Viele Menschen freuen sich überhaupt nicht, wenn sie so ein Vogelnest unter ihrem Dach, auf dem Balkon oder der Terrasse entdecken. (Archivbild) Foto: Gauggel

Vogelnester auf dem Balkon oder unterm Dach sind vielen Menschen ein Dorn im Auge. Aber darf man diese einfach entfernen? Oder dafür sorgen, dass die Vögel ihr Nest gar nicht erst bauen? Eine Expertin klärt auf.

Der Frühling steht in den Startlöchern und die ersten warmen Sonnenstrahlen locken die Menschen auf ihre Terrassen und Balkone. Doch was ist das? Nistet da etwa ein Vogel direkt unterm Dach? So eine Entdeckung kann selbst den größten Tierliebhaber ärgern. Denn Vögel können laut sein und viel Dreck verursachen.

 

Aber darf man so ein Nest nun einfach entfernen? Und mit welchen Mitteln darf man Vögel fernhalten? Diese und weitere Fragen beantwortet Alexandra Ickes. Sie ist Referentin für Artenschutz beim Naturschutzbund Deutschland (kurz: NABU) und weiß, was erlaubt ist und was nicht.

Frau Ickes, welche Vogelarten nisten besonders gerne in der Nähe von uns Menschen?

Unsere Balkone beziehungsweise Terrassen und Gebäude stellen für verschiedene Vogelarten geeignete Brutplätze dar. Insbesondere für ehemalige „Felsenbrüter“ wie Rauch- und Mehlschwalbe, Mauersegler oder Tauben – wie die Straßentaube, welche von der Felsentaube abstammte – aber auch Ringel- und Türkentaube, sowie der Hausrotschwanz und der Haussperling brüten gerne in menschlicher Siedlung. Zudem sind typische Gartenbewohner, je nach Bepflanzung des Balkons beziehungsweise der Terrasse, möglich. Efeu am Gebäude wird zum Beispiel auch vom Zaunkönig oder der Amsel als Brutplatz angenommen.

Darüber hinaus können Scheunen und Dächer geeignete Brutplätze für Turmfalken oder Schleiereulen darstellen. Auf Dächern fühlt sich auch der Weißstorch wohl und errichtet dort seinen Horst. Zusätzlich kann man mit Nistkästen auch typischen Höhlenbrütern wie Kohl-, und Blaumeise einen passenden Brutplatz auf dem Balkon oder Terrasse ermöglichen. Je naturnaher die Umgebung ist, desto mehr spannende Vogelarten lassen sich dort auch beobachten. Daher lohnt es sich „wilde Ecken“ im Garten stehen zu lassen.

Und bis wann darf man ein Nest entfernen? Beziehungsweise ab wann ist das nicht mehr erlaubt?

Nester dürfen grundsätzlich nicht entfernt werden, wenn sie potenziell von Vögeln wieder benutzt werden können. Das gilt zum Beispiel für Schwalbennester unter dem Dach. Kleinere Nester, die in der Regel nicht noch einmal zur Brut genutzt werden – in einem Busch oder Baum – können außerhalb der Brutzeit, also im Herbst und Winter, entfernt werden. Das gilt jedoch nicht für Horste, die ebenfalls in Bäumen errichtet werden und nicht entfernt werden dürfen. In Ausnahmefällen können Nester, die an extrem ungünstigen Stellen errichtet worden sind, mit einer Ausnahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde entfernt werden. In der Regel sind jedoch Ersatzbrutstätten zu errichten.

Darf man Vögel mit Mitteln, wie Abwehr-Spikes oder reflektierende Bänder, fernhalten?

Von pauschalen Vergrämungsmaßnahmen ist dringend abzuraten, da diese gegen die Bundesartenschutzverordnung, das Bundesnaturschutzgesetz oder gegen das Tierschutzgesetz verstoßen können (siehe Infokasten). Treten Konflikte zwischen Mensch und Tier auf, zum Beispiel durch Kotverschmutzung, gibt es hier Möglichkeiten, das zu verhindern ohne den Vögeln zu schaden (zum Beispiel mit einem Kotbrett oder alternative Brutplätze anbieten) [*Anm. d. Red.: Ein Kotbrett soll den Kot der Vögel auffangen und ist im Idealfall 20 bis 30 Zentimeter tief. Es sollte laut NABU etwa 40 bis 90 Zentimeter unter einem Nest angebracht werden. Weitere Informationen gibt es hier]. Abwehr-Spikes können Vögel ernsthafte Verletzungen zufügen und Geräte, die abschreckende Geräusche machen, können auch andere geschützte Tierarten vertreiben, daher sind diese verboten.

Gibt es keine „Abwehr-Mittel“, die tierfreundlich sind und deshalb bedenkenlos genutzt werden können?

Vergrämungsmaßnahmen sollten immer mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt und genehmigt werden. Ansonsten läuft man Gefahr, eine Straftat zu begehen. Örtliche NABU-Gruppen können konstruktive und je nach Vogelart unterschiedliche Lösungsideen einbringen.

Welche alternativen Nist-Plätze kann man Vögeln bieten?

Vögel haben je nach Art unterschiedliche Ansprüche an ihren Brutplatz. Daher gibt es auch unterschiedliche Nisthilfen, die angeboten werden können. Zum Beispiel Schwalbennisthilfen, klassische Vogelhäuschen für Höhlen- und Halbhöhlenbrüter und weitere.

Neben der „richtigen Behausung“ ist ebenfalls die Anbringung und die Umgebung entscheidend für die Annahme. Diese sollten grundsätzlich weit weg von Gefahrenquellen angebracht werden, auch die Himmelsausrichtung kann entscheidend sein. Ein typischer Meisennistkasten sollte zum Beispiel nicht zur Wetterseite nach Westen zeigen, aber auch nicht nach Süden in die pralle Sonne. Daher ist die Ausrichtung nach Osten oder Südosten ideal. Viele hilfreiche Informationen und Tipps sind auch auf der NABU-Website zu finden.

Weitere Informationen

Rechtlicher Hintergrund

Laut Paragraf 4 „Verbotene Handlungen, Verfahren und Geräte“ im Bundesartenschutzgesetz ist es verboten, „wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten und der nicht besonders geschützten Wirbeltierarten, die nicht dem Jagd- oder Fischereirecht unterliegen, nachzustellen, sie anzulocken, zu fangen oder zu töten“. Das darf man laut dem Gesetz weder mit Schlingen, Netzen, Fallen, Haken, Leim oder Klebstoffen.

Im Bundesnaturschutzgesetz sind in Paragraf 44 außerdem weitere Vorschriften für „besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten“ festgelegt. Laut diesem Paragraf ist es verboten, „wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören“. Weiter heißt es, dass solche Tiere und europäische Vogelarten nicht „während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten“ gestört werden dürfen. Eine Störung liegt dann vor, wenn sich dadurch der „Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert“. Außerdem ist es laut diesem Gesetz auch verboten, „Fortpflanzungs- oder Ruhestätten“ - also Nester - aus der Natur zu entnehmen, diese zu beschädigen oder gar zu zerstören.

Im Tierschutzgesetz wird in Paragraf 13 zudem verboten, bestimmte Vorrichtungen oder Stoffe zum Fangen, Fernhalten beziehungsweise Verscheuchen der Tiere anzubringen, wenn diese dadurch verletzt oder gefährdet werden könnten.