Der langjährige Weitinger Ortsvorsteher Roland Raible (links) und sein Nachfolger Rainer Himmelsbach (rechts) hakten bei Manfred Albiez von den Stadtwerken Nürtingen zum Thema "Bienenstrom" nach. Foto: Schwarzwälder Bote

Umwelt: Rundgang auf dem Hof der Familie Vees in Weitingen / Politiker und Experten begutachten Blühhilfe-Projekt

Die mindestens fünfjährige Blühmischung beim Energiehof Weitenau von Familie Vees aus Weitingen bietet nicht nur für Insekten eine Vielfalt. Dass später einmal Energie, so genannter Bienenstrom daraus erzeugt wird, erklärte das Ehepaar zusammen mit Experten bei einer Begehung.

Eutingen-Weitingen. Passend zur vergangenen Woche der Artenvielfalt begrüßte Juliane Vees die Vertreter aus Politik, Naturschutz- und weiteren Bereichen am "Bienenstrom-Ort". 2018 hatten die Stadtwerke Nürtingen und das Biosphärengebiet Schwäbische Alb das Blühhilfe-Projekt gestartet, erklärte Manfred Albiez von den Stadtwerken. Während anfangs zehn Landwirte im Bereich Schwäbische Alb auf etwa 14 Hektar Fläche Blühmischungen gesät hätten, seien im kommenden Jahr 50 Hektar geplant. "Unser Ziel ist es nicht, den Mais-Anbau zurückzudrängen, sondern deutschlandweit eine Biodiversität von etwa fünf Prozent anzustreben", freute sich Albiez, dass im kommenden Jahr wohl neben den örtlichen auch ein Landwirt aus Niedersachsen mitmachen wolle.

Zudem werde das Projekt "Bienenwärme" vorangetrieben. Landwirte für das Pionier-Projekt Bienenstrom zu gewinnen gehöre nicht zur Herausforderung, eher die Erhöhung der Ökostrom-Kunden, die das Projekt ermöglichen, betonte der Projektleiter. Der Stromkunde werde zum Blühhelfer, weil ein Cent pro verbrauchter Kilowatt-Stunde Strom an die Finanzierung des Aufbaus und der Pflege von Blühflächen gehe. Der Landwirt erhalte eine Art Ausgleichszahlung von 600 Euro pro Hektar von den Stadtwerken Nürtingen, denn die Energiegewinnung aus der Blühmischung sei niedriger, als beispielsweise aus Monokulturen.

Fördergelder würden die Landwirte auch bekommen, wenn sie solche Flächen stehen lassen würden. Eine Nutzung sei laut Winfried Vees vorzuziehen, doch dann erhalte der Landwirt keine Förderung. Diese EU-Vorgabe gelte es zu überdenken, wünschte sich der Weitinger. Daher wandte er sich an Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel, Grünen-Landtagsabgeordnete Martina Braun sowie örtliche Politiker wie Bürgermeister Armin Jöchle und Ortsvorsteher Rainer Himmelsbach.

Fuchtel lobte das Engagement für die artenreichen Energiepflanzen, sah die Fragen in Richtung Europa gerichtet. Er hoffe auf den Greening-Prozess, der Änderungen für die Landwirte mit sich bringen könnte. "Jede Leistung muss finanziert sein", betonte Fuchtel, dass er das Dilemma der Landwirte verstehe. Und auch Bürgermeister Jöchle erkannte die Herausforderung, bezweifelte aber, ob staatlich alles gesteuert werden könne. Er wünschte sich viel eher ein Umdenken und eine Steuerung durch die Marktwirtschaft.

Otto Körner, Regionalgruppensprecher des Fachverbands Biogas, merkte an, dass nicht nur eine Partei, wie die Landwirte, für die Artenvielfalt verantwortlich gemacht werden dürften. Auch Schottergärten, mit denen Insekten ein Stück Natur weggenommen werde, waren Thema. Er rechnete den Erlös aus "Bienenstrom" auf einen Garten mit rund 500 Quadratmetern um und kam auf einen Betrag von 25 Euro. "Das reicht nicht für eine umfangreiche Gartengestaltung", wies er daraufhin, dass die Blühmischung und Bewirtschaftung nach den Vorgaben von "Bienenstrom" aber möglich wären. Das Projekt biete zudem zahlreiche Vorteile wie die Steigerung des Naherholungswertes einer Fläche, Erosionsschutz, Grundwasserschutz und weitere.

Winfried Vees hatte für den Rundgang extra einen Weg durch die mehrjährige und von Experten ausgewählte Blühmischung gemäht. Je nach Uhrzeit würde es hier ordentlichen summen, weshalb diese Alternative zu Monokulturen dem Insektensterben in Deutschland entgegenwirken soll. Der ehemalige Ortsvorsteher und "Nachbar" Roland Raible hakte nach, wie lange die Mischung anhalte. Minimum fünf Jahre, erklärte ihm Albiez. Und jedes Jahr würden andere Pflanzen blühen. Gemäht würde die Fläche beispielsweise im September und im nächsten Jahr bereits im August.

Wer den Energiehof kennt, weiß um die Entwicklung vom Milchviehbetrieb zum Biogashof mit späterer Biomethantankstelle. Körner wies auf ein fortschrittliches Denken der Familie Vees hin, die seit Jahren einiges ausprobiert habe. Beim Rundgang entdeckten die Gäste Heilkräuter und weitere Pflanzen wie Luzerne, echter Eibisch, Beifuß, weiße Lichtnelke, die vor allem das Herz der pharmazeutisch technische Assistentin Martina Braun höher schlagen ließen. "Das Insekten-Monitoring ist erschreckend", erklärte das Mitglied des Landtages, dass Wildbienen fehlen würden und daher Alternativen zu Monokulturen dringend benötigt werden. Sie wünschte sich, dass Mais-Ersatz wirtschaftlich werde und am Ende nicht mehr so viel Landwirte aus wirtschaftlichen Gründen ihre Flächen mulchen müssten. Die Richtung und das Projekt "Bienenstrom" beschrieb Eutingens Nabu-Chef Eberhard Kläger als richtig. Er hofft, dass andere sich noch von solchen Blühwiesen anstecken lassen würden.