Das Foto zeigt das Hochzeitspaar (sitzend) Robert Maurer und seine Frau Katharina, geborene Sökler, im Jahr 1911. Foto: privat

Vor 100 Jahren geschah ein schreckliches Unglück. Ortshistoriker fasst Tat für Jahresbuch des Landkreises zusammen.

Eutingen - Wenn ein schlimmes Verbrechen mit unglaublicher Brutalität passiert, wird es oft auf die heutige Zeit geschoben. Dass auch früher solche Untaten ebenso geschahen, zeigt eine Geschichte, die sich auf den Tag genau vor 100 Jahren ereignet hat. Diese Geschichte hat Eutingens Ortshistoriker Willi Schaupp für das Jahresbuch des Landkreises zusammengefasst. Die Geschichte verdeutlicht, dass Schaupp viele Stunden für das Lesen, Recherchieren und Zusammentragen aufgewendet hat.

Mit der Überschrift »Totschlag und Brandstiftung – Vor hundert Jahren kam es in Eutingen zu einem schweren Verbrechen« zieht sie den Leser in ihren Bann.

Ein weiteres Indiz für ein Verbrechen, zeigt die Geschichte auf

Anfangs wird von einem normalen Mittwochabend in Zeiten des Ersten Weltkrieges berichtet. »Da läuteten die Kirchenglocken Sturm. Jeder im Dorf wusste, dass irgendwo im Ort ein Feuer ausgebrochen sein musste«, heißt es in der Erzählung. Das Wohn- und Ökonomiegebäude von Josef Sökler, der an der Hauptstraße Richtung Bildechingen wohnte, brannte aber nicht nur.

Zuvor wurden die 64-jährige Frau des Hauseigentümers, Magdalena Sökler, und ihre zweijährige Enkelin Maria Maurer, Tochter von Robert und Katharina Maurer, Opfer eines Verbrechens. Die beiden lagen blutüberströmt und bewusstlos in der Schlafstube, aus der sie von der Feuerwehr gerettet werden konnten.

Josef Sökler eilte aus dem Wirtshaus und wollte noch seine Wertgegenstände vor dem Feuer retten, doch diese befanden sich nicht mehr im Haus. »Ein weiteres Indiz für ein Verbrechen«, zeigt die Geschichte auf.

Willi Schaupp fand über Schilderungen der Tat und des Schwurgerichtsprozesses in der Zeitung und über den Zeitzeugenbericht des Pfarrers Nägele Näheres heraus: Der 18-jährige Schneider August Hildebrand, Sohn des im Jahr zuvor verstorbenen Landjägers, war Hornist bei der Feuerwehr und hatte den Feueralarm ausgelöst.

Er gab an, dass er beim Brand die Beute des Brandstifters gefunden habe. In seiner Tasche befanden sich die gesuchten Briefumschläge mit Papieren und Fotografien, ein Holzkästchen mit serbischen Zinsscheinen und der Revolver des Hauseigentümers Josef Sökler. Das lenkte den Verdacht auf den Alibi-losen Hildebrand, weshalb er von der Polizei festgenommen wurde. Zwei Tage später fand diese in seinem Holzschopf die restlichen Wertpapiere und ein Beil mit Blutspuren. August Hildebrand leugnete trotzdem, die Tat begangen zu haben.

Er kam zunächst ins Horber und später ins Rottweiler Gefängnis. Nach der gerichtlichen Rekonstruktion soll Hildebrand mit einem Beil in das Haus eingedrungen sein, um Wertgegenstände zu rauben.

Wahrscheinlich hatte er dabei Magdalena Sökler und ihre Enkelin Maria Maurer entdeckt, die ihn erkannt haben. Mit dem Beil habe er Magdalena Sökler ins Gesicht geschlagen und ihr dabei die Lippen und die Zunge gespalten. Anschließend soll er ihr solange auf den Kopf gehauen haben, bis sie bewusstlos wurde. Auch dem Kleinkind habe er den Schädel zertrümmert und anschließend das Haus angezündet, um die Tat vertuschen zu können. Bezeugen konnte keiner die Tat. Der Eutinger Oberamtsarzt hatte zwar die Lippen und Zunge von Magdalena Sökler genäht und sie so versorgt, dass sie wieder zu Bewusstsein kam. Doch infolge der Schläge auf den Hinterkopf wusste sie nichts mehr von der Tat.
Indizien waren für die Richter ausschlaggebend

Am 8. Januar 1916 erlag sie ihren schweren Verletzungen. Die Enkelin Maria Maurer starb zwei Tage nach der Tat. Bei den Vernehmungen behauptete August Hildebrand, er sei nicht im Haus gewesen. Die Wertgegenstände habe er beim Brandplatz gefunden. Die Wertgegenstände, die in seinem Schopf gefunden wurden, habe der Täter dorthin gelegt, um ihn zu belasten.

Die Blutspuren am Beil würden von einem Huhn stammen, das seine Mutter am Tag zuvor geschlachtet habe. Da sich keine Zeugen fanden, waren für die Richter die Indizien ausschlaggebend. Außerdem hatte Hildebrand als Schüler kleinere Diebstähle begangenen und war während seiner Lehrzeit wegen Diebstahls auf Bewährung verurteilt.

In der Pfarrchronik fand Schaupp nähere Schilderungen zu einem Ausbruchversuch von August Hildebrand während der Untersuchungshaft im Rottweiler Gefängnis: Der Tatverdächtige wollte zusammen mit einem Italiener fliehen, was aber misslang. Der Komplize sagte aus, dass August Hildebrand sagte, er würde den Wächter niederschlagen. Schließlich habe er schon einmal »einer eins auf den Rüssel gegeben.« Anhand der Indizien wurde August Hildebrand am 3. August 1916 wegen schweren Raubs unter Verursachung des Todes von Menschen und wegen Brandstiftung zu 15 Jahren Zuchthaus, zehn Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt.

Bis in die 1930er-Jahre bekam der Gemeinderat Anträge, die zahnärztlichen Behandlungen von Hildebrand zu übernehmen. Diese lehnte er mit der Begründung ab, Hildebrand habe in »entmenschlichter Weise seinem Opfer mit dem Beil die Zähne zerschlagen.« Hildebrands Mutter zog im März 1916 aus Eutingen weg. Noch lange erinnerte die Brandruine an das schreckliche Ereignis.