Südeuropa glüht unter extremer Hitze. Von Dürre und heißen Winden angetriebene Feuer fressen sich durch Griechenlands Wälder. Und dann gibt es da noch die Eisbäche, die mitten im Hochsommer durch eine norditalienische Stadt rauschen. Szenen aus einer Welt, in der das Weltklima aus den Fugen gerät.
Dieser Sommer wird vielleicht einmal in die Geschichte eingehen als Zeitwende, in der selbst hartleibigen Leugnern des Klimawandels klar wurde, dass etwas nicht stimmt. Mit unserem Wetter, unserem Klima – und unserem Umgang mit der Natur.
Sturzfluten und Starkregen, Überschwemmungen und Erdrutsche, Eisbäche und Hitzerekorde: Das Wetter rund um den Globus gerät aus den Fugen und spielt komplett verrückt. Oder um es mit Blick auf die eher düstere Zukunft der Menschheit mit dem großen englischen Dichter William Shakespeare zu formulieren: „To be, or not to be, that is the question!“ – „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage!“
Wir zeigen Ihnen, wie sich der Klimawandel schon heute massiv auf unser Leben auswirkt und warum Wetterextreme gerade während der heißesten Monate des Jahres verstärkt auftreten:
Auf unserer Karte sehen Sie, wo die hier genannten Wetterextreme auftreten:
Was sind die Folgen von Extremwetter?
Vier von fünf Naturkatastrophen weltweit sind nach der Studie „World Disasters Report 2022“ des IFRC (International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies) in den vergangenen zehn Jahren auf Wetteranomalien Wetter und die Folgen der Klimakrise zurückgegangen. Dazu gehören Unwetter, Überschwemmungen, Extremdürren und Hitzeglocken.
Zusammen haben diese Katastrophen demnach 2021 mehr als 400 000 Menschenleben gefordert. Laut der Föderation der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften ist die Zahl der klima- und wetterbedingten Katastrophen seit den 1990er Jahren in jedem Jahrzehnt um fast 35 Prozent gestiegen.
Insgesamt wurden durch solche Katastrophen 1,7 Milliarden Menschen in Mitleidenschaft gezogen. Sie verloren Angehörige, wurden verletzt oder verloren Wohnbauten, Vieh, Felder und Lebensgrundlagen.
Was sind Wetteranomalien?
Unter einer Anomalie versteht man in der Meteorologie die Abweichung einer meteorologischen Größe wie der Jahresmitteltemperatur oder der Niederschlagsmenge von ihrem Mittelwert. Meist handelt es sich dabei um einen zeitlichen Mittelwert.
Doch auch bei Abweichungen von räumlichen Mittelwerten sprechen Meteorologen von einer Anomalie. Eine Anomalie kann unvermittelt auftreten und über mehrere Jahre anhalten.
Bei Wetteranomalien denken viele gleich an El Niño – und sein Gegenpart La Niña. Diese meteorologischen Unregelmäßigkeiten treten in der Regel in Abständen von durchschnittlich vier Jahren auf. Ausgelöst wird El Niño von wärmeren Wassertemperaturen im tropischen Pazifik. In der Folge verschieben sich aufgrund von veränderten Luft- und Meeresströmungen weltweit.
Vor allem an der Westküste von Südamerika, Südasien und Australien verursacht die Anomalie Extremwetter wie Hitze, Frost, Wirbelstürme und Starkregen verursacht. Die Folgen können Dürren, Riesenwellen, Überschwemmungen und Erdrutsche sein.
Eisbäche
Eine schier unglaubliche Wetteranomalie und das kurioseste Ereignis des Extremwetters, das den Norden Italiens erst am vergangenen Wochenende heimgesucht hat, sind die Wassermassen und Eisschollen, die nach extremen Hitzetagen von bis 40 Grad durch die Gassen der norditalienischen Kleinstadt Seregno bei Mailand in der Lombardei rauschten.
