Pfarrer fehlen, Gläubige auch – und das Geld erst recht. Was tun, wenn Kirche sich wandelt? Die evangelischen Kirchengemeinden im Schwarzwald-Baar-Kreis stehen jetzt vor dem vielleicht radikalsten Umbruch ihrer Geschichte.
Dekan Wolfgang Rüter-Ebel macht beim Redaktionsgespräch kein glückliches Gesicht. Aber gefasst blickt er der Zukunft trotzdem entgegen. Er weiß offenbar um die gewaltige Umwälzung, welche die kommenden Monate für die 35 700 Gemeindeglieder im ganzen Bezirk (Stand: Ende 2022) bedeuten wird, aber auch um die Notwendigkeit dafür.
Prozess „ekiba 2032“ titelt das Projekt zur Transformation und Reduktion. „Wie sind wir heute Kirche in unserer Zeit?“, die Frage stellt sich. Und klar ist: Die evangelische Kirche im Landkreis muss mit dem Kirchturmdenken Schluss machen. Die einzelne Gemeinde, von der jeder einen eigenen Pfarrer, ein eigenes Kirchenhaus, klar abgegrenzte, einzelne Organisationseinheiten hatte, das war einmal.
Aus vielen mach drei Kooperationsräume
Aktuell rauchen im kompletten Landkreis die Köpfe. Denke groß, heißt die Devise. Alles, was für die Zukunft geplant wird, soll nicht im Mikrokosmos einer einzelnen Kirchengemeinde geschehen, sondern in größeren Zusammenhängen gedacht werden – drei regionale Kooperationsräume wurden geschaffen: Der Kooperationsraum Süd für Donaueschingen, Hüfingen, Blumberg, Bad Dürrheim, Oberbaldingen und Öfingen, Nord-West für St. Georgen-Tennenbronn, Furtwangen, Triberg, Königsfeld, Weiler, Buchenberg und Mönchweiler sowie der Raum Mitte für die Kirchengemeinde Villingen mit Jakobus/Niedereschach und Matthäus/Marbach sowie Brigachtal.
Jede Kirchengemeinde schickt in der Regel zwei Leute zu den Beratungen der Kooperationsräume. Ihnen zur Seite stehen externe Berater aus einem Pool der evangelischen Landeskirche – schließlich plant man eine solche Mega-Umwälzung nicht alle Tage.
Was passiert mit den Pfarrern und Diakonen?
Jedem Dorf seinen Pfarrer? Diesen Anspruch kann und will man zukünftig nicht mehr erfüllen. 30 Prozent weniger als bislang sollen bis 2032/2036 erreicht sein, so die Zielvorgabe. 21,25 Pfarrstellen unterhält die Landeskirche aktuell im Bezirk. Jetzt wird abgespeckt. 2026 dürfen es noch 19 sein, 2032 nur noch 17, mit Beginn des Jahres 2036 sogar nur noch 15, das soll die Zielgröße sein laut Planung. Derzeit arbeiten 4,5 Diakone in der Region, 2032 sollen es noch drei sein, und auch von den drei Kantoren in Villingen, Donaueschingen und St. Georgen sollen bis dahin nur noch zwei übrig geblieben sein.
Was halb so wild klingt, geht doch tief, ans Eingemachte: „In den Pfarrstellen sind nicht nur Gemeindeanteile, sondern auch Kur- und Rehaseelsorge Bad Dürrheim und Königsfeld; Hochschulseelsorge in Furtwangen, Gefängnisseelsorge in Villingen ein 0,7 Stellenanteil für einen Dekan oder eine Dekanin und kleinere Dinge“ enthalten, erklärt Rüter-Ebel. Wenigstens müssten mit Glück keine Köpfe rollen, da ist der Dekan froh. Die Fluktuation werde vieles regeln, sagt er. Und auch, dass die Planung eigentlich auch zur Realität passe – „die Gemeinden werden kleiner“. Die Achillesferse, wo es viele empfindlich trifft, ist aber trotzdem da: Auch wenn die Köpfe in den Gemeinden weniger werden, die Fläche schrumpft aber nicht – „das ist das Problem“, weiß Rüter-Ebel.
Nicht mehr jedem Dorf seine Kirche
Wenn man sparen muss, wo es weh tut, kann es durchaus zuträglich sein, wenn das Budget schmilzt. So ähnlich hat man sich das wohl bei der Landeskirche gedacht – während die Kirchen ihren Immobilienbestand wie andere eben auch sanieren und für den Klimawandel wappnen müssen, schmilzt die finanzielle Unterstützung durch die Baubeihilfe der Landeskirche. Weniger Zuschüsse, weniger Möglichkeiten, die Rechnung ist einfach. Unterm Strich also stehen Kürzungen. Verkäufe von Kirchen, Gemeinderäumen und Umnutzungen. Was will man langfristig halten und energetisch ertüchtigen? Wovon trennt man sich? Die Fragen sind gestellt. Gütenbachs kleine Kirche zum Beispiel wurde erst entwidmet und dann für Wohnzwecke genutzt. In Bräunlingen, erzählt der Dekan, habe der Musikverein ein Gebäude gekauft, das er als Probelokal und für kulturelle Zwecke nutze. In Unterkirnach macht Milos Stankovic in der Christuskirche jetzt Musik – erst habe die Gemeinde das Gebäude kaufen wollen, nach dem Rückzug der Firma Wahl als großem Steuerzahler dann jedoch einen Rückzieher gemacht, erinnert sich Rüter-Ebel. Beispiele wie diese sind zahlreich – die Gebäude sind es auch. Noch. Die Kirchengemeinde Villingen alleine hat derzeit vier Pfarrhäuser – zusätzlich zur Lukasgemeinde, die zum Verkauf steht, fünf Gemeindezentren davon manche ebenfalls zum Verkauf, zwei Gemeindehäuser, zwei Kirchen, mehrere Gebäude darüber hinaus. Unterm Strich also: ganz viel Sparpotenzial und Fragen, die noch spannend bleiben.
Wie geht der Prozess jetzt weiter?
Ende Juni wird die Gebäude-Konzeption, die gerade erarbeitet wird, dem Bezirkskirchenrat vorgestellt. Ende Juli folgt eine Beschlussvorlage dazu, nach den Sommerferien geht das Thema in die Gemeinden zur Rückmeldung. Im Herbst soll die Öffentlichkeit bei Gemeindeversammlungen und der Bezirkssynode informiert werden. Anfang Dezember dann soll der Bezirkskirchenrat mit entsprechenden Beschlüssen Tatsachen schaffen.