Flugfeld: Uneinigkeit herrscht im Gemeinderat bei Umwidmung der Grünlandfläche von einer Vorrangs- in eine Vorbehaltsfläche

Das mögliche interkommunale Gewerbegebiet "Am Flugfeld" zwischen Eutingen, Ergenzingen und Baisingen sorgt auch für hitzige Diskussionen im Eutinger Gemeinderat. Einig ist sich das Gremium nicht, eine Mehrheit stimmte aber für eine Umwidmung des Geländes.

Eutingen. "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!" Diesen Satz sagt DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 in einer Pressekonferenz. Eine glatte Lüge, wie sich wenig später herausstellte. Wenn man heute hört, dass niemand aus dem Eutinger Gemeinderat wirklich plant, auf der Grünlandfläche, die auf den Gemarkungen Baisingen, Göttelfingen und Ergenzingen liegt, ein Gewerbegebiet zu bauen, sondern mit der 5. Änderung des Regionalplanes lediglich die Voraussetzungen dafür geschaffen werden könnten, dann fällt einem dieser geschichtsträchtige Satz spontan ein.

Bürgermeister Armin Jöchle musste diese 5. Änderung der Regionalplanungen Neckar-Alb gleich bei der jüngsten Sitzung des Gemeinderates nach der Sommerpause mit in die Tagesordnung nehmen, da die Kommune nur bis 2. Oktober Einsprüche und Stellungnahmen anmelden darf, wie er betonte. Und Einsprüche sollen über den Gemeinderat erfolgen. "Die Räte haben sich schon mit diesem Regionalplan auseinandergesetzt", erklärte der Verwaltungschef den zahlreich erschienen Zuhörern, die miterleben wollten, ob und wie die Räte dem Ausverkauf des Gäus zustimmen.

Armin Jöchle ist sich der Brisanz dieses Themas sehr wohl bewusst. Nicht umsonst bringt er schon heute die Möglichkeiten eines Bürgerentscheids ins Spiel, was vor fünf Jahren, bei der Planung des KVT, noch undenkbar war. In seiner Einleitung versuchte er deshalb auch gleich die Gefahr, die von dieser Regionalplanänderung ausgeht, herunterzuspielen. Folgte man ihm unbefangen, dann scheint die Änderung, die etwa 60 Hektar große Fläche, die zu zwei Drittel Rottenburg und zu einem Drittel Eutingen gehört, von einer Vorrangs- in eine Vorbehaltsfläche umzuwidmen ein völlig normaler Verwaltungsakt zu sein, der keinerlei Auswirkungen auf die bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen haben wird.

"Was passiert mit der Flugplatzfläche, wenn uns die Gewerbegebietsflächen ausgehen?", eine Frage, mit der sich der Gemeinderat bereits 2018 befasste. Man entschied sich damals, dass der Regionalverband dies ohne großes Tamtam prüfen soll, erklärte Jöchle. Bearbeitet wird das Ganze vom Regionalverband Neckar-Alb, da Eutingen direkt am Rand des Gebietes liegt. Und da man dort eine Versiegelung von kleinen Gewerbegebieten nicht mehr haben will, sollen nur noch kompakte Flächen versiegelt werden und deshalb sei nur ein interkommunales Gewerbegebiet in Partnerschaft mit Rottenburg möglich, so Jöchle weiter.

Da zu einem Gewerbegebiet auch Wohnflächen, Verkehrs-Trassen und weitere Infrastrukturmaßnahmen freigehalten werden müssen, sollen durch die Änderung, dass die jetzige Form als Vorrangfläche zurückgenommen und in eine Vorhabenfläche umgewidmet wird, die planerischen Freiräume ermöglicht werden. Freiräume, die von Rottenburger Seite schon sehr konkrete Züge angenommen haben. "Alles bleibt so, wie gehabt, nur haben die Kommunen dann die Möglichkeit, dort ein Gewerbegebiet zu schaffen", machte der Bürgermeister die Ist-Situation klar. "Ich erlaube mir aber heute schon darauf hinzuweisen, dass eine Änderung ohne umfassende Bürgerbeteiligungsprozesse nicht möglich sein wird", so Jöchle. Er gab zu: "Deshalb haben wir als Gemeinde eigentlich auch keine große Lust in dieses Verfahren einzusteigen."

Der Grund, warum man es trotzdem tue, sei schlicht und einfach der, dass so ein Regionalplan nicht jedes Jahr aufgelegt wird.

Er betonte, dass man die Stellungnahme an den Regionalverband zwar so formulieren könnte, dass man die alten Möglichkeiten aber beibehält. Trotzdem habe man sich nach der Vorgabe aus 2018 und nach langer ausführlicher Diskussion im Bezirksbeirat dafür entschieden, den Regionalplan in Bezug auf Vorbehaltsplanung umzustellen und der diesbezüglichen Änderung zuzustimmen.

"Selbst wenn man das Ganze als Vorhabenfläche lässt, kommen Leute und sagen, man hätte die Option nutzen sollen", befürchtet Jöchle, um noch anzufügen: "Ich habe auch Verständnis für jede andere Meinung."

Im Göttelfinger Ortschaftsrat hatte man am Vortag den Empfehlungsbeschluss aus dem Eutinger Rathaus abgelehnt (wir berichteten). Zwei Räte befürchteten, wenn die Verwaltung erst einmal einen Fuß in Richtung Gewerbegebiet in der Tür hat, dass dieses dann auch kommt. Und dies mit Schaden an der Natur, die nicht wieder gut zu machen ist. Auch eine kleine Gruppe von Gemeinderäten, bestehend aus den beiden Eutingern Anton Friedrich und Martin Kramer sowie den Weitinger Räten Rainer Himmelsbach und Sonja Schlichter-Müller, zeigten sich mit der von Verwaltungsseite vorformulierten Stellungnahme nicht zufrieden. Sie schrieben unter anderem: "Wir beantragen hiermit, den in den oben genannten Sitzungsunterlagen enthaltenen Entwurf der Stellungnahme zur Regionalplanung Neckar-Alb bezüglich des beabsichtigten Gewerbegebiets ›Am Flugfeld‹ wie auf der folgenden Seite dargestellt zu modifizieren beziehungsweise zu ergänzen."

