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Ob Tauschhandel oder Rache: Psychologen behaupten, dass Frauen zielgerichtet Sex haben.

Stuttgart - Welcher Mann kennt sie nicht! Frauen, die irgendwie seltsam waren in der Liebe. Männer ziehen gelegentlich Bilanz. Dabei erinnern sie sich an Begegnungen der besonderen Art. Eine Partnerin erklärte vor und nach jedem Sex: "Man sieht danach bis zu sieben Jahre jünger aus, sagen Untersuchungen." Eine andere bot Sex nach der Zusage, ihr am Tag danach beim Umzug zu helfen. Eine dritte erklärte nach ihrer Performance im Bett: "Du bist der Elfte, jetzt wird es Zeit für eine Namensliste." Eine andere: "Ich wollte mich wieder mal spüren." Und die Schärfste von allen aber triumphierte: "Stimmt's, ich bin besser als deine Ex?"

Sex als Strategie?

Männer denken konventionell. Vollkörpereinsatz gilt als Liebesbeweis. Ein Irrtum, den zum Beispiel Boris Becker teuer bezahlen musste. Eine Angestellte gesellte sich für zwei Minuten zu ihm auf die Treppe (nicht in die Besenkammer). Neun Monate später war der Ex-Tennisstar Vater einer Tochter. Die Kürzestzeitpartnerin verstand es, ihre Affäre medial und finanziell auszuschlachten. Sex als Strategie? Als probates Mittel, um etwas herauszuholen?

Ja, sagen die US-Psychologen Cindy M. Meston und ihr Kollege David M. Buss, Vertreter der Evolutionspsychologie. "Why Women Have Sex" heißt ihr bisher nur auf Englisch vorliegendes Buch. Ihre Erkenntnisse beruhen auf Befragungen von mehr als tausend Frauen. Die Autoren fanden darin 237 Gründe, warum Frauen für einen Mann die Hüllen fallen ließen.

Frauen hatten Sex, weil sie auf Abenteuer aus waren (Lustrausch); nach misslungenen Beziehungen Enttäuschung bewältigten (Nun erst recht...); ihr Alleinsein als banal empfanden (Ich langweilte mich...); ihren Marktwert prüfen wollten (Welcher Mann beißt an?); auf einen Tauschhandel setzten (Okay, wir tun es, aber morgen wird der Keller aufgeräumt); spontan Sympathie zeigten (Er ist so süß); mitleidig waren (Er sah traurig aus); eine Disziplinarmaßnahme für richtig hielten (Er hat mit der Nachbarin geflirtet, jetzt muss er ran); sich am ausgebüxten Partner rächen wollten (Soll er ruhig mitkriegen, dass es auch ohne ihn gut läuft); esoterisch ticken (Beim Sex komme ich Gott näher); selbstlos waren (Ich hatte keine Lust, aber mein Mann braucht das).

Wissenschaft kann ernüchternd sein

Wissenschaft kann ernüchternd sein. Knallhart ist das Resümee: Frauen erobern einen Mann, der in etwa ihrem Ideal entspricht ("Leichte Abstriche sind immer nötig"). Sie wollen ihn behalten, wenn Freundinnen bei seinem Anblick leuchtende Augen bekommen - Qualitätsnachweis und Eröffnung des Wettbewerbs. Floppt der Mann, wird er fallengelassen und durch einen vorzeigbaren Neuen ersetzt ("Das hab' ich mir verdient"). In jedem Fall ist Sex entscheidend, romantisches Geschnatter nur Mittel zum Zweck. Weibliche Sexualität, so die Forscher, lässt sich einsetzen, um etwas zu erlangen.

Evolutionsexperte Buss erklärt, dass wir unser Wesen auch im 21. Jahrhundert "an Überlebenserfordernissen der letzten Jahrmillionen" ausrichten. Und die klinische Psychologin Meston weiß, dass heutige Verhaltensweisen im Liebesspiel eincodierte Handlungsmuster aus grauer Vorzeit darstellen. Sex und Steinzeit gehören zusammen. Wir glauben, Wonnen im modern ausgestatteten Liebesnest auszuleben, dabei geht es zu wie in der Höhle vom Bärenjäger, der Beerensammlerin und ihrer Sippe.

Zwölf Prozent Kuckuckskinder weltweit

Damit nicht genug: Der weibliche Zyklus, so Buss, treibt Frauen zum Fremdgehen. Die Quote der Kuckuckskinder schätzt er weltweit auf zwölf Prozent. Frauen wurden Fotos diverser Männer vorgelegt, damit sie ihr Attraktivitätsurteil fällen. An ihren fruchtbaren Tagen finden sie Gesichter mit männlichen Zügen besonders anziehend. Aber in den Wochen nach und vor der Menstruation soll es der Softie mit sanften Gesichtszügen sein, mit treuen Hundeaugen und einem Mund, der sich für die Poesie öffnet. So wie der König Salomos, wenn er verklärt das biblische Hohelied der Liebe anstimmt.

Erinnerung an Miriam. Die wollte partout kein Kind. Doch in den Tagen rund um ihren Eisprung zwängte sie sich Monat für Monat in freizügige Klamotten und hohe Schuhe, die einen aufreizend sinnlichen Gang ermöglichten. Zu allen anderen Zeiten fand sie das extrem unbequem. Heute weiß ich: Miriam stand unter dem Diktat der Natur. Was wir für frei gewählte Zuneigung hielten, war ein biologisches Diktat. Der schlimmste Gegner der zivilisierten Liebe ist die triebhafte, anpeitschende Natur. Wir sind ihre Sklaven.

Welcher Mann kennt sie nicht? Frauen, die sein Bett teilten, damit er später den Müll rausbringt, den Garten umgräbt oder zu faden Verwandten mitkommt? Frauen, so Buss und Meston, willigen in sexuelle Begegnungen ein, wenn sie ein Ziel erreichen können. Sie nutzen das lustvolle Geschehen auch, weil es Kalorien verbrennt, Sex dabei hilft, einen Konflikt zu beenden, und der Schlaf danach tiefer ist. Sex zum anschließenden Schönschlafen befriedigt Frauen übrigens besonders.