Ex-Senator: Einwanderer sind integrationsunwillig - Scharfe Kritik der Berliner SPD.

Berlin - Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin hat erneut mit umstrittenen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht. Er sieht in den Migranten eine zu hohe Belastung für Deutschland.

Sie sind dick, doof und schaukeln am liebsten in der sozialen Hängematte. Wenn Thilo Sarrazin, 65, viele Jahre Finanzsenator in Berlin (SPD) und heute Vorstand der Deutschen Bundesbank, über Muslime redet, grölt der Stammtisch. "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert", sagte er vor einiger Zeit in einem Interview.

Nun legt er nach, schriftlich. "Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen" heißt sein Buch, das am 31. August erscheint - mit viel Polemik gegen die angebliche Integrationsunwilligkeit arabischer und vor allem türkischer Zuwanderer. Durch seine missratene Einwanderungspolitik werde Deutschland immer dümmer, so die Hauptthese.

Die Einwandererschelte erregt die Öffentlichkeit, inzwischen soll es über ein Dutzend Strafanzeigen wegen Volksverhetzung gegen Sarrazin geben. Die Türkisch-Deutsche Unternehmervereinigung in Berlin, die zunächst den Autor zum Gespräch einlud, will nicht mehr mit ihm reden. Sarrazin sei, so Ekrem Özdemir, Vorstand der Vereinigung, "böswillig" in seinen Angriffen auf Migranten und Hartz-IV-Empfänger. Sarrazin weist die Anzeigen als absurd zurück.

Sein Buch ist sachlich im Ton, aber hart in der Sache. "Kleine Kopftuchmädchen" kommen nicht mehr vor, und auch andere Zuspitzungen hat er unterlassen. Aber Sarrazin kennt kein Pardon, wenn es um Einwanderer aus muslimischen Ländern geht. Sie seien eine "Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa".

"Pauschale Polemik gegen Muslime"

Er sorgt sich um den Geburtenrückgang der Deutschen, die sich innerhalb der nächsten Jahrzehnte abschaffen würden, und den nach seiner Meinung überbordenden Sozialstaat. Seine Forderungen gipfeln in der Aussage, der Weg in den deutschen Sozialstaat dürfe nicht mehr ohne "Wegezoll" möglich sein. Im Buch heißt es: "Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die finanziellen und sozialen Kosten der muslimischen Einwanderung weitaus höher waren als der daraus fließende wirtschaftliche Ertrag. Wenn wir den Zuzug nicht steuern, lassen wir letztlich eine Veränderung unserer Kultur, unserer Zivilisation und unseres Volkscharakters in eine Richtung zu, die wir gar nicht wünschen. Ich möchte nicht, dass das Land meiner Enkel und Urenkel zu großen Teilen muslimisch ist, dass dort über weite Strecken Türkisch und Arabisch gesprochen wird, die Frauen ein Kopftuch tragen und der Tagesrhythmus vom Ruf der Muezzins bestimmt wird. Wenn ich das erleben will, kann ich eine Urlaubsreise ins Morgenland buchen."

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), warf dem Bundesbanker "pauschale Polemik gegen muslimische Migranten" vor, die "diffamierend und verletzend" sei. Sarrazins Behauptungen seien wissenschaftlich nicht haltbar. So gebe es keine Studien, die eine grundsätzliche mangelnde Integrationsbereitschaft der Muslime in Deutschland belegten. Auch blende Sarrazin positive Entwicklungen komplett aus. So hätten seit 2005 mehr als 600000 Migranten an Integrationskursen teilgenommen, um Deutsch zu lernen.

Zudem habe eine Studie gezeigt, dass bei gleicher Leistung und ähnlichem sozialem Hintergrund türkische Kinder häufiger auf Realschule oder Gymnasium wechselten als deutsche. Böhmer betonte, Sarrazin hätte als Berliner Finanzsenator die wichtige Aufgabe gehabt, Schulen mit einem hohen Migrantenanteil speziell zu fördern. "Das Versagen ist offensichtlich."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, warf Sarrazin gar Hasstiraden vor: "Wem auf gesellschaftliche Herausforderungen in einer multikulturellen Demokratie nur Beschimpfungen der ohnehin schon Benachteiligten einfallen, hat nicht verstanden, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist." Die Migrationspolitiker der Berliner SPD warfen dem früheren Finanzsenator vor, Menschen nur nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu beurteilen. "Für uns ist Sarrazin schon lange kein Sozialdemokrat mehr", hieß es. SPD-Chef Sigmar Gabriel legte Sarrazin den Parteiaustritt nahe. "Wenn Sie mich fragen, warum der noch bei uns Mitglied sein will - das weiß ich auch nicht", sagte er bei einer Bootsfahrt nahe Worms.