Ein Video, aufgenommen aus einem Auto heraus, zeigt höchstwahrscheinlich einen Wolf, der bei Kirnbach über eine Straße läuft und auf einer Wiese verschwindet. Foto: Fischer

Ein Wolf in Wolfach: Ein Video im Internet zeigt das wilde Tier im Ortsteil Kirnbach. Experten haben die Sichtung bestätigt und mithilfe von Anwohnern den Ort verifiziert. Jäger und Bauern sehen in den Raubtieren eine Gefahr für die Natur.

Wolfach - Acht Sekunden dauert der Clip, der seit einigen Tagen Gesprächsthema in der Region ist. Ist das darauf zu sehende Tier wirklich ein Wolf und wurde er tatsächlich bei Kirnbach aufgenommen? Antwort von offizieller Seite: wohl zweimal Ja.

 

Das sagt die Forstwirtschaftliche Versuchsanstalt (FVA):

Dass es sich bei dem im Video gezeigten Tier tatsächlich um einen Wolf handeln könnte, hatte die FVA bereits bestätigt. Die Behörde geht zudem auch davon aus, dass die Aufnahmen in Wolfach entstanden sind, wie sie unserer Redaktion am Donnerstag mitteilte. "Der Ort der Aufnahme konnte durch Unterstützung von Anwohnern verifiziert werden. Das Video zeigt wahrscheinlich einen Wolf, eine sichere Bestätigung ist jedoch nicht möglich, da das Tier nur schlecht und nur von hinten zu erkennen ist", so die abschließende Beurteilung. Die Suche nach dem Urheber des Videos hat die Landeseinrichtung aufgegeben, "es wird nicht weiter recherchiert, wer die Aufnahme gemacht hat", berichtet Felix Böcker. Diese Informationen würden die Bewertung der Meldung in diesem Fall nicht mehr beeinflussen.

Ob es sich bei dem Wolf um ein bereits bekanntes Tier oder einen Neuankömmling im Kinzigtal handelt, kann die FVA nicht sagen. Im vergangenen Jahr war der Wolf "GW2120M" im Mai und August in einem recht großen Gebiet von Schramberg über Zell bis hin nach Bad Rippoldsau-Schapbach unterwegs gewesen. "Es könnte also gut sein, dass es dieser Wolf war, es könnte aber auch genauso gut ein neues Tier sein", sagt Böcker.

Bei weiteren Hinweisen könnte man davon ausgehen, dass sich dieser Wolf in der Region niedergelassen hat. Ein Wolf auf Wanderschaft könne am Tag auch mal 60 bis 70 Kilometer zurücklegen, niedergelassene Wölfe blieben dann zwar in ihrem Revier – das könnte aber bis zu 250 Quadratkilometer groß sein. Tage später nun in Kirnbach nach dem Tier Ausschau zu halten, sei "wie die Nadel im Heuhaufen suchen". Dass sich ein Wolf auch einmal in ein Wohngebiet verirren kann, sei normal und komme ebenso wie bei Rehen oder anderen Wildtieren vor. Besorgniserregend sei das in der Regel nicht. "Die Tiere reagieren alle gleich und weichen wie der Wolf auf dem Video aus und fliehen wieder in den Wald zurück. Hundehalter sollten ihre Hunde allerdings bei einer Wolfsbegegnung an der Leine haben oder zurückrufen können", so Böcker. Eine Begegnung zwischen Hund und Wolf ohne Menschen "kann sonst auch in die Hose gehen."

Das sagt der Jägerverband:

Kreisjägermeister Hans-Jürgen Schneider hält es "durchaus für vorstellbar, dass sich ein Wolf in Wolfach aufhält oder aufgehalten hat". Allerdings sei es reine Spekulation, von diesem Video aus auf eine Wolfssichtung zu schließen. Falls wirklich ein Wolf in Wolfach umherstreift, könnte das Auswirkungen auf die Wildtiere haben. "Es kommt dann drauf an, wie lange sich das Tier in dem Gebiet aufhält.

