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Bedeutende Exponate werden geborgen und archiviert - Kooperation mit Staatsarchiv Ludwigsburg.

Stuttgart - Kein Museum dieser Welt kann alles ausstellen, was es besitzt. Im Linden-Museum hat die Direktorin einen ehrgeizigen Plan: den Keller zu durchstöbern, um bedeutende Exponate und Dokumente aufzuspüren und zu archivieren. Schon nach erster Durchsicht zeigt sich, dass sich die Kellerschau lohnt.

Wer das helle Museumsgebäude am Hegelplatz betritt, verlässt den Lärm der Stadt und taucht ein in fremde Welten: Afrika, Amerika, Orient, Asien, Ozeanien. Masken, Figuren, Gefäße und Kunstwerke bringen den Besuchern des Staatlichen Museums für Völkerkunde fremde Kulturen nahe.

"Doch von vielen Exponaten wissen wir nicht genau, woher sie stammen oder wie sie ins Haus gelangt sind", sagt Museumschefin Inés de Castro. " Eine Aufarbeitung der Dokumente im Keller des Museums könnte diese Wissenslücken schließen. Einige Forscher, die sich für bestimmte Objekte interessieren, warten schon darauf."

Stuttgarter Bevölkerung eine Vorstellung von fernen Ländern vermitteln

Es sind handschriftliche Papiere, Briefe, Auflistungen von Fundstücken und andere Unterlagen, die häufig noch vom Württembergischen Verein für Handelsgeographie stammen. Der Verein wurde 1882 gegründet, um die Erdkunde zu pflegen und ein handelsgeografisches Museum zu schaffen. Man unterstützt Exkursionen in damals noch wenig erforschte Regionen außerhalb Europas, bittet Handeltreibende und im Ausland lebende Württemberger oder Forschungsreisende um Ausstellungsstücke und kann so der Stuttgarter Bevölkerung eine Vorstellung von fernen Ländern und Völkern vermitteln. Die Dokumente sind daher nicht nur für die Historie des Museums oder die Kulturgeschichte Stuttgarts und Württembergs von Interesse, sondern auch als Quellenfundus für die völkerkundliche Forschung.

Für de Castro sind die Dokumente "von unschätzbarem Wert", denn gerade während der Kolonialzeit und der Zeit der Expeditionen wurden viele Artefakte des heutigen Museumsbestands zusammengetragen. Als Vorsitzender des Vereins für Handelsgeographie war Graf von Linden, nach dem das Museum benannt ist, bestens vernetzt und korrespondierte mit Forschern, Entdeckern und Händlern. So finden sich Schriftwechsel mit bekannten Forschungsreisenden wie dem Arzt Albert Schweitzer oder dem Polarforscher Roald Amundsen in den Akten.

Als "kulturgeschichtlich sehr bedeutend" bezeichnet Dr. Elke Koch vom Staatsarchiv Ludwigsburg die Dokumente. 25 von insgesamt 100 Meter Akten hat die Archivarin mit ihren Mitarbeitern seit dem Frühjahr bereits gesichtet und nach Ludwigsburg gebracht. Hübsch anzusehen ist ein mit Schleifen verzierter Bilderrahmen, in dem sich gepresste Pflanzen befinden. Ein daran befestigtes Schildchen informiert darüber, dass die getrockneten Pflänzchen von einer Spitzbergen-Expedition mit zwei adeligen Herren und zwei Akademikern aus dem Jahre 1891 stammen. Was alles aus dem Fundus tatsächlich brauchbar ist, wird die Aufarbeitung noch zeigen. Bis Ende 2012, so die Einschätzung von Koch, können die Archivare damit fertig sein. "Die Arbeit der Forscher beginnt danach", erläutert sei.

Material soll jedem Bürger zugänglich sein

Nach der fachkundigen Archivierung und Erfassung soll das Material jedem Bürger zugänglich sein. Auf der Homepage des Landesarchivs sollen Interessierte dann recherchieren und im Lesesaal des Archivs die verwahrten Unterlagen auch sichten können. Das 100 Jahre alte Linden-Museum ist eines der ersten großen Museen des Landes, das dafür mit dem Staatsarchiv zusammenarbeitet. "Wir sind ausgesprochen dankbar für die Zusammenarbeit", sagt Dr. Peter Müller. "Es geht hier nicht nur um einen Teil oder einen kleinen Ausschnitt des Museumsarchivs, sondern wir arbeiten das komplett auf", sagt der Leiter des Staatsarchivs.

Wenn die Akten mit den Dokumenten aus dem Archiv im Keller des Linden-Museums nach Ludwigsburg transportiert worden sind, werden Titel, Jahr und Inhalte in einer Datenbank erfasst. Ein Verzeichnis über die Dokumente soll zuletzt im Internet abrufbar sein. So können Forscher Informationen gezielter suchen und schneller finden. Nach der Datenbankeingabe wird alles archivgerecht verpackt und in den klimatisierten Magazinen des Staatsarchivs eingelagert.

"Normalerweise bearbeitet man als Archivar 30 Jahre alte Dokumente. Jetzt geht es in die Zeit bis vor 1880 zurück", so Elke Koch. Ganz bei null mussten die Archivare allerdings nicht anfangen. Ein großer Teil der Akten war schon alphabetisch nach Namen geordnet. Diese Vorsortierung haben frühere Museumsmitarbeiter vorgenommen, möglicherweise bereits Mitglieder vom Verein für Handelsgeographie. Das ein oder andere aufbewahrte Papier wird aber wohl aussortiert werden müssen, weil es keine Auskünfte zu den Biografien der Objekte im Museum gibt. So hat Elke Koch auch Rechnungen aus den 1950er Jahren gefunden, die zeigen, wie viel Brief- und Toilettenpapier das Museum gekauft hat. Inés de Castro: "Die Mitarbeiter des Archivs müssen Mut zum Wegschmeißen aufbringen."

Die Museumsdirektorin hat bereits ein weiteres Kooperationsprojekt im Blick, das sich an das jetzige anschließen könnte. "In einem zweiten Schritt könnten wir unser Fotoarchiv bearbeiten. Das wird auch sehr spannend."