Sucht im Ländle: Alkohol steht an erster Stelle. Foto: Symbol-Foto: Photographee.eu – stock.adobe.com

Der Leiter der Fachstelle Sucht in Rottweil spricht über die Legalisierung von Cannabis – und weitere Trends, die ausgeprägt sind.

Kreis Rottweil - "Wir im Land haben ein kleines Suchtproblem", sagt Jörg Hügel, Leiter der Fachstelle Sucht Rottweil, in der Sitzung des Sozial-, Kultur- und Schulausschuss des Rottweiler Kreistags. Hügel steht der Legalisierung von Cannabis kritisch gegenüber. Er spricht sich vielmehr für die Entkriminalisierung von Cannabis aus, da der Konsum der Droge Psychosen auslösen könne – besonders bei Jüngeren. "Wer Cannabis konsumiert, riskiert eine Psychose", sagt Hügel.

Verschiedene Debatten machen Legalisierung schwierig

Eine weitere Herausforderung, die mit der Legalisierung einhergehe, sei der Schwarzmarkt. Dieser sei aktuell "riesengroß". Der Preis, für den Cannabis in Zukunft erworben werden könnte, müsse sich nach der Legalisierung mit dem Preis des Schwarzmarktes decken, um zu vermeiden, dass Menschen, die Geld sparen möchten, weiterhin beim Dealer um die Ecke kaufen.

Das Stichwort Autofahren erschwert die Legalisierung außerdem: Der THC-Gehalt im Blut sei sehr lange nachweisbar. Das mache diese Methode nicht verlässlich. "Jemand der regelmäßig kifft, hat sechs Monate lang THC im Blut." Genaue Richtlinien zum Führerscheinbesitz und dem Konsum müssten noch diskutiert werden. "Das sind alles Debatten, die die Legalisierung schwierig machen", erklärt Hügel.

Der Leiter der Fachstelle Sucht sieht im Kreis Rottweil gerade ein Problem. Aktuell gebe es lediglich einen Arzt, der eine Substitution anbietet, also einen Ersatz. In der Behandlung Heroinabhängiger ist die Substitution von Heroin mit anderen Opioiden ein Suchthilfeangebot.

"Könnte in Rottweil wieder Heroin geben"

Man behandelt "die Symptome, nicht die Ursache", stellt Hügel klar. Auf diese Weise könnten drogenabhängige Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen – und das, ohne dass ihre Sucht auffällt. Er sieht eine große Gefahr, wenn der einzige Rottweiler Arzt ausfällt, der diese Behandlung anbietet. "Dann gibt es in Rottweil wieder Heroin", so die bittere Prognose des Leiters. Es fehle bei der Substitutionsbehandlung sowohl eine Nachfolge, als auch ein Vertreter.

Hügel gibt noch tiefere Einblicke in die Arbeit der Fachstelle Sucht und berichtet über Entwicklungstendenzen. "Sucht ist männlich", sagt er. Dreiviertel aller Klienten seien Männer.

Klassiker sei männlich und hat ein Alkoholproblem

Während der Corona-Krise hätten vermehrt Menschen im Alter zwischen 20 und 29 Jahren Hilfe bei der Fachstelle Sucht gesucht. Er erklärt sich dies damit, da die Pandemie "die erste existenzielle Krise für diese Altersgruppe" ausgelöst habe. Oft sei die Sucht ein "schleichender Vorgang". Deshalb rechne er damit, dass eine Welle auf die Fachstelle zukomme, die "relativ hoch sein wird".

Aber mit welchen Problemen kommen Menschen auf die Fachstelle Sucht zu? Der Klassiker sei "männlich und hat ein Alkoholproblem", so Hügel. Es gibt allerdings auch ungewöhnlichere Fälle. "Das Extrembeispiel war eine Frau, die mit einer Gummibärchensucht auf uns zugekommen ist."

Die meisten Menschen würden Hilfe bei der Fachstelle Sucht suchen, weil es ihr Partner, ihr Arbeitgeber oder das Gericht fordert. Nur 15 bis 20 Prozent würden von sich aus Hilfe suchen.