Zu einem Treffen mit Rundgang lud das "Aktionsbündnis Flugfeld" ein. Foto: Morlok

Aktivisten meinen: Auslegung wurde zu wenig bekannt gemacht. Umdenken gefordert.

Eutingen/Rottenburg - Das "Aktionsbündnis Flugfeld" wehrt sich gegen die Bebauung der freien Fläche zwischen Eutingen, Ergenzingen und Baisingen – denn dort soll ein interkommunales Gewerbegebiet entstehen.

Auf dem teils von Landwirten, teils von zwei Flugsportvereinen genutzten, 60 Hektar großen Areal, im Volksmund "Eutinger Flugplatz" genannt, soll nach dem Willen der Stadt Rottenburg und der Gemeinde Eutingen, ein interkommunales Gewerbegebiet entstehen. Zumindest haben sich die Rottenburger ihren Anteil von 40 Hektar beim Regionalverband Neckar-Alb schon dafür reservieren lassen.

Dagegen wehren sich die Bürger, die sich zum "Aktionsbündnis Flugfeld" zusammengeschlossen haben. Nachdem bekannt wurde, dass die Stadt Rottenburg in ihrem Beschlussantrag vom 20. März 2018 nicht nur das Gewerbegebiet "Herdweg" bei Kiebingen, sondern auch ein Gewerbegebiet am Standort Flugfeld Baisingen plant, gründeten besorgte Bürgerinnen und Bürger das Aktionsbündnis für nachhaltige Entwicklung und sprechen sich gegen ein Gewerbegebiet "Flugfeld" aus. Dem Aktionsbündnis gehören Vertreter aus allen umliegenden Ortschaften an. Darunter auch Vertreter aus den Ortschafts- und Gemeinderäten, sowie der Landwirtschaft und des Naturschutzes aus Rottenburg und Eutingen.

Früher gingen die Bauern, wenn ihnen die Obrigkeit ihr wertvolles Ackerland wegnehmen wollte, mit Mistgabeln und Dreschflegeln auf die Barrikaden. Heute sind es Argumente, Gedanken, Zukunftssorgen, Appelle wider dem reinen Gewinnstrebens und Eingaben, mit denen Betroffene das Schlimmste für sich und die nachfolgenden Generationen abwenden können. Wenn das alles nicht greift gibt es als letztes Mittel noch den Bürgerentscheid. Eine gehörige Portion Wut auf die Politiker, die ihnen ihre Meinung und ihre Planung ungefragt überstülpen wollen, spielt sicher auch mit eine Rolle, wenn die Aktivisten feststellen: "Hier werden Tatsachen geschaffen und wir sollen die Folgen davon ausbaden."

Aktivisten meinen: Auslegung wurde zu wenig bekannt gemacht

Am Freitagabend traf sich eine größere Gruppe der Aktivisten die sich gegen eine weitere Bebauung dieses bislang "nur" durch das DHL-Postfrachtzentrum bebaute Gelände aussprechen, beim "Wachhäusle" der NABU Ortsgruppe Eutingen. Die Sprecher des "Aktionsbündnis Flugfeld", Marlene Fischer, Irmgard Kussauer und Siegfried Wollwinder-Schiller berichteten von ihrem Gespräch mit dem leitenden Planer im Bereich Verfahren der Regionalplanung, Planung Sachgebiet Landschaft und Umwelt, Peter Seiffert, vom Regionalverband Neckar-Alb.

Im Wesentlichen ging es dabei darum, eine Verlängerung der Auslegungsfrist für die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der 5. Änderung des Regionalplans Neckar-Alb 2013, die seit Ende Juli und noch bis zum 18. September läuft, zu bekommen. Nach Meinung der Sprecher des Aktionsbündnisses wurde diese Auslegung viel zu wenig bekannt gemacht. Zudem versteckt sich ihr Anliegen auf gerade mal vier Seiten des 200-seitigen Papiers, dass bei der Regionalverbands-Geschäftsstelle und im Tübinger Landratsamt derzeit zur Einsicht ausliegt.

Peter Seiffert zeigte zwar Verständnis, konnte der Aktionsgruppe jedoch keine großen Hoffnungen auf gedankliche Umkehr der Rottenburger Planer machen. Eine Fristverlängerung der Auslegung bis Anfang Oktober sei unter Umständen auch für die Öffentlichkeit möglich, doch die besten Chancen hätte man über die Stellungnahmen der kommunalen Gremien wie Gemeinderat und Ortschaftsräte. Hier müsste nach Ansicht des "Aktionsbündnis Flugfeld" Basisarbeit geleistet und Weichen in Richtung Zukunft gestellt werden. Deshalb ruft das Aktionsbündnis die Bevölkerung auf, ihre Einwände und Bedenken möglichst bis zum 18. September beim Regionalverband vorzubringen. Wichtige Argumente, die gegen eine Bebauung der Fläche mit einem interkommunalen Gewerbegebiet sprechen, das seien der Erhalt der Schutzgüter Luft, Boden, Wasser und nicht zuletzt auch der Artenschutz, gab Seiffert seinen Besuchern mit auf den Weg durch die Instanzen.

