Bestechungsvorwürfe durch die Staatsanwaltschaft Offenburg gegen einen leitenden Mitarbeiter des Kehler Rathauses hatten vergangene Woche für Wirbel gesorgt. Foto: Stadt Kehl

Die Verhaftung eines Angestellten des Kehler Rathauses hat in der vergangenen Woche für Wirbel gesorgt. Die Staatsanwaltschaft Offenburg wirft ihm besonders schwere Bestechlichkeit vor.  

Ortenau - Rheinhausens Bürgermeister Jürgen Louis geht im Gespräch mit unserer Zeitung auf das Thema Korruption in kommunalen Verwaltungen ein. Der Präventionsexperte lehrt an der Hochschule Kehl und ist Leiter der Regionalgruppe Baden-Württemberg von "Transparency Deutschland".

Herr Louis, wie häufig kommt Bestechung vor?

Das wissen wir nicht, da wir bei Korruptionsstraftaten von einem sehr großen Dunkelfeld ausgehen müssen. Das Bundeskriminalamt weist in seinem Bundeslagebild Korruption für das vergangene Jahr 5.510 Korruptionsstraftaten aus.

Wieso ist die Dunkelziffer so hoch?

Anders als bei einem Diebstahl oder einer Körperverletzung fehlt es bei Bestechungsdelikten häufig an einem unmittelbar persönlich Geschädigten. Für eine Bestechung braucht es zwei Personen: einen Geber und einen Nehmer. Beide sind Täter. Dies macht die Ermittlung von Korruptionsstraftaten so schwer. Häufig können Fälle überhaupt nur aufgrund von Hinweisen erkannt werden.

Frauen oder Männer – wer lässt sich eher bestechen?

Korruption ist weniger eine Frage des Geschlechts als vielmehr der Gelegenheit, die mit der Ausübung eines konkreten Amtes oder einer Verwaltungsaufgabe verbunden ist.

Haben Sie Beispiele parat, wie Bestechung aussehen kann? Wo fängt sie an?

Bereits kleine Geschenke können den Einstieg in die Korruption bedeuten: eine Weinflasche, ein Restaurantbesuch oder eine Einladung zu einem Fußball-Bundesligaspiel können am Anfang stehen. Es geht dabei um das sogenannte Anfüttern. Kleine Gefälligkeiten werden zunächst aus vermeintlicher Nächstenliebe gewährt, bis der Empfänger der Gefälligkeiten sich "moralisch" verpflichtet sieht. Es braucht nur eine kleine Verletzung der Dienstpflicht, schon ist der Verwaltungsmitarbeiter in einer Situation, aus der er unter Umständen nicht mehr so leicht herauskommt.

Gibt es nicht Mechanismen, die das verhindern sollen? Haben die in Kehl versagt?

Auch das beste Präventionssystem wird einzelne Korruptionsfälle nicht vollständig verhindern können. Ein gutes Antikorruptionssystem sollte es jedoch den Tätern möglichst schwer machen. Gleichzeitig sollte das Entdeckungsrisiko so groß sein, dass erst gar nicht versucht wird, Kontrollmechanismen zu umgehen.

Wie kann das erreicht werden?

Dafür steht ein ganzer Strauß an möglichen Präventionsmaßnahmen zur Verfügung. Angefangen vom Vier-Augen-Prinzip über die Mitarbeiterrotation, die Durchführung von Mitarbeitergesprächen und Schulungen, den Erlass von Dienstanordnungen und eines Verhaltenskodex zum Umgang mit Geschenken, Spenden und Sponsoring, die Einführung von internen und externen Hinweisgebersystemen, die Benennung einer Ansprechperson für Korruption oder eines Vertrauensanwalts sowie die Erarbeitung von Gefährdungs-, Schwachstellen- und Risikoanalysen.

Wie präsent ist das Thema? Spricht man darüber?

Die größeren Verwaltungen verfügen über Rechnungsprüfungsämter. Diese haben sich immer schon auch mit Fragen der Korruptionsverhütung befassen müssen. Das Sprechen über das Thema Korruption ist in der Tat wichtig. Es reicht nicht aus, dass Verwaltungsmitarbeiter schematisch einmal jährlich eine Erklärung unterschreiben, dass sie entsprechend belehrt wurden. Es braucht das regelmäßige aktive Sensibilisieren aller Verwaltungsmitarbeiter durch Präsenzschulungen, E-Learning mit Wissenskontrollen und einen offenen Austausch der Mitarbeiter über Korruptionsrisiken in den einzelnen Ämtern.

