Winfried Vees erklärt das Prinzip der Blühwiese.Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Umwelt: Die Landesminister Susanne Eisenmann und Peter Hauk besuchen gemeinsam den Energiehof "Weitenau"

Großer Bahnhof auf dem Energiehof "Weitenau" von Juliane und Winfried Vees. Zum ersten Mal in der langen Geschichte dieses Hofes schauten gleich zwei amtierende Minister des Landes Baden-Württemberg im Rahmen eines gemeinsamen Besuchs vorbei.

Eutingen-Weitingen. Die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Susanne Eisenmann, kam in Begleitung ihres Kollegen Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Für Eisenmann, die im kommenden Jahr das Amt der Ministerpräsidentin anstrebt, war es der erste Besuch auf dem Energiehof im Eutinger Ortsteil. Peter Hauk dagegen ist gern und oft gesehener Gast auf dem Vorzeigeprojekt der Familie Vees.

Die Verantwortlichen hatten das Anwesen an diesem späten Nachmittag zu einem "Lernort Bauernhof" verwandelt. An Info-Ständen konnte man sich eben über den Lernort Bauernhof in Baden-Württemberg erkundigen, die Stadtwerke Nürtingen stellten ihr Projekt "Bienen-Strom" vor und Winfried Vees nahm seine Besucher, darunter auch der Landtagsabgeordnete Norbert Beck, dessen designierte Nachfolgerin Kathrin Schindele, der erste Landesbeamte des Kreises Freudenstadt, Reinhard Geiser und weitere Prominenz aus der Kommunalpolitik, der Bio- und Energiegewinnungsbrache sowie aus dem Landfrauenbund mit auf eine Tour durch die Welt der Mikroorganismen und deren Nutzung.

Für die Bildungspolitikerin wurde dieser Gang über den Hof zu einer echten Schulstunde, wie sie später lächelnd feststellte. Winfried Vees, ehemaliger Lehrer und zwischenzeitlich anerkannter Bioenergie-Experte nutzte die Gunst der Stunde und war bei seinen Ausführungen ganz in seinem Element. Nicht nur die Formel der Fotosynthese, die er groß auf eine Wand eines der Fahrsilos geschrieben hatte, wurde ausführlich erläutert, sondern auch die Wildblütenwiesen (Blühflächen) mit denen den Familie Vees experimentiert. Highlight jeder Führung ist die Biogastankstelle, die autark mit dem Gas, dass auf dem Hof erzeugt wird, betrieben wird.

Diesen Zwischenstopp an der Tankstelle nutzte Winfried Vees um seinen Wunsch an die Politiker, dass man nicht nur auf E-Mobilität, sondern auch auf "grüne Energie" als Antriebsmittel für Autos setzen sollte, loszuwerden. Hauk merkte hier an, dass das Thema Verbrennungsmotor noch lange nicht vom Tisch sei. "Wichtig ist jedoch, wie und mit was wir die Fahrzeuge antreiben", so sein Einwurf hierzu. Auch machte er sich Gedanken darüber, wie und wo man den irgendwann mal die Akkus, die für die E-Mobilität nötig sind, endlagert. Übrigens, di e beiden Minister kamen getrennt in Hybrid-Luxuslimousinen zu dieser Stippvisite ins Gäu.

Bevor es jedoch losging, machte der Hausherr noch auf die coronabedingten Einschränkungen aufmerksam. "Es wäre fatal, wenn es später heißt, auf dem Energiehof haben sich zwei Minister angesteckt", fügte er launig an. Peter Hauk nahm diesen Ball auf und versprach, dass er dann zusammen mit seiner Parteifreundin in Quarantäne geht. "Das wird ein recht spannendes Projekt", so seine Vermutung.

Spannend waren dann auch die anschließenden Impulsreferate der beiden Minister, die sich zu ihrem jeweiligen Fachgebiet in Verbindung zur Landwirtschaft äußerten.

Nach kurzen Grußworten von Norbert Beck, der den Weitingern die freudige Botschaft überbringen konnte, dass der Haushaltsausschuss des Landes am Vormittag für die Hallensanierung 1,8 Millionen Euro freigeben habe, stieg Minister Hauk in das Thema ein.

