Die Kanoniere nahmen das Weitinger Rathaus unter Beschuss (oben). Die Narren erzwangen vor dem Verwaltungspalast die Machtübergabe vom neuen Ortsvorsteher Rainer Himmelsbach. Fotos: Narrenverein Foto: Schwarzwälder Bote

Brauchtum: Bei der Schlüsselübergabe wird Kommunalpolitik aufs Korn genommen / Konfetti-Schüsse aus der Kanone "Dicke Berta"

Eutingen-Weitingen. Zahlreiche Schaulustige hatten sich am Nachmittag des "Schmotzigen Daoschtig" bei herrlichem Sonnenschein vor dem Rathaus zur traditionellen Schlüsselübergabe eingefunden. Angeführt von der Narrenkapelle des Musikvereins zog dann die geballte närrische Macht vor den Verwaltungspalast, um vom neuen Ortsvorsteher Rainer Himmelsbach die Machtübergabe zu erzwingen. Unterstützt wurde der Machtanspruch natürlich gewohnt deutlich durch die Gruppe der Weitinger Kanoniere, die das Rathaus mit mehreren scharfen (Konfetti-)Schüssen aus der Kanone "Dicke Berta" sturmreif schoss. Zuvor hatte Narrenpräsident Pascal Schmitt launig all seine Maskengruppen begrüßt, jede mit einem individuellen lustigen Spruch. Kostprobe: "I grüaß aosern Narrarat, der stoht halt so do – Euch grüaß i freilich mit Narri und Narro!".

Schmitt erinnerte in seiner durchweg gereimten Rede an das gelungene Ringtreffen, das die Weitinger vor zwei Wochen zum 90. Geburtstag des Narrenvereins ausgerichtet haben. Der Weitinger Obernarr zeigte sich stolz über den tollen Zusammenhalt, der die Durchführung der Mammutveranstaltung ermöglicht hat und bedankte sich bei allen Helfern: "A deara Stell‘ möchte i heut vielmols Vergeltsgott saga – Lob und Anerkennung von überallher an Euch weitertraga". Kritik gab es erneut für die Obrigkeit, die den Veranstaltern mit überbordender Bürokratie das Leben schwer mache – "doch mir wäret koane Narra, koane echte, wenn ons des zum Aufgeba brächte".

Toll sei es, dass wieder ein Ortschaftsrat besteht "om zu verhindera noch mehr Eutinger Zentralismus und Gier". Ortschaftsrat Siegfried Blum, selbst unter der Prominenz am Rathauseingang, dürften die Ohren geklingelt haben: "Es isch doch paradox in an Ortschaftsrat zu ganga, um dann dessen Auflösung zu verlanga. Des wär grad wie wenn i heut verkünde, dass künftig koa Fasnet im Flecka stattfinde". Viele Aufgaben gelte es zu stemmen: Hallenum- und -ausbau mit Feuerwehrmagazin, Hallenaußenanlage mit Festplatz, Kita-Angebot ausbauen und Grundschule erhalten, Glasfasernetz und ÖPNV-Netz ausbauen und und und…

Doch Weitingen ist "i sag’s ohne Scheu – mit Abstand noch henta die Perle im Gäu". Dies demonstrierte singend der Narrennachwuchs mit dem Weitinger Traditionslied "I be an Weidenger, do druff be’n i stolz – denn mir Weidenger send aus guatem Holz". Das Traditionslied wächst jedes Mal um weitere Strophen an, der Refrain wurde begeistert mitgesungen.

Dann war es soweit und "Weitingens erster grüner O-Vau musste schon wieder gao…". Zuvor mahnte Rainer Himmelsbach aber die Jauner: "Aus Eutingen werdet sie euch beobachta sehr genau, wie ihr an der Fasnet s’ganze Geld versaufet, ond nix mehr do isch wenn mers für d‘Halle brauchet". Doch nicht nur die Narren wollten den Schlüssel: "D’Greta hot ao schon g’fragt ob sie den Schlüssel kann hao Aber: ›Stenkige Hexa, dr Schella-Lärm ond dia laute Krachmusik, des isch a Desaster für d’Umwelt, für d’Ohra ond g’sond isch des nit‹ würde des Mädle moniera, dabei isch d’Fasnet dr Hit". Angesichts der vielen Projekte zeigte sich der "O-Vau" zwar beeindruckt: "In Weidenga O-Vau sei des hot’s mir nie dromet, jetzt isch’s passiert ond s’fühlt sich an wie Hoamet". Auch wenn er vielleicht fürs eine oder andere noch etwas brauche, aber "Mit Eurer Unterstützung isch mir net bang, do kriage mir älles na‘ über kurz oder lang!"

Mit Schunkelmusik der Narrenkapelle sowie dem tollen neu einstudierten Bettschoner-Flashmob wurde die Machtübernahme auf dem Latschareplatz noch gebührend gefeiert, ehe es dann zum Weiterfeiern in die örtlichen Lokale sowie die Floriansbar der Feuerwehr ging.