SPD-Chefin Saskia Esken mag in dieser Woche einen großen Erfolg in den Sondierungsgesprächen mit der Union erreicht haben, doch die Rücktrittsforderungen aus ihrem eigenen Wahlkreis reißen nicht ab. Nun meldet sich auch ein ehemaliger Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion zu Wort: Reiner Ullrich.
Das nächste SPD-Urgestein aus dem Kreis Freudenstadt wendet sich von Parteichefin Saskia Esken ab: Denn nun fordert auch Reiner Ullrich den sofortigen Rücktritt der Bundesvorsitzenden. Ullrich war von 2009 bis 2019 Vorsitzender der SPD-Fraktion im Freudenstädter Kreistag. Auch war er von 2008 bis 2016 Bürgermeister von Alpirsbach. Seit 2021 ist der Ortsvorsteher des Schramberger Teilorts Waldmössingen.
Von dem Argument, Esken werde noch für die Koalitionsverhandlungen gebraucht, hält Ullrich nichts. „Das ist Blödsinn, was soll noch Saskia Esken dabei?“, meint Ullrich. „Ich sehe keine Notwendigkeit, dass Saskia Esken noch einen konstruktiven Beitrag leistet.“ Stattdessen setzt Ullrich seine Hoffnungen auf Boris Pistorius.
Ullrich macht Esken vor allem dafür verantwortlich, dass die SPD ausgerechnet bei den Arbeitern und Angestellten viel Zustimmung eingebüßt hat. „Sie hat als Parteivorsitzende mit zum Schwund der Arbeitnehmerschaft in der Wählerschaft der SPD beigetragen“, meint Ullrich. Das zeige auch das aktuelle Wahlergebnis: „Die SPD ist der Verlierer bei den Arbeitnehmern.“
Erfolg in Berlin
Ullrich ist nicht der erste SPD-Lokalpolitiker aus Eskens Wahlkreis, der die Parteichefin zum sofortigen Rücktritt auffordert. Zuvor hatten schon die SPD-Urgesteine Manfred Stehle und Gerhard Gaiser gegen die Bundesvorsitzende rebelliert. Später schlossen sich auch Kurt Kirschenmann und Günter Braun den Rücktrittsforderungen an.
Dabei ist es Saskia Esken gerade erst Anfang der Woche gelungen, bei den Sondierungsverhandlungen mit der Union eine wichtige Einigung zu erzielen und ein Milliardenpaket für die Bundeswehr und die deutsche Infrastruktur zu schnüren. Eine Entwicklung, die viele Beobachter als großen Verhandlungserfolg für die SPD werten.
Mehr Geld fürs Militär sorgt auch für Kritik
Doch Ullrich zeigt sich davon unbeeindruckt. Einen persönlichen Erfolg Eskens sieht er nicht. „Das ist von außen induziert durch Trump und die Wahlerfolge der AfD“, meint Ullrich. „Das ist der Situation geschuldet, die müssen jetzt liefern.“
Und auch bei einem anderen SPD-Politiker aus der Region kann Esken mit ihrem Verhandlungserfolg in Berlin nicht punkten. Denn Theodor Ziegler zeigt sich von den neuen Entwicklungen gar nicht begeistert. Ziegler ist eine wichtige Stimme pazifistischer Strömung innerhalb der lokalen SPD. Bei vielen Freudenstädter Friedensdemos der jüngeren Zeit war er ganz vorne mit dabei.
„Diese Sonderverschuldung für das Militär halte ich für verheerend“, sagt Ziegler. „Meine Frage an beide Verhandlungsseiten ist, wo das hinführen soll“, meint Ziegler und liefert sogleich die Antwort: „Das führt entweder zum Krieg oder dass man in Verhandlungen tritt.“
Ziegler sieht Kriegsgefahr
Und was diese beiden Möglichkeiten angeht, zeigt sich Ziegler äußerst pessimistisch: „Die Gefahr, dass dieser Weg in einen Krieg mündet, schätze ich auf 80 bis 90 Prozent.“
So macht Ziegler dann auch die Sicherheitspolitik der SPD für das schlechte Abschneiden bei der Wahl verantwortlich. Viele frühere SPD-Wähler hätten aus diesem Grund ihre Stimme der Linkspartei oder dem BSW gegeben.
Doch immerhin: Eine Rücktrittsforderung leitet Ziegler aus dieser düsteren Zukunftsvision nicht ab. „Für mich ist die inhaltliche Ausrichtung entscheidend“, bekräftigt Ziegler. Wer diese dann umsetze, sei ihm nicht so wichtig.