Er beleuchte zuerst die negativen Aspekte der Landwirtschaft, die man täglich hört. Pestizide, Überdüngung, Grundwassergefährdung, schlechte Tierhaltung und Schlachthöfe mit katastrophalen Zuständen prägen eine Bild der Landwirtschaft, das seiner Meinung nach so nicht stimmt. In diesem Zusammenhang appellierte er, und einige der Anwesenden nach ihm, auch an das Verbraucherverhalten. "Es kann nicht sein, dass ein Pfund Hackfleisch im Sonderangebot für 98 Cent ›vers chenkt‹ wird" bemängelte die Hausherrin. "Wer Produkte aus artgerechter Tierhaltung möchte, der muss einfach tiefer in die Tasche greifen", so ein klares Statement hierzu. Hauk vertrat weiter die Ansicht, dass Klimaschutz und Klimaschutzziele erreicht werden sollten. "Hier muss man vernünftig fördern und Ansätze nach vorne bringen." "Motoren für die Gasantriebe gibt es, die braucht man nicht entwickeln", stellte er fest und betonte, dass von grüner Seite mit der E-Mobilität nur Symbolpolitik betrieben wird.  

Sein Appell: Man muss offenbleiben und an der Baustelle Bioenergie weiter arbeiten. "Landwirtschaft bietet Chancen für Bioenergie. Befristete Förderungen, die in Wirtschaftskreisläufe eingreift, sind richtig. Doch man muss auch hier die richtigen Schlüsse ziehen", sagte Minister Hauk der anfügte: "Ich bin nicht zufrieden mit dem, was an Mainstream aus dem Wirtschaftsministerium kommt. Das ist unbefriedigend!"

Doch nicht nur Bio und Energiegewinnung stehen im Fokus von Hauk, sondern er brach auch eine Lanze für die herkömmliche Landwirtwirtschaft. "Natürlich sollte die normale Landwirtschaft weiter so erhalten werden, wie sie ist. Nur sollte man die Trends erkennen und nutzen." Er möchte, dass den "kleinen" Bauern, den Familienbetrieben, ein Anerkennungsbetrag gezahlt wird. "Für Umme kann niemand seine Familie ernähren", stellte er fest.

Zusammenfassend vertrat er die Meinung, dass man nicht mit Scheuklappen die Entwicklungen in der Landwirtschaft sehen darf. "Reststoffe, die heute mit Biogasanlagen als Energieträger verarbeitet werden, sind die spannenden Aspekte in der Landwirtschaft und die Bioökonomie muss gestärkt werden. Es ist der intelligente Kohlenstoff, den wir haben."

Ministerin Susanne Eisenmann zeigte sich begeistert von den Eindrücken, die man in Weitingen gewinnen konnte. Sie lobte die Familie Vees für den verantwortlichen Umgang mit Natur und Landwirtschaft.

Das Thema Mobbing der Bauernkinder in der Schule streifte sie nur, forderte dafür aber gleich im nächsten Satz mehr Respekt vor der Natur. "Wir müssen wertschätzen, was uns täglich umgibt."

Auch sie bemängelt, dass die Landwirtschaft derzeit mit Polemik belegt ist, doch die Kinder in der Stadt weit weg sind, von dem was in der Natur geschieht.

Sie findet es zwar gut, dass die Jugend mit der Fridays-for-Future-Bewegung auf die Straße geht, kritisiert jedoch, dass die Jugend keinen Zugang zu ihrer Umgebung mehr hat. "Die kennen heute keine drei Baumarten mehr."

"Fleisch kommt für sie aus dem Supermarkt – was davor ist, wissen die Kinder heute nicht mehr", bilanzierte die Ministerin. "Wie aus einem Ferkel ein Schnitzel wird – die Nahrungskette muss wieder in die Köpfe der Kinder", lautete ihr Ansatz.

Für sie ist klar: Bioökologie ist Zukunft. Erhaltung der Natur, der Äcker – denn Möhrchen sind nicht rund und die Kuh ist nicht lila.

Daher hält Susanne Eisenmann einen Pflichtbesuch auf dem Bauernhof für alle Grundschulklassen für keine schlechte Idee.