Noch bestehe auch bei den Anwohnern kein Grund zur Sorge. Aber auf lange Sicht gesehen werde die Population wachsen und dann müsse es eingegrenzte Gebiete geben, in denen sich der Wolf aufhalten darf, so Schneider. Der Jägerverband fordere schon lange das Jagdrecht für Wölfe, denn der Wolf als "Opportunist" suche sich die leichteste Beute, also Tiere, die eingezäunt sind. Spaziergänger, die mit Hund unterwegs sind, müssten laut Schneider vorsichtig sein.

Das sagt der Bauernverband:

"Die Nachricht von einem Wolf in Wolfach überrascht mich nicht wirklich", sagt Ulrich Müller vom BLHV. Die wilden Tiere breiteten sich von Thüringen und Niedersachsen allmählich in ganz Deutschland und auch im Schwarzwald aus – "mit allen negativen Folgen", so Müller. Übergriffe auf kleine und später auch größere Tiere seien ebenso vorhersehbar wie die Verbreitung des Wolfes und die Erhöhung der Population.

"Wir brauchen und wollen den Wolf hier im Schwarzwald nicht. Hoffen wir, dass die Sage vom Schneewittchen nicht eintritt und er sich von den Menschen fern hält." (Anmerkung der Redaktion: Gemeint war Rotkäppchen.) Die Weidetiere jedenfalls und auch die ganze Landwirtschaft sei durch den Wolf gefährdet, denn es liege in der Natur dieses Raubtiers, sich die leichteste Beute zu suchen und zu erlegen. Müller hält es für möglich, dass sich Landwirte und Schäfer nach mehreren Wolfsrissen dazu entscheiden, die Tierhaltung aufzugeben und keine neuen Tiere mehr anzuschaffen. Die Ausbreitung der Wölfe im Kinzigtal sei für die Landwirtschaft ebenso wie für den Tourismus nicht förderlich. Der Chef des Wolfacher BLHV-Kreisverbands spricht noch ein weiteres Problem an: "Wenn die ganzen Wiesenflächen eingezäunt werden, werden auch wilde Hasen und Rehe komplett ausgeschlossen und abgegrenzt." All diese Nachteile seien den Aufwand zugunsten des Wolfes nicht wert.

Das sagt der Bürgermeister:

"Ich habe von dem Thema erst aus der Presse erfahren und mir das Video dann angeschaut. Für mich sieht das Tier auch nach einem Wolf aus, aber ich bin natürlich kein Experte", räumt Wolfachs Bürgermeister Thomas Geppert auf Anfrage ein. Die Frage laute für ihn nun, ob sich das Tier immer noch in Wolfach aufhalte oder weitergezogen sei.

Generell sei diese Wolfssichtung kein Einzelfall im Kinzigtal, "ich gehe aber davon aus, dass sich das Amt für Waldwirtschaft und die Fachbereiche wie zum Beispiel die örtlichen Jäger in ihrer nächsten Sitzung mit dem Video befassen werden." Die Kommunalpolitik auch in Wolfach stehe bei der Frage, wie man mit solchen Sichtungen umgehen soll, noch ganz am Anfang.

Für Geppert persönlich bedeutet es: "Ich werde wohl in Zukunft gerade im Dunkeln genauer hinsehen, wenn ich unterwegs bin."

Sichtungen und Risse melden

Die Forstwirtschaftliche Versuchsanstalt und das Umweltministerium bitten darum, Wolfssichtungen und Risse von Nutztieren zu melden, um das Monitoring, also das Nachvollziehen der Wolfsbewegungen, sicherstellen zu können. Hinweise nimmt die FVA jederzeit per E-Mail unter info@wildtiermonitoring.de oder unter Telefon 0761/4 01 82 74 entgegen. Eine Auflistung aller zweifelsfrei nachgewiesenen Wolfsbewegungen in Baden-Württemberg gibt es im Internet auf der Webseite des Umweltministeriums unter www.um.baden-wuerttemberg.de.