Der Wildtierbeauftragte des Kreises hatte es zunächst für einen Scherz gehalten, doch mittlerweile ist es offiziell: Ein junger Elchbulle ist in der Ortenau unterwegs.
Was da einer Landwirtin am Wochenende vor die Kameralinse lief, war kein groß gewachsener Hirsch. Es war ein Elchbulle. Schon mehrmals wurde er in Oberwolfach und Oberharmersbach gesichtet; auch Spuren belegen eindeutig, dass ein Elch im mittleren Schwarzwald unterwegs ist. Seine Anwesenheit wirft Fragen auf.
Wer hat den Elch gesichtet und wo?
Mehrere Jäger, Anwohner und Landwirte haben das Tier seit dem Wochenende an verschiedenen Stellen im Wald und in der Nähe von Bauernhöfen in Oberwolfach und Oberharmersbach gesehen, teilweise in direkter Nähe zu Häusern. Eine Bäuerin konnte ihn direkt am Hof fotografieren. Der Wildtierbeauftragte des Landkreises, Maximilian Lang, wurde am Montag von einem Jagdkollegen über den Elch informiert und hielt das Ganze zuerst für einen Scherz, wie er unserer Redaktion berichtet – bis er die Fotos der Landwirtin sah und vor Ort selbst die unverwechselbare Fährte fand.
Um was für einen Elch handelt es sich?
Das Tier ist ein europäischer Elch. Der junge Bulle ist nach Schätzungen Langs ein bis zwei Jahre alt. „Der europäische Elch ist im Vergleich zum Alaska-Elch oder den skandinavischen Vertretern kleiner. Während die Männchen dieser Unterarten die bekannte Schaufelgeweiheaufweisen, haben europäische Elche ein Stangengeweih. Sie weisen ausgewachsen eine Schulterhöhe von etwa zwei Metern auf und wiegen bis zu 500 Kilogramm“, erklärt Lang. Da der Elch im Kinzigtal noch jung sei, schätzt er dessen Gewicht auf 400 Kilogramm.
Wie kann ein Elch ins Kinzigtal gelangen?
Der Elch war in Mitteleuropa weit verbreitet, bevor er durch Überbejagung ausgerottet wurden. Heute existieren an der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Grenze wieder stabile Populationen, deren Tiere gelegentlich weite Wanderungen unternehmen. „Dadurch kommt es in den östlichen Bundesländern immer wieder zu Einzelsichtungen“, so Lang. Er vermutet aber, dass der Elch im Kinzigtal kein Wildtier ist. „Elche sind große, starke Tiere und sich dieser Tatsache bewusst. Aus diesem Grund sind sie nicht sonderlich scheu. Aber das Exemplar hier ist besonders zutraulich. Außerdem wurde bisher noch nie ein Elch so weit westlich gesichtet“, erklärt der Experte. Er sei sich sehr sicher, dass das Tier aus menschlicher Obhut stamme und entlaufen sei. Bisher scheine aber keiner der bekannten Parks und Halter ein Individuum zu vermissen.
Könnte der Elch auch aus einer privaten Tierhaltung stammen?
Theoretisch ja, aber das ist unwahrscheinlich. „ Eine Gehegehaltung ist bei Elchen im Gegensatz zum Damwild sehr aufwendig. Sie müssen zum Beispiel mit Laub zugefüttert werden und außerdem sind sie Einzelgänger, die nicht in Herden gehalten werden können. Private Halter nehmen das nur sehr selten auf sich“, weiß der Wildtierbeauftragte. Genau wie Tierparks würden Privathalter, die die strengen Anforderungen für den Besitz eines Elches erfüllen, außerdem behördlich erfasst. Aber auch bei diesen fehle kein Exemplar. Dass es nicht gemeldete, illegale Besitzer gebe, sei jedoch nicht auszuschließen.
Ist seine Anwesenheit für das heimische Ökosystem problematisch?
Nein. Der Elch ist eine heimische Tierart und der Schwarzwald als Habitat perfekt für ihn geeignet. „Er ist ein ganz normaler Waldbewohner. Einen besseren Lebensraum kann er eigentlich nicht finden“, fasst Lang zusammen.
Sind Elche für Menschen gefährlich?
Grundsätzlich nicht. Elche verhalten sich dem Menschen gegenüber nur aggressiv, wenn dieser sich im Herbst einem brünstigen Bullen zu stark nähert oder wenn eine Kuh ein Kalb mit sich führt, dessen Sicherheit sie als gefährdet ansieht, zum Beispiel durch einen aufdringlichen Hund. Gefährlich können Elche aber im Straßenverkehr werden: Durch seine Masse und den hohen Schwerpunkt können Zusammenstöße zwischen Autos und Elchen fatal sein – für Mensch und Tier.
Wie sollte man sich verhalten, wenn man einem solchen Tier begegnet?
„Wie bei jedem Wildtier lautet hier die wichtigste Regel: Abstand halten!“, betont Lang. Direkte Begegnungen seien zu vermeiden, ein respektvoller Umgang mit dem Tier zur eigenen Sicherheit geboten. Schreckhaft seien Elche im Vergleich zu Rehen und Hirschen zwar nicht, aber sie dürften trotzdem unter keinen Umständen bedrängt werden.
Ist damit zu rechnen, dass noch mehr Elche in die Region kommen?
Das hält der Experte für unwahrscheinlich, selbst wenn es sich bei dem Kinzigtäler Exemplar doch um ein Wildtier handelt. Elche seien zwar nicht streng territorial und auch Männchen dulden außerhalb der Brunftzeit Artgenossen in der Nähe. Dennoch seien sie Einzelgänger und bisher sei noch kein einziger Elch im Westen Deutschlands gesehen worden. Dass sich einige unbemerkt eingewandert sind, sei so gut wie unmöglich. „So große Tiere fallen auf“, meint Lang.
Wie geht es für den Elch jetzt weiter?
Man werde weiter versuchen herauszufinden, woher er stamme, so der Wildtierbeauftragte. Werde sein Besitzer gefunden, werde der Elch wohl eingefangen. An Menschen gewöhnte Wildtiere könnten Probleme bekommen. Sollte sich wider Erwarten aber herausstellen, dass es ein Wildtier ist, dürfe er frei bleiben. Ob er dann im Tal das Single-Dasein genießt oder auf der Suche nach einer Partnerin abwandert, werde sich zeigen.
Sichtungen melden
Sichtungen oder Fotos des Kinzigtäler Elchs können dem Landratsamt oder direkt dem Wildtierbeauftragten Maximilian Lang per E-Mail an Maximilian.Lang@Ortenaukreis.de gemeldet werden.