Auffallend ist hier, dass das Gewerbegebiet, das niemand bauen möchte, bereits einen Namen – "Am Flugfeld" – hat.

Als erster in der Fragerunde meldete sich Rainer Himmelsbach. Er versuchte, seine Gründe für die beantragte Änderungen zu erläutern. Er und seine Mitstreiter befürchten, dass mit der Stadt Rottenburg ein großer Player vor der Tür steht. Sie gehen schlicht davon aus, dass bei der größeren Fläche die Rottenburg mit einbringt, keine paritätische Meinungsfindung über die Art und Zusammensetzung der anzusiedelnden Betriebe herrscht. "Rottenburg wird mehr Stimmen haben", befürchtet der Weitinger Ortsvorsteher. Dem widersprach Jöchle und hielt dazu einen ausführlichen Vortrag. Trotzdem gehen die vier "Rebellen" davon aus, dass Rottenburg bestimmend das Gewerbegebiet durchsetzen und später auch besetzen wird. Auch hier grätschte Jöchle mit einem Monolog dazwischen.

Das wurde Anton Friedrich irgendwann zu viel. Der Ton wurde rauer, der Meinungsaustausch persönlicher und das Ringen um jedes Argument, ob für oder gegen eine Änderung intensiver. Friedrich stellte für sich fest: "Man hat ein komisches Gefühl im Bauch, wenn einer 40 Hektar Fläche und wir nur 20 Hektar haben. Wir haben an dem Kuchen finanztechnisch ein Drittel, von der Belastung her aber 100 Prozent." Man sollte hier eine Bremse reinhauen, wünscht sich Friedrich. "Wir wollen, dass dort nur Gewerbe reinkommt, bei dem ich meinem Sohn beruhigt sagen kann, dort kannst du arbeiten. Keine Erweiterung vom DHL, die nur Mindestlohn zahlen." Jöchle: "Es ist nicht jeder Ingenieur. Auch junge Leute brauchen schnell mal einen Job."

Für Friedrich und seine Mitstreiter steht fest: "Wir können jeden Beschluss jetzt ablehnen. Wenn wirklich Bedarf an einem Gewerbegebiet ist, dann können wir schnell reagieren. Und es muss auch nicht unbedingt auf dem Flugfeld sein."

Hubert Lachenmaier konterte an dieser Stelle: "Wir haben im Bezirksbeirat hart diskutiert. Sind jedoch zu der Meinung gekommen, dass wir den Abwägungsprozess auch noch später vorantreiben können. Nur, wenn wir die Planänderung heute ablehnen, dann bleibt das so wie es ist." Die Idee des Bezirksbeirates: Wir sagen Ja zum Regionalplan und sehen später weiter. Wir halten uns jetzt mal nur die Tür auf. Später wird abgewogen – mit allen Aspekten.

Aus diesem Meinungsbild wurde ein Wortduell, das in die direkte Frage an Lachenmaier, dem Friedrich obermessdienerhaftes Verhalten vorwarf, mündete: "Was stört dich an unseren Anmerkungen?" Der antwortete: "Ich finde es bedauerlich, dass wir diese Diskussion führen. Rottenburg ist für uns in dieser Phase völlig egal. Unsere Aufgabe ist es nicht, der Stadt Rottenburg zu sagen, was wir wollen."

Martin Kramer meldete sich auch noch zu Wort. Er glaubt, dass einige Formulierungen in der Stellungnahme irreführend sind. "Das kann man nicht richtig deuten und die Bürger können einen falschen Eindruck bekommen. Das ist keine bürgerfreundliche Darstellung", sein Eindruck Trotzdem sei es für ihn unklar, woran es liegt, dass die Parteien nicht zusammenkommen.

Der Grund dafür war bei genauer Draufsicht schnell gefunden. Man war auf ein Diskussions-Karussell aufgesprungen und drehte sich mit den Wortklaubereien, wie Jöchle einige Ansätze nannte, ständig im Kreis. Jeder wollte Recht haben.

Anmerkungen wie die von Winfried Seele, der glaubt, dass durch ein Gewerbegebiet "Am Flugfeld" kein einziger Lastwagen mehr als bisher durch Eutingen und Bildechingen fährt, sorgten für etwas ironische Heiterkeit, doch letztendlich blieb alles wie von Verwaltungsseite vorgegeben.

Die Räte folgten mit neun Ja-Stimmen bei fünf Gegenstimmen dem Verwaltungsvorschlag zur Stellungnahme an den Regionalverband Neckar-Alb in seiner ursprünglichen Form. Dabei richteten sich die Gegenstimmen nicht gegen die Umwidmung des Geländes, sondern kamen nur deshalb zustande, weil man ihrem "Rebell-Papier" nicht folgte.

We itere Informationen: Den genauen Wortlaut der Stellungnahme von Eutingen an den Regionalverband Neckar-Alb findet man auf der Web-Seite der Gemeinde Eutingen www.eutingen-im-gaeu.de/de/rathaus-gemeinderat/kommunalpolitik/rats-informationssystem und dort unter Sitzungen und Vorlagen, Gemeinderatssitzung Punkt 3 (TOP 3: Stellungnahme der Gemeinde zur 5. Regionalplanänderung Neckar-Alb)