Nach gut vier Jahren als Trainer der russischen Handball-Nationalmannschaft kehrt Velimir Petkovic im Sommer nach Deutschland zurück. Wie hat der Ex-Coach von Frisch Auf Göppingen diese Zeit erlebt? Wie geht er mit Kritik an diesem Engagement um? Was sind seine Pläne?
Diesen Gegner kennt Velimir Petkovic inzwischen in- und auswendig. Es geht in dieser Woche gegen Weißrussland. Gleich dreimal. Am Mittwoch, Freitag und Sonntag. Diese Testspiele sind für den Trainer der russischen Handball-Nationalmannschaft zwar eine willkommene Ablenkung zum Alltag. Doch der 67-Jährige ist ein Wettkampftyp. Er braucht den Kick, er braucht das Adrenalin an der Seitenlinie.
Ausschluss seit 2022
Sein Team ist aber seit Februar 2022 sowohl von der europäischen (EHF) als auch von der internationalen Handball-Föderation (IHF) von allen Wettbewerben ausgeschlossen. „Mit fehlt der Wettkampf, mir fehlen die Spiele, in denen es richtig um etwas geht“, sagt Petkovic. Deshalb wird der frühere Bundesligatrainer von Frisch Auf Göppingen (2004 bis 2013) seinen im Sommer auslaufenden Vertrag auch nicht verlängern – und wieder an seinen Hauptwohnsitz nach Berlin zurückkehren.
Gut vier Jahre war er dann in Russland tätig. Zwei davon lief alles nach Plan. Bei der WM 2021 in Ägypten kam er mit seinem Team auf Platz 14 (von 32 Mannschaften), bei der EM 2022 in der Slowakei und Ungarn auf Platz neun (von 24 Mannschaften). Dann kam der Krieg. Petkovic blieb dennoch in Moskau, viele in Deutschland können das bis heute nicht verstehen, kritisieren ihn aus moralischen Gründen. „Ich habe einen eigenen Kopf zum Denken, meine Familie und meine Freunde haben mich in meiner Haltung immer unterstützt“, erklärt der gebürtige Bosnier, „ich bin Handballer, die Handballer liegen mir am Herzen. Warum sollen wir Sportler Probleme lösen, die die Politik nicht lösen kann?“
Normalität im Alltag
Wie er die Zeit in der russischen Hauptstadt erlebt? „Es herrscht eigentlich immer Normalität. Ich habe den Eindruck, es kommen immer mehr Touristen aus China und Japan ins Land“, sagt „Petko“. Er selbst geht aber wieder zurück nach Deutschland. Seine Frau Nada, die ihren Mann in Moskau häufig besucht, und einer seiner beiden erwachsenen Zwillingssöhne leben in Berlin.
Petkovic will noch nicht in Rente gehen. „Ich bin topfit, ich sprühe vor Energie“, sagt der nimmermüde Handballcoach. Noch fühlt er sich viel zu vital, um sich in sein Ferienhaus am Meer im kroatische Rijeka zurückzuziehen. Er will vielmehr noch ein paar Jahre im Handball arbeiten. Als Trainer hat er den IHF-Pokal-Titel mit RK Borac Banja Luca (1991) und die EHF-Pokal-Titel mit Frisch Auf Göppingen (2011 und 2012) sowie den Füchsen Berlin (2018) gewonnen, außerdem trainierte er in Deutschland den TSV Scharnhausen, den HC Wernau, die TSG Oßweil, den TSV Rintheim, die HSG Wetzlar und den ThSV Eisenach.
Auch Sportlicher Leiter denkbar
Er ist ein Coach mit Leib und Seele, könnte sich aber auch sehr gut vorstellen, seine Erfahrung in die Sportliche Leitung eines ambitionierten Clubs einzubringen: „Handball ist mein Leben, Handball ist meine Leidenschaft. Solange ich gesund bin, werde ich immer versuchen, in dieser Sportart zu arbeiten.“