Starkregen
„Höhere Temperaturen führen zu verstärkter Dürre, weil aufgrund der stärkeren Verdunstung die Böden und Vegetation schneller austrocknen, wenn es nicht viel regnet“, sagt der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Doch nicht nur Dürre ist eine Folge der Hitze.
„Höhere Temperaturen führen auch zu mehr Extremniederschlägen, weil warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen und dann abregnen kann.“ Die Folge: Überschwemmungen wie zuletzt in Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina.
Laut einer Studie im Fachjournal „Climate and Atmospheric Science“ ist die Zahl der Niederschlagsrekorde stark gestiegen. Im Durchschnitt könne einer von vier rekordhohen Tagesniederschlägen auf den Klimawandel zurückgeführt werden.
Stürme
Schwere Unwetter hatten am Samstag (22. Juli) Nord- und Mittelitalien heimgesucht und zum Teil erhebliche Schäden angerichtet. Betroffen waren unter anderem die Gegend um Bologna und die Adriaküste. Der Wetterdienst der Region Emilia-Romagna, deren Hauptstadt Bologna ist, meldete heftige Gewitter auch aus den Provinzen Reggio Emilia, Ferrara und Ravenna.
Fotos zeigten umgeknickte Strommasten, eingestürzte Häuser, auf dem Boden verstreute Dachziegel und verunglückte Autos. Auf einem Video waren Badegäste zu sehen, die in Lido di Classe bei Ravenna in Massen vom Strand flohen. Das genaue Ausmaß der Schäden war noch nicht klar.
Wenn die Gewitterzellen besonders aufgeladen und groß sind, kann es zu verheerenden Stürmen, Orkanen und Tornados kommen.
Hagel
In der norditalienischen Provinz Provinz Ferrara waren ebenfalls am Wochenende heftige Hagelschauer niedergegangen. Aus einigen Orten gab es Berichte über tennisballgroße Hagelkörner. Laut Wetterdienst wurden Windböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 129 Stundenkilometern registriert.
Laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach ist Hagel ist ein „häufiger Begleiter sommerlicher Starkgewitter“. Je größer die Hagelkörner sind, desto größer ist auch der angerichtete Sachschäden sowie die Schäden in der Landwirtschaft.
Sturmfluten
Südlich der an die Emilia-Romagna angrenzenden Adria-Region Marken mit der Hauptstadt Ancona wurden Urlauber an einem Strandabschnitt nördlich von Ancona von einer ebenso plötzlichen wie heftigen Sturmflut überrascht.
Während die Strände noch voller Badegäste waren, verfinstere sich binnen Minuten der Himmel, heftige Windböen rissen Dutzende Sonnenschirme weg. Die Wellen überspülten große Strandabschnitte.
Blitze
Blitze – also elektrostatische Funkenentladungen zwischen Wolken der Erdewährend eines Gewitters – gehören zu den faszinierendsten Naturschauspielen, aber auch auch zu den gefährlichsten. Insgesamt ermittelte der „Blitz-Informationsdienst“ von Siemens im Jahr 2021 in Deutschland rund 491 000 Blitzeinschläge – 23 Prozent mehr als 2020.
Die blitzreichsten in Deutschland sind übrigens Starnberg, gefolgt von Augsburg (beide in Bayern) und dem Bodenseekreis (Baden-Württemberg).
Hitzekuppel
Seit Wochen schon leidet der Süden der USA unter einer schweren Hitzewelle. Über der Region hat sich eine Hitzekuppel gebildet, die die schwitzen lässt. Als Hitzekuppel (auf Englisch „Heat dome“) oder Hitzeglocke wird ein Hochdruckgebiet bezeichnet, das heiße Luft wie ein Deckel in einer Region gefangenhält.
Der Hochdruck verhindert eine Bildung von Wolken, wodurch Sonnenstrahlen ungehindert den Erdboden aufwärmen können. Der Druck lässt zugleich Luftmassen absinken, was die Luft aufwärmt und die Hitze weiter verstärkt. Für die Menschen in den betroffenen Gebieten kann sich das anfühlen wie in einem Ofen. Eine Hitzekuppel kann eine Region Tage oder sogar Wochen im Griff haben.