber für eine Prävention oft zu spät.