In Damaskus herrschte vor Corona reges Treiben, nun müssen alle daheim bleiben, weshalb sich die in Eutingen lebenden Syrer Sorgen machen. Foto: privat Foto: Schwarzwälder Bote

Corona-Krise: In Eutingen lebende Syrer sprechen über die Lage in ihrem Heimatland / Wasserversorgung unbeständig

Euti ngen. Gespannt schaut Mohamad aus Eutingen auf sein Smartphone, denn er erwartet einen Anruf von seiner Familie aus dem syrischen Damaskus. Seit die syrische Regierung Corona-Präventionsmaßnahmen im von Krieg gezeichneten Land umgesetzt hat, fällt der Strom in seiner Geburtsstadt immer häufiger aus.

"Ich bin jeden Tag gespannt, was mir meine Familie Neues berichtet", erklärt der Syrer, der 2015 in den neuen Bahnhof nach Eutingen kam. Immer wieder hält er über soziale Medien Kontakt zu seiner Familie, die nun wegen der Corona-Präventionsmaßnahmen zuhause ist. "Meine Brüder gehen nicht mehr zur Schule", beschreibt der Auszubildende. Ähnlich wie in Deutschland, wurden auch in Syrien die Schulen wegen der drohenden Ansteckungsgefahr geschlossen. Menschenansammlungen seien verboten, weshalb auch der Besuch der Moschee verboten ist. Die Syrer beten nun zuhause und lassen Zusammenkünfte ausfallen.

Offizielle Zahlen, wie viele Menschen in Syrien bisher an Corona erkrankt sind, erhalte die Bevölkerung nur sehr spärlich. "Bisher sollen nur neun Personen in Syrien erkrankt sein, das kann nicht sein", erklären die in Eutingen lebenden Syrer. Die syrische Regierung steuere die Medien in ihrer Heimat, weshalb sich die meisten Syrer über andere Kanäle aus dem Ausland Informationen holen.

Seit 2011 herrscht in Syrien aufgrund der andauernden Kriegssituationen Ausnahmezustand, zu dem nun die Angst um die Corona-Ansteckung dazugekommen ist. Viele in Eutingen lebende Syrer machen sich Sorgen um ihre Familien und Verwandtschaft, die noch in Syrien lebt und medizinisch aufgrund der schwierigen Situation vor Ort nicht so gut versorgt sei. Internet, Strom, Wasser und WLAN gehen nur unregelmäßig. Das lasse die Sorgen immer stärker zunehmen, denn der Kontakt fehlt vielen.

"Ich glaube, den Leuten geht es daheim viel schlimmer, als uns hier in Deutschland", beschreibt ein Syrer, der ebenfalls aus Damaskus kommt. Er weiß von seiner Verwandtschaft, dass diese das Wasser gut einteilen müsse. Manchmal stehe es zur Verfügung, dann könne man Wäsche waschen und duschen. Aber oft sei es sehr knapp und da es als Trinkwasser diene, müssen Familien sparen. "Jetzt, wo viele daheim sind, noch viel mehr", sagt der junge Syrer, der jeden Tag besorgt versucht, seine Angehörigen zu erreichen und oft erst nach Stunden eine kurze Nachricht bekommt. Sehr oft fehle der Strom und damit auch die Internetverbindung – selbst in einer Großstadt wie Damaskus. In Homs und Aleppo sehe es noch viel schlimmer aus, sagen die anderen Syrer.

In solchen großen Städten könne man nicht so einfach spazieren gehen, wie in beispielsweise in der Gemeinde Eutingen mit den weiten Grünflächen, wo sich die Bürger aus dem Weg gehen könnten. Die Straßen und Gassen in Damaskus seien zum Teil eng und viel schmaler und natürlich sei die Einwohnerdichte viel höher, weshalb das Verlassen der eigenen vier Wände ohne Grund verboten sei. "Mein Vater ist vor Corona gegen Mittag zum Bäcker, um Brot zu holen und hat dort gewartet. Heute steht er um 4 Uhr morgens auf und wartet bis zu zwei Stunden, damit er Brot bekommt", beschreibt Mohamad, dass sich die Situation verschlimmert hat. Kosteten 500 Gramm Fladenbrot vor dem Krieg noch 15 syrische Pounds, was ungefähr 30 Cent entsprach, wurde die gleiche Menge im vergangenen Jahr für rund 250 syrische Pounds – das 17fache! – angeboten. Nun steigen die Preise für Lebensmittel stetig. Ein Euro entsprach vor dem Krieg 50 syrische Pounds, nun ist der Wert gestiegen und beträgt 1100 syrische Pounds.

Während in Deutschland Lebensmittel wie Nudeln und teilweise Mehl und Zucker gehamstert werden, können die Syrer von allem nur das Nötigste kaufen, denn es ist nicht alles in Mengen vorhanden. Großmärkte gibt es nicht, sondern kleinere Geschäfte. Zudem herrscht stundenweise Arbeitsverbot, um Corona einzudämmen. "Mein Vater arbeitet noch, aber wie lange? Und was passiert dann mit meiner Familie?", fragt sich Mohamad.

Die Einteilung in Risikogruppen spiele keine so große Rolle, denn die Eltern und Großeltern leben oft nicht in extra Häusern oder Seniorenheimen. Sie leben bei der Familie, also auch zusammen mit den kleinen Kindern. Von Mundschutz und Desinfektionsmitteln ist nur zu träumen. Vorteil hätten die Frauen, die vollverschleiert seien, wissen die in Eutingen lebenden Syrer. "Aber normalerweise begrüßen sich die arabischen Frauen mit Küsschen und die Männer umarmen sich. Das ist nun verboten", erklären die in Eutingen lebenden Syrer, wie in ihrer Heimat die Infektionsgefahr eingedämmt werden soll. Viele Krankenhäuser seien zerstört, das Gesundheitssystem aufgrund des Krieges in Mitleidenschaft gezogen. Alle beten daher für ihre Angehörigen und Verwandten, dass Corona sie nicht befalle, unterstreicht Mohamad. Wenn er im Fernsehen Aufnahmen von beatmeten Menschen aus Italien sieht, bekommt er Gänsehaut: "Das will ich mir gar nicht vorstellen, was dann passiert."