Welche Strafe droht bei Bestechlichkeit?

Für Vorteilsannahme sieht das Strafgesetzbuch einen Strafrahmen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe vor, für Bestechlichkeit von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen, wenn sich die Tat beispielsweise auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht oder bei der fortgesetzten Annahme von Vorteilen, reicht der Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Wie viel Raum nimmt das Thema im Studium ein?

Mein Eindruck ist, dass sich an den beiden Verwaltungshochschulen Kehl und Ludwigsburg momentan etwas tut. Korruptionsfragen werden verstärkt im Zusammenhang mit ethischem und integrem Verwaltungshandeln thematisiert. Ich selbst habe in den vergangenen Jahren mehrere Fachprojekte zur Korruptionsprävention an der Hochschule Kehl angeboten.

Wie kann eine Verwaltung so etwas aufarbeiten?

Korruptionsprävention ist immer ein Thema für die Verwaltungsspitze. Das beste Antikorruptionssystem nützt wenig, wenn es nicht von oben, also vom Bürgermeister, den Dezernenten und Amtsleitern, vorgelebt wird. Es gilt jetzt die im Rathaus bestehenden Präventionssysteme kritisch zu prüfen und gegebenenfalls mit weiteren Maßnahmen gegenzusteuern, um vergleichbare Fälle zu verhindern. Dabei hilft eine offene verwaltungsinterne Gesprächskultur weiter.                                                  

Bestechung: Beschuldigter kündigt Geständnis an

Der  wegen des Vorwurfs der  besonders schweren Bestechlichkeit in Untersuchungshaft sitzende  Mitarbeiter des Kehler Rathauses hat angekündigt, ein Geständnis abzulegen. Das  bestätigte dessen Rechtsanwalt am Montag im Gespräch mit unserer Zeitung –  im  Auftrag seines Mandanten.

Dem Beschuldigten legt die Staatsanwaltschaft Offenburg zur Last, in mehreren Fällen von Privatpersonen geldwerte Vorteile als Gegenleistung für Dienstpflichtverletzungen angenommen zu haben (wir berichteten). Am 12. November waren im Zuge der Ermittlungen    ein Büro des Kehler Rathauses sowie weitere Objekte durchsucht worden. Seitdem befindet sich der Beschuldigte in Haft  – zunächst im Gefängnis Stammheim, mittlerweile in Offenburg. Die Details des Vorwurfs behielt die Staatsanwaltschaft vorerst noch für sich.

Dem Geständnis wollte auch der Strafverteidiger am Montag nicht vorgreifen, ging jedoch im Namen seines Mandanten auf die Anschuldigung näher ein. So sei die Verhaftung nach einem ursprünglich als Geldübergabe geplanten Treffen erfolgt. Spielhallen-Unternehmer hätten den Beschuldigten mit 50.000 Euro überzeugen wollen, in seiner Position im Kehler Rathaus zu verbleiben. Dieser habe aus beruflichen Gründen geplant, Kehl zu verlassen.  Im Vorfeld soll der Beschuldigte bei »Ermessensentscheidungen« im Fall von  Schließungsverfügungen im Tausch für geldwerte Vorteile im Bereich von insgesamt rund 1.000 Euro zu Gunsten der Spielhallen-Unternehmer entschieden haben. Darauf bezieht sich  der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – denn scheinbar haben die 50.000 Euro trotz des Treffens nicht den Besitzer gewechselt.

Auf ihn aufmerksam geworden seien die Justizbehörden durch Ermittlungen in einem anderen Fall, lässt der Beschuldigte durch seinen Verteidiger ausrichten. Verdächtige Sprachnachrichten auf einem beschlagnahmten Handy hätten ihn ins Visier der Staatsanwaltschaft gerückt. Im Zuge der darauffolgenden Ermittlungen sollen seit mehr als einem Jahr Telefonate des Beschuldigten abgehört  worden sein – bis am 12. November der Zugriff erfolgte.