Einige Vertreter aus den Gremien, wie Ergenzingens Ortschaftsrätin und SPD-Gemeinderätin Cornelia Ziegler-Wegner, ihr Amtskollege der Rottenburger FaiR-Stadtrat Erwin Raible, Weitingens Ortsvorsteher Rainer Himmelsbach sowie der Kreisvorsitzende des Bündnis 90/Die Grünen, Winfried Asprion, nahmen am jüngsten Treffen teil und können so als Botschafter des Aktionsbündnisses deren Forderungen in die kommunalen Schaltstellen tragen.

Landwirt Erwin Raible untermauerte die Ablehnung der Bebauungsgegner mit einigen Zahlen. So seien seit 1974 allein auf der Gemarkung Ergenzingen 180 Hektar, das entspricht etwa 18 Prozent der Gesamtfläche, landwirtschaftlich genutzter Fläche zubetoniert worden: "Dort wachsen die nächsten 100 Jahre keine Kartoffeln mehr."

Eine weitere Befürchtung der Bürger ist, dass der Verkehr durch ein weiteres Gewerbegebiet noch weiter zunimmt. "Gerade die topfebene Lage, die direkte Anbindung an die B 28 und die Nähe der Autobahnen bietet sich geradezu ideal für die Ansiedlung von Speditionsunternehmen an", glauben die Mitglieder des Aktionsbündnisses. "Am Anfang wurde uns gesagt, dass in etwa 400 LKWs das Postfrachtzentrum am Tag anfahren, dann waren es 600 und heute sind es mehr als 800", so ein Zahlenwert zum steigenden Verkehrsaufkommen, das mit einem Gewerbegebiet auf dem "Eutinger Flugplatz sicher nicht abnimmt. "Wir stecken in einer Verkehrslärm-Zange", so der Baisinger Siegfried Wollwinder-Schiller.

Die besorgten Bürger rechnen mit dramatischen Veränderungen ihres Lebensraumes, wenn die Verantwortlichen in den Rathäusern von Rottenburg und Eutingen weiter nach der Maxime: "Jetzt haben wir die Flächen gekauft, jetzt müssen wir sie auch gewinnbringend nutzen" handeln. Hier fordert das Aktionsbündnis ein rasches Umdenken.

Bürgermeister Jöchle möchte zuerst Tenor in Bevölkerung abfragen

Wie bekannt wurde, soll dieses Thema nun in den kommenden Sitzungen der Ortschafts- und Gemeinderäte auf den Tisch kommen. Eutingens Bürgermeister Armin Jöchle möchte, bevor er überhaupt dieses heiße Eisen anfasst, zuerst den Tenor in der Bevölkerung abfragen, wie er unlängst bekannt gab. Hier sind scheinbar noch die Nachwirkungen des Bürgerentscheids zum geplanten KVT (kombinierten Verkehrsterminal) das beim Eutinger Bahnhof, also in Steinwurfweite des neuen Gewerbestandorts, angesiedelt werden sollte, zu spüren. Die Bürger haben sich damals dagegen entschieden. Auch hat der für Eutingen zuständige Regionalverband diesen Wunsch nach regionaler Bebauungsplanänderung und Umnutzung des Gebiets von einem "Vorranggebiete für Grünflächen" und Landwirtschaft, das nicht bebaut werden darf, in ein sogenanntes "Vorbehalts-Gebiet", das unter gewissen Vorbehalten bebaut werden darf, noch nicht bearbeitet beziehungsweise noch nicht zur Planänderung ausgelegt.

In Rottenburg ist man da schon westlich weiter. "Die Rottenburger holen raus was geht. Hier wird ein Ausverkauf der landwirtschaftlichen Flächen betrieben, um die Infrastruktur der Stadt zu finanzieren" fasste es einer der Aktivisten zusammen.

Obwohl in den nächsten zehn Jahren keine Bagger anrücken werden, sehen sich die Mitglieder des "Aktionsbündnis Flugfeld" heute schon im Zugzwang. Sie wünschen sich, dass die Verwaltungen der beiden Orte die Bürger mit ins Boot nehmen; mit ihnen raus auf die Felder geht, mit ihnen spricht und sie nicht einfach vor vollendete Tatsachen stellt. "Es soll für unsere Kinder ein Morgen geben", lautet ihre Forderungen. Und deshalb ist für sie ganz klar: "Wir wollen keine Bebauung."

Corona bedingt kann das Aktionsbündnis zu seinen Treffen nicht öffentlich einladen. Trotzdem versucht das Bündnis die Bevölkerung zu informieren und plant als nächstes den Film "Kein schöner Land" in Baisingen vorzuführen. Dieser befasst sich ausführlich mit dem Flächenverbrauch am Beispiel der großen Kreisstadt Reutlingen. Wann und wo der Film gezeigt wird, wird rechtzeitig bekannt gegeben.