Der Betrüger hat am Tag nach dem Geschehen bereits ein neues Profil mit den selben Fotos erstellt. Foto: Heidepriem

Ein netter Chat mit einem unbekannten Single - doch ist der Mensch am anderen Ende real? Maria P. aus Sulz am Neckar hat mit einem vermeintlichen alleinstehenden Arzt aus Berlin regelmäßig über Instagram geschrieben. Sie wird rechtzeitig stutzig. Gemeinsam mit der Polizei gibt unsere Redaktion Tipps zum Umgang mit solchen Situationen.

Sulz - Maria P. (der Name wurde von der Redaktion geändert) lebt schon länger alleinstehend mit ihrem Hund in Sulz. Auf einmal schreibt sie "Kelvin Ioannides" über Instagram an. Sie chattet mit ihm und freut sich über die netten Worte. Er ging zuerst auf ihren Hund ein und schickte daraufhin ein Bild von sich mit einem seiner eigenen Vierbeiner.

Auf diesen Einstieg folgt ein kurzer Lebenslauf: Er sei Grieche und lebe seit Jahren in Berlin. Dort praktiziere er als Arzt. Er fragt Maria, was sie so beruflich mache, wie alt sie sei und ob sie Single sei. Folgend schickt er ein Bild von sich und seiner Tochter und erklärt, seine Frau sei vor fünf Jahren an den Folgen von Brustkrebs gestorben.

Arbeitskolleginnen ermutigen zu Chat mit mysteriösem Unbekannten

Als Maria ihren Arbeitskolleginnen von dem Unbekannten auf Instagram erzählt und ihnen ein Foto zeigt, ermutigen diese Maria, weiter mit dem alleinstehenden Griechen zu schreiben.

Doch als der Arzt sie wenig später auffordert, auf der Messenger-App "Hangouts" von Google weiterzuschreiben, wird sie stutzig. Er meint, er könne aus beruflichen Gründen nicht immer auf Instagram sein. Zum weiteren Kennenlernen sei Hangouts also notwendig.

Als Maria dann einen ihrer Nachbarn um Hilfe bittet und diesem das Profil zeigt, wird der Nachbar auf den ersten Blick nicht stutzig - die Bilder auf dem Profil scheinen stimmig und dieselbe Person ist zu sehen. Doch als er sich den Account des Mannes auf seinem eigenen Handy anschaut und den Namen des vermeintlichen Singles bei Instagram eingibt, erscheint ein weiterer Account mit demselben Profilbild. Dahinter steht jedoch eine andere Jahreszahl im Namen. Schnell ist klar: Hier muss es sich um einen Fake-Account handeln.

Identität gestohlen

Wie die Recherche unserer Redaktion durch eine "Rückwärtssuche" des Bildes ergibt, ist der Mann auf dem Foto zwar Arzt - aber nicht in Berlin. Es handelt sich um Dr. Fernando Gomes Pinto, einen bekannten brasilianischen Neurochirurgen und Neurowissenschaftler. Er selbst erklärt in einem Video, dass seine Identität immer wieder gestohlen werde.

Die Betrüger versuchen mit diesen Fotos bei einem sogenannten "Love Scam" eine Beziehung zu ihren Opfern aufzubauen, um diese dann zu einem späteren Zeitpunkt nach Geld zu fragen. So heißt der Arzt auf dem Foto beim einen Mal Matt Wealther, ein anderes Mal David Asiedu, Jorge Fernando, Romeo Giovanni oder Daniel Legrand. Und im Fall von Maria P. gibt der Betrüger an, "Kelvin Ioannides" zu heißen.

Raub in Afrika nach tödlichem Unfall

Betroffene berichten in verschiedenen Foren von ähnlich gelagerten Betrugsversuchen mit Bildern des brasilianischen Neurochirurgen. So hätte einer der Betrüger etwa vier Wochen später behauptet, er sei in Afrika ausgeraubt worden, als er die verstorbene Mutter seiner Tochter nach einem tödlichen Autounfall sehen wollte. In einem anderen Fall benötigte der angebliche Lover Geld, um für sein Opfer eine Reise nach Syrien zu organisieren. Auch Maria P. wurde vom vermeintlichen Berliner etwas von einem UN-Hilfseinsatz in Syrien erzählt, an dem er sich als Arzt beteiligen würde.

Das sagt die Polizei

Die Polizei bestätigt dieses Muster - oft gäben die Scammer an, dringend geschäftlich oder aus familiären Gründen nach Westafrika zu müssen. Dabei würden die Betrüger versprechen, ihre neue Liebe danach zu besuchen. Doch dann gebe es angeblich Schwierigkeiten: Überfälle, gestohlene oder konfiszierte Pässe, einen Autounfall oder Probleme mit Kreditkarten. Die Opfer werden gebeten, per Bargeldtransfer Geld zu senden. Dazu würden laut Polizei Dienste wie Western Union oder MoneyGram genutzt.

Neben Geld würden teilweise auch Ausweispapiere oder die Einlösung von afrikanischen Schecks oder Zahlungsaufträgen gefordert. Auch Päckchen eines Dritten, die nach Afrika gesendet werden sollen, sind eine Masche. Die Ware in den Päckchen ist dabei zumeist mit einer gestohlenen Kreditkarte bezahlt worden.

Suchmaschinen helfen beim Verdachtsfall

Die Polizei rät auf ihrer Hilfeseite im Internet dazu, den Namen der Internetbekanntschaft mit dem Zusatz "Scammer" bei einer Suchmaschine wie Google einzugeben. In vielen Fällen könne ein Verdacht so bestätigt werden. Wenn ein Bild des Unbekannten vorhanden ist, kann man dieses mithilfe der umgekehrten Bildersuche nachverfolgen und so herausfinden, ob es geklaut wurde. Diese "Rückwärtssuche" finden Sie beispielsweise mit der Google Bilder-Suche unter diesem Link, wenn man auf das Foto-Symbol rechts der Suchleiste klickt.

Zudem sei es laut Polizei sinnvoll, für Online-Kontaktbörsen oder für den digitalen Schriftverkehr mit einem Unbekannten eine alternative E-Mail-Adresse zu nutzen.

Opfern eines "Romance Scams" rät die Polizei, die Forderungen der Betrüger zu ignorieren. Weiter sollen alle Mails und Chats als Beweis gesichert und Anzeige bei der Polizei erstattet werden. Letztendlich solle dann jeglicher Kontakt zum Scammer abgebrochen werden.

Weitere Tipps

Betrüger werden versuchen, Telefonate und Videotelefonate zu vermeiden. Wenn ein Betrüger es nicht vermeiden kann, gibt sich dieser womöglich als jemand anderes aus und zeigt seinem Opfer geklautes Videomaterial. Das lässt sich beispielsweise daran erkennen, das die Bewegungen der Lippen nicht zum Ton passen.

Betrüger werden immer vorgeben, momentan verhindert zu sein und nicht mit ihrem Opfer telefonisch reden zu können.

Um auf Nummer Sicher zu gehen, können sie ihr gegenüber nach einem spezifischen Foto von sich fragen. So könnte der Unbekannte beispielsweise drei Finger hochhalten. So lässt sich sicherstellen, dass versendete Fotos echt sind.

In diesem Video zeigen zwei amerikanische Youtuber, wer hinter einem der Scams mit Fotos des brasilianischen Doktors steckt: