Jean-Claude Juncker auf dem Weg zum gemeinsamen Essen der Staatsoberhäupter in Brüssel. Foto: dpa

Die Konservativen haben die Europawahl gewonnen – und beanspruchen den Posten des EU-Kommissionschefs. Doch zunächst sind die EU-Staats- und Regierungschefs an der Reihe.

Brüssel - Zwei Tage nach den Europawahlen ist der Machtkampf um die Top-Jobs in der EU voll im Gang. Wenige Stunden bevor die Staats- und Regierungschefs am Dienstag zu einem Gipfeltreffen nach Brüssel kamen, stellten sich die Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament hinter den Wahlsieger Jean-Claude Juncker. Man habe ihm ein „klares Mandat“ erteilt, mit allen politischen Gruppen zu verhandeln, sagte der Chef der Sozialdemokraten, Hannes Swoboda.

Juncker braucht mindestens 376 der 751 Stimmen, um von den Volksvertretern zum neuen Kommissionspräsidenten gekürt zu werden. Bei der Sitzung war auch sein Gegenspieler Martin Schulz, der für die Sozialdemokraten ins Rennen gegangen war, anwesend. Schulz habe seine Ambitionen zunächst zurückgestellt, hieß es nach dem Treffen.

Der Beschluss kommt einer Kampfansage gleich. Der Lissabonner Vertrag sieht zwar vor, dass der Nachfolger von José Manuel Barroso ab 1. November „im Lichte des Wahlergebnisses“ von den Chefs vorgeschlagen werden muss. Im Parlament befürchtet man allerdings, dass die Staatschefs und Regierungschefs sich über die Klausel hinwegsetzen, weil in dem Kreis weder Schulz noch Juncker uneingeschränkt Unterstützung finden.

Vor allem der britische Premierminister David Cameron und der ungarische Regierungschef Viktor Orbán gelten als Gegner des früheren Euro-Gruppen-Chefs Juncker. Beide könnten zwar überstimmt werden, da zur Nominierung eines neuen Kommissionspräsidenten lediglich eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist.

Tatsächlich gilt Juncker in den Reihen der ehemaligen Kolleginnen und Kollegen im Regierungsamt – der frühere luxemburgische Premier war selbst 18 Jahre Teilnehmer an EU-Gipfeln – als Vertreter einer harten Sparlinie. Genau die wollen aber zumindest Cameron und Frankreichs Staatspräsident François Hollande auf den Prüfstand stellen. „Wir brauchen keinen Sparzwang, sondern Wachstum“, hatte Hollande am Montagabend in einer Fernsehansprache gesagt, nachdem seine Sozialisten am Sonntag weit abgeschlagen hinter dem rechtsnationalen Front National gelandet waren. Cameron unterstützt ihn in diesem Punkt und will ebenfalls erreichen, dass die bereits beschlossenen Instrumente und Auflagen zur strikten Haushaltssanierung gelockert werden, bis sich die Wirtschaften vollständig erholt haben.

Bei dem Gipfeltreffen am späten Abend in Brüssel unterstützten dann aber mehrere Staats- und Regierungschefs parteiübergreifend die Kandidatur Junckers für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: „Jean-Claude Juncker ist unser Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten.“ Die Staatenlenker gaben EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy den Auftrag, mit dem Europaparlament in den kommenden Wochen über die Nachfolge von Kommissionschef José Manuel Barroso zu verhandeln. „Ich habe ein Mandat bekommen, um diese Verhandlungen im Auftrag des (Europäischen) Rates zu führen“, so Van Rompuy.

„Wir wissen dass keine Parteiengruppe alleine eine Mehrheit hat. Das heißt, es wird darum gehen, eine breite Mehrheit zu finden“, so Kanzlerin Merkel. Auch ihr österreichischer Kollege Werner Faymann, ein Sozialdemokrat, sprach sich deutlich für den Luxemburger Konservativen aus: „Jean-Claude Juncker ist für mich Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten.“

Die Kandidatenkür dürfte sich noch hinziehen, weil der EU-Kommissionschef nur einer von mehreren Spitzenposten auf EU-Ebene ist. Dazu gehören der EU-Ratsvorsitzende, der die EU-Gipfel leitet, der EU-Außenbeauftragte und möglicherweise auch ein hauptamtlicher Chef der Euro-Finanzminister.