Exportierte Neuwagen auf einem Schiff. Foto: dpa

Deutsche Maschinen, Autos und Waren sind auf der ganzen Welt gefragt. Das macht die Bundesrepublik stark. Zu stark? Dies will die EU nun prüfen.

Brüssel - Deutsche Maschinen, Autos und Waren sind auf der ganzen Welt gefragt. Das macht die Bundesrepublik stark. Zu stark? Dies will die EU nun prüfen.
Wieso ist Deutschland in den Augen Brüssels zu stark?
Die Kritik kommt nicht nur von der EU-Kommission, sondern auch vom Internationalen Währungsfonds und der amerikanischen Regierung. Anlass ist die Entwicklung, dass Deutschland mehr exportiert, als es an Waren aus anderen Ländern einführt. Tatsächlich hat die Bundesrepublik in diesem Jahr 6,1 Prozent mehr Produkte ausgeführt. Sechs Prozent sind erlaubt. Diese Situation hält seit 2007 an.
Was ist daran so schlimm?
Zum einen leiten Kritiker daraus den Vorwurf ab, dass die Stärke der Bundesrepublik den schwächeren Marktwirtschaften im Süden schadet. Denn deren Exportchancen gehen zurück. Zum anderen sorgt die große Nachfrage nach Produkten made in Germany für einen starken Euro, der die Preise für alle Waren und Dienstleistungen aus dem Euro-Raum drastisch in die Höhe treibt. Das macht es für Frankreich und Spanien, aber auch für Irland und Portugal schwerer, wieder den Fuß in die Türe zu bekommen. Obwohl Madrid beispielsweise die Löhne massiv gesenkt hat. Aber das reicht neben einem so starken Partner eben nicht.
Was will Brüssel denn nun bewirken? Soll Deutschland weniger exportieren?
Nein. Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat ausdrücklich betont, dass es nicht darum geht, Deutschland schwächer zu machen oder die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes herabzusetzen. Die Bundesrepublik soll stattdessen mehr konsumieren, also die Binnennachfrage stärken, was unterm Strich heißt: Die Exporte können ruhig so hoch bleiben, wenn die Importe ausgeweitet werden. Außerdem fordert man mehr Investitionen zum Beispiel in Energienetze, um die Stromkosten zu senken, sowie höhere Löhne vor allem im unteren Bereich der Einkommensskala. Zusätzlich schwebt der EU-Kommission eine Anhebung der Renten und anderer Ruhestandsbezüge vor, damit auch diese Bevölkerungsgruppe stärker konsumieren kann.
Was passiert, wenn Deutschland da nicht mitzieht?
Nun wird erst einmal geprüft. Dann geben alle Beteiligten ihre Stellungnahmen ab. Anschließend folgt – in einigen Monaten – eine Empfehlung. Wird diese nicht beachtet, kann Brüssel ein Strafgeld von bis zu 2,5 Milliarden Euro pro Jahr verhängen.
Wieso hat die EU-Kommission denn das Recht, Deutschland sogar seine Exportstärke vorzuschreiben?
Dabei handelt es sich um ein neues Instrument, das übrigens nicht zuletzt auf Betreiben der Bundesregierung angenommen wurde. Dabei werden diverse Wirtschaftsdaten wie Löhne, öffentliche Verschuldung und eben auch Faktoren, die ein ökonomisches Ungleichgewicht zeigen, unter die Lupe genommen. Im Kern geht es darum zu fragen, ob die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten der Währungsunion guttut. Wenn es da nämlich Schieflagen gibt – weil die einen zu schwach oder die anderen zu stark sind –, beeinträchtigt das die gesamte Euro-Zone.
Welchen Anteil hat Baden-Württemberg an den deutschen Ausfuhren?
Von Januar bis Ende September 2013 lagen die deutschen Ausfuhren bei 723,3 Milliarden Euro, (1,4 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum). Davon entfielen auf Baden-Württemberg 113,9 Milliarden Euro (minus 3,9 Prozent). Der Südwesten belegt beim Export im Vergleich der Bundesländer nach wie vor eine Spitzenposition. Nur Nordrhein-Westfalen hat in diesem Zeitraum mehr exportiert, Bayern steht auf Rang drei. Die EU-Staaten sind der wichtigste Absatzmarkt für baden-württembergische Unternehmen. Der Südwesten liefert 21 Prozent der deutschen Exporte in die EU.
Wie reagieren die exportstarken Branchen ?
Hier gibt es Gegenwind für die EU-Pläne. Ein Sprecher der Chemieverbände im Südwesten sagte unserer Zeitung, man halte „überhaupt nichts“ von dem EU-Vorstoß. Die möglichen Auswirkungen auf die Südwest-Wirtschaft bezeichnete er als „katastrophal“. Die Chemiebranche im Land exportiert rund 60 Prozent ihrer Waren ins Ausland. Im Pharmabereich beträgt der Exportanteil gar 73 Prozent. Vom Maschinenbauerverband VDMA im Südwesten hieß es, offene Märkte ohne Beschränkungen seien die Grundlage allen Wirtschaftens. Handel sei keine Einbahnstraße – auch in Deutschland nicht. Der Südwesten importiere fast 50 Prozent seines Maschinenparks von ausländischen Herstellern. Andererseits könne man Deutschland nicht dafür verantwortlich machen, dass alle Welt seine Waren wolle, sagte Ulrich Hermani, Geschäftsführer des VDMA im Südwesten, unserer Zeitung. Der Außenwirtschaftsexperte der IHK Region Stuttgart fragt: „Sollen deutsche Unternehmen künftig ihren Kunden sagen, wir dürfen nichts mehr verkaufen, weil wir so gut sind?“
Die Verbände argumentieren, deutsche Exporte helfen auch Europa. Stimmt das?
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat errechnet, dass bei einem Anstieg deutscher Exporte um zehn Prozent auch die Importe an Vorleistungen wie Rohstoffe aus den EU-Ländern um neun Prozent zulegen.