Der jüngste Auftritt von Timo Werner befeuert die gute, alte Debatte über den fehlenden echten Zentrumsstürmer in der DFB-Elf – der Bundestrainer hat eine klare Meinung dazu.
Hamburg - Timo Werner ist ein Fußballheld, er ist sogar ein Ehrenbürger aufgrund seiner Darbietungen, das alles aber auf unfreiwillige Art. Nach seinem Slapstick-Fehlschuss bei der 1:2-Blamage am 31. März in Duisburg gegen Nordmazedonien, da brauchten die Strategen der Zeitung „Vecer“ nicht lange, um ihre erste Sportseite nach dem größten Spiel in der Fußballhistorie des Landes zu gestalten. Werner stolperte die Kugel frei stehend aus kurzer Distanz am leeren nordmazedonischen Tor vorbei – und kam hinterher zu höheren Weihen: Das Blatt ernannte ihn nicht nur zum Helden des Spiels. Nein, Werner wurde auch zum Ehrenbürger. Sogar einen nordmazedonischen Pass bekam der Angreifer prominent auf der ersten Seite ausgestellt. Gültigkeit, wie beim Amt: zehn Jahre, bis zum 31. März 2031.
Etwas mehr als ein halbes Jahr später steigt nun das Rückspiel in Skopje, und, was soll man sagen: Werner ist vor dem Duell in der WM-Qualifikation an diesem Montag (20.45 Uhr/RTL) wieder ein Thema. Immerhin: Unbestätigten Gerüchten zufolge verzichtet der nordmazedonische Verband aus Pietätsgründen dann doch auf eine Ehrung Werners vor der Partie – in der Gesamtschau aber haben sich die Dinge für ihn seit dem Fehlschuss von Duisburg kaum gebessert.
Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Das sind die Lehren der DFB-Elf nach dem 2:1-Sieg von Hamburg
Klar, da war der Triumph in der Champions League mit dem FC Chelsea, und da waren vor einem Monat die ersten drei Länderspiele unter Hansi Flick, in denen Werner jeweils traf. Aber da war auch die missratene EM im Sommer, bei der Werner kaum ran durfte und nicht überzeugte. Und da war nun der Auftritt des gebürtigen Stuttgarters am Freitagabend gegen Rumänien (2:1), mit dem er die gute, alte Debatte nach dem Fehlen eines sogenannten Stoßstürmers in der DFB-Elf neu befeuerte.
Denn Werner war in Hamburg meist auf Irrwegen unterwegs, die Laufwege passten nicht, torgefährlich war er auch nicht, und obendrein musste er sich nach einem nach Videobeweis zurückgenommenen Elfmeter Vorwürfe aufgrund einer angeblichen Schwalbe anhören. Genug war das alles am Ende für einige Experten, um ihr Lieblingsthema wieder aufzugreifen.
Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Marc-André ter Stegen ist der Ersatzmann Nummer eins
So forderte Lothar Matthäus am Sonntag die Nominierung des Zweitligaknipsers Simon Terodde (inzwischen FC Schalke, ehemals VfB) – und es ist nicht mehr ausgeschlossen in der Hysterie rund um die Stürmerproblematik, dass bald jemand auf die Idee kommt, den weit gereisten Drittligatorjäger Sascha Mölders von 1860 München (Spitzname: Die Wampe von Giesing) zu nominieren – und ihm eine Stammplatzgarantie bis zur WM 2026 zu geben.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Die Einzelkritik zum Spiel der DFB-Elf gegen Rumänien
Ernsthafte Alternativen gibt es nicht viele für Hansi Flick. Neben Werner können Kai Havertz, Thomas Müller oder Serge Gnabry vorne in der Spitze ran – sie eint aber, dass sie keine gelernten Zentrumsstürmer sind. Kurzum: Werner, Havertz, Müller und Gnabry sind jeweils kein Lewandowski, sie sind kein Haaland, und auch werden sie in diesem Leben alle kein Büffel mehr wie Romelu Lukaku, der Werner nun seit Sommer beim FC Chelsea meist auf die Bank verdrängt.
Immerhin: Mit dem U-21-Europameister Karim Adeyemi (Red Bull Salzburg) kam zuletzt frischer Wind in den DFB-Sturm – der 19-Jährige traf bei seinem Debüt Anfang September gleich zum 6:0 gegen Armenien. Und man tritt Timo Werner nun nicht zu nahe, wenn man sagt, dass Adeyemi nach seiner Einwechslung kurz vor Schluss gegen Rumänien mehr gute Szenen hatte als eben Werner. Adeyemi aber braucht noch Zeit, um sich zu entwickeln – ebenso wie Lukas Nmecha. Der Stürmer des VfL Wolfsburg wurde zwar mit vier Treffern im Sommer Torschützenkönig bei der U-21-EM, er ist aktuell aber noch damit beschäftigt, seine Eignung als Torjäger in der Bundesliga zu beweisen.
Volle Rückendeckung
Bleibt also Werner – der immerhin die volle Rückendeckung von Hansi Flick genießt. „Ich habe ihn explizit vor der Mannschaft gelobt für sein Engagement im Spiel gegen Rumänien“, sagte der Bundestrainer am Sonntag in Hamburg, wo er Werner beim Abschlusstraining zuvor am Millerntor wie bei den Einheiten in den vergangenen Tagen immer wieder väterlich in den Arm genommen hatte: „Timo erfüllt seine Aufgaben sehr gut“, sagte Flick noch, denn: Räume aufreißen, in die Tiefe gehen – das alles könne Werner. Er habe auch „ein Näschen“ für Torszenen, so Flick weiter, und überhaupt: die Schwalben-Vorwürfe nach der Partie gegen Rumänien, die seien „nicht fair“.
Klare Ansage
Allerdings habe Werner, das war Flick auch wichtig, gegen Rumänien „nicht immer die Positionierung gehabt, die er braucht“. Zu oft also sei er im Sturmzentrum auf einer Linie mit den Außen Gnabry und Leroy Sané gewesen. „Das kann Timo besser“, sagte Flick: „Und das erwarten wir auch.“
Und Werner selbst? Der gab sich bei so viel Zuspruch und klarem Auftrag dankbar – und sagte diesen schönen Satz: „Es ist wichtig, wenn man einen Trainer hat, der einem sofort zeigt: Ich finde dich nicht blind.“
Das sind die Alternativen zu Timo Werner in der DFB-Elf – klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie.