Landesbischof Frank Otfried July will die Einheit der Kirche wahren. Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

In der württembergischen Landeskirche wird es keine komplette Gleichstellung für gleichgeschlechtliche Paare geben. Ob sie aber bald in einem öffentlichen Gottesdienst gesegnet werden dürfen, ist noch ungewiss.

Stuttgart - Selten hat ein Thema die Gemüter in der Evangelischen Landeskirche so stark erregt, wie die Frage, ob auch in Württemberg gleichgeschlechtliche Paare im öffentlichen Gottesdienst den Segen für ihre Verbindung empfangen dürfen. „Für mich ist jeder Gottesdienst momentan ein Spießrutenlaufen“, sagt zum Beispiel der Kirchenparlamentarier Michael Fritz, als die Synode am Dienstag die Frage einer solchen Öffnung debattiert. „Ständig kommen Leute auf mich zu und wollen wissen, wie ich abstimme“, erzählt Fritz. Andere Synodale berichten von zahlreichen auch hoch emotionalen Zuschriften, die sie sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern einer Reform erhalten. Oft werde mit Kirchenaustritt gedroht.

Vor dem Tagungsort im Stuttgarter Hospitalhof protestieren am Morgen Christen mit Transparenten, auf denen Bibelverse stehen, gegen die diskutierte Neuerung. Parallel kursiert in der Evangelischen Studierenden Gemeinde Tübingen eine Petition zugunsten der Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Einige Pfarrer wiederum haben an die Synodalen geschrieben und angekündigt, sich Beschlüssen zu widersetzen, die sie nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Die Gräben zwischen beiden Lagern scheinen kaum überbrückbar zu sein. Dies weiß auch Inge Schneider. Daher eröffnet die Präsidentin der Synode die Aussprache mit einem eindringlichen Appell, die Fairness zu wahren und die Glaubensüberzeugung der Andersdenkenden zu achten.

Die Fronten sind schon am Anfang deutlich

Die Fronten sind schon am Anfang deutlich: Auf der einen Seite steht die Gruppe Offene Kirche, die eine völlige Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Paare und damit eine Trauung am Altar ohne wenn und aber durchsetzen will. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die an der bisherigen Praxis festhalten möchten und die meist der pietistisch geprägten Lebendigen Gemeinde angehören.

Homosexuelle dürften keine Christen zweiter Klasse sein, mahnt zum Beispiel Marina Walz-Hildenbrand von der Offenen Kirche. Als solche würden sie sich aber empfinden, wenn es bei der bisherigen Regelung bleibe. Danach ist es nämlich im Rahmen der Seelsorge und nicht in einem öffentlichen Gottesdienst erlaubt, einem lesbischen oder schwulen Paar den Segen zuzusprechen. Ähnlich wie Walz-Hildenbrand äußern sich viele Redner aus diesem Lager: Die Bibelstellen, die homosexuelle Handlungen verurteilten, bezögen sich nicht auf lebenslange Partnerschaften. Solche Aussagen stammten aus einer Zeit, als die Menschen noch nicht wussten, dass die sexuelle Orientierung angeboren sei. Vor allem aber gelte es, sich an Christus zu orientieren. „Bei allen Bekenntnisfragen ist mir die Nächstenliebe und das Vorbild Jesu am wichtigsten“, sagt Martina Klärle. Die Synodale führt auch das Beispiel einer Seelsorgerin vor Augen. Die habe sie vor Jahrzehnten in die Kirche zurückgeholt. Sie habe sehr viele Menschen gesegnet und getraut. Ihr selbst bleibe aber die kirchliche Trauung mit ihrer Partnerin verwehrt.

Die Offene Kirche kämpft auf verlorenem Posten

Doch solche Appelle ändern nichts daran, dass die Offene Kirche auf verlorenen Posten kämpft. Bei der Abstimmung folgen nur 36 von 97 Synodalen ihrem Antrag. Mehr Zustimmung findet ein Vorschlag des Oberkirchenrats. Der sieht vor, dass die Segnung in einem öffentlichen Gottesdienst als „Ausnahme“ möglich wird. Vorausgesetzt, der Kirchengemeinderat einer Pfarrei votiert mit Dreiviertel-Mehrheit dafür und der jeweilige Pfarrer stimmt zu.

Auf diese Weise werde respektiert, dass es in der Landeskirche unterschiedliche Auffassungen und unterschiedliche Bibelauslegungen gebe, sagt der Landesbischof Frank Otfried July. Die gegenläufigen Meinungen hätten beide ihre Berechtigung. „Hier steht nicht Glaube gegen Unglaube, Bibeltreue gegen Bibelvergessenheit. Hier steht auch nicht Barmherzigkeit gegen Fundamentalismus“, meint July und wirbt so für den Kompromiss. Doch viele von der Lebendigen Gemeinde sind skeptisch. Sie verweisen auf die Worte der Heiligen Schrift, auf Luther, der die Ehe zwischen Mann und Frau auch als „göttlichen Stand“ gesehen habe und darauf, dass niemand die gleichgeschlechtlich Liebenden benachteiligen wolle. Ob der Kompromiss die nötige Zweidrittel-Mehrheit im Kirchenparlament findet ist daher ungewiss.