Am 9. Juni wählen die Bürger hierzulande die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Wer die Spitzenkandidaten der deutschen Parteien bei der Europawahl sind – und wer die Herausforderer der aktuellen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Alle fünf Jahre wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union ein neues EU-Parlament, die Versammlung von Politikerinnen und Politikern aus allen Ländern der Europäischen Union. In diesem Jahr ist es wieder soweit.
Rund 350 Millionen Menschen sind zwischen dem 6. und 9. Juni bei der Europawahl aufgefordert, Parteien zu wählen, die dann ihre Kandidaten in das Parlament schicken dürfen. Dafür haben die einzelnen Parteien Spitzenkandidaten auserkoren.
Im Zuge der Europawahl wird in diesem Jahr zum zweiten Mal auch über den Präsidenten oder die Präsidentin der Europäische Kommission bestimmt. Nach der Wahl ist es eine der ersten Aufgaben des neu gewählten Parlaments diesen oder diese zu wählen.
Wer kandidiert in diesem Jahr für das Amt? Was macht die EU-Kommission überhaupt? Und wer sind die Spitzenkandidaten der deutschen Parteien für das EU-Parlament?
Was macht die EU-Kommission?
Die Europäische Kommission ist das ausführende Organ der EU, also die politisch unabhängige Exekutive. Sie vertritt den Wert der Gleichheit innerhalb des Institutionsgefüges der EU. Die Kommission besteht aus 27 Mitgliedern – jeder Mitgliedstaat stellt eines.
Sie ist allein zuständig für die Erarbeitung von Vorschlägen für neue europäische Rechtsvorschriften und setzt die Beschlüsse des Europäischen Parlaments und des Rates der EU um. Aufgrund ihrer Exekutivkompetenzen wird die Funktion der Kommission oft mit der einer Regierung verglichen. Ihr Sitz ist in Brüssel, die Amtszeit der EU-Kommission beträgt fünf Jahre
Präsident oder Präsidentin der EU-Kommission
An der Spitze der Europäischen Kommission steht der Präsident oder die Präsidentin – bislang die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen. Der Präsident oder die Präsidentin wird vom Europäischen Rat vorgeschlagen und von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt. Berücksichtig werden müssen dabei die Ergebnisse der Wahl zum EU-Parlament. Zudem muss diesen den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin der Kommission mit absoluter Mehrheit bestätigen.
Das Amt des EU-Präsidenten oder des EU-Präsidentin ist mit viel Macht und Einfluss ausgestattet. So bestimmt er oder sie etwa die politischen Leitlinien, nach denen die Kommission arbeitet. Auch entscheidet sie oder er wie die Kommission organisiert ist und welche Aufgabenbereiche die einzelnen Kommissionsmitglieder übernehmen. Die Nominierung der einzelnen Kommissare liegt allerdings bei den Nationalstaaten.
Außerdem vertritt der Präsident oder die Präsidentin die EU-Kommission bei den Sitzungen des Europäischen Rates, bei den G-7 und G-20-Treffen und bei Verhandlungen mit Nicht-EU-Ländern – genau wie bei wichtigen Debatten im Europäischen Parlament oder im Europäischen Rat.
Wer erhält den Vorsitz der Europäischen Kommission?
Wer an der Spitze der EU-Kommission steht, hat also einen der mächtigsten Jobs der Welt. Die europäischen Parteien haben Spitzenkandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vorgeschlagen. Eine Übersicht:
Europäische Volkspartei (EVP): Die aktuelle Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
In der aktuellen Amtsperiode (2019-2024) hat die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen das Amt der Präsidentin der Kommission inne. Die 65-jährige CDU-Politikerin strebt eine zweite Amtszeit an, ihr werden dabei gute Chancen zugesprochen.
Von der Leyen wurde im März zur Spitzenkandidierenden der europäischen Konservativen (EVP) gewählt. Zu Parteienfamilie der EVP gehören neben der CDU und CSU unter anderem auch die österreichische ÖVP, die italienische Forza Italia oder Spaniens konservative Volkspartei PP. Die frühere Verteidigungsministerin bewirbt sich also für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission und nicht um einen Sitz im Europäischen Parlament. Das wird unter anderem von einigen Grünen Europaabgeordneten kritisiert.
Außerdem verweisen Kritiker der Politikerin und Mutter von sieben mittlerweile erwachsenen Kindern etwa auf ihr Agieren rund um den „Pfizer-Deal“. Das war ein milliardenschweren Ankauf von Impfstoffen, den von der Leyen als Kommissionspräsidentin durch SMS-Textnachrichten mit Pfizer-Chef Albert Bourla ausgehandelt haben soll. In diesem Zusammenhang wurde auch ermittelt, zu einer Anklage kam es bisher nicht.
Der CDU-Bundesvorstand nominierte von der Leyen, die vor ihrer Politik-Karriere als Medizinerin arbeitet, am 19. Februar 2024 als Spitzenkandidatin für die Europawahl 2024. Auch die CSU unterstützt ihre Nominierung für eine erneute Amtszeit.
Sozialdemokraten (S&D): EU-Arbeitskommissar Nicolas Schmit
Die Sozialdemokraten schicken den luxemburgischen EU-Kommissar Nicolas Schmit in den Wahlkampf. Der 70-Jährige ist bislang noch weitgehend unbekannt. Er wurde auf dem Parteitag im März 2024 zum Spitzenkandidaten der EU-Sozialdemokraten (SPE) gewählt. Laut Umfragen gilt der ehemalige Arbeitsminister von Luxemburg als der wichtigste Herausforderer für Ursula von der Leyen.
Schmit setzte sich in seiner Amtszeit unter anderem für EU-weite Standards für den Mindestlohn und für mehr Rechte für Beschäftigte sogenannter Plattformfirmen wie Uber und Co ein. Er hat die Unterstützung der deutschen SPD – auch wenn Katarina Barley, die den SPD-Europawahlkampf anführt, ebenfalls zwischenzeitlich als europaweite Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten im Gespräch war.
Grüne: Europaabgeordnete Terry Reintke (Deutschland) und Bas Eickhout (Niederlande)
Die europäischen Grünen schicken zwei Spitzenkandidaten ins Rennen. Auf diese haben sie sich auf ihrem Parteikongress in Lyon am 3. Februar festgelegt. Terry Reintke aus Deutschland und Bas Eickhout aus den Niederlanden werden das europäische Parteienbündnis in die Europawahl 2024 führen, teilte die Europäische Grüne Partei (EGP) mit.
Reintke sitzt bereits seit 2014 im Europaparlament, seit einem Jahr ist die 37-Jährige Co-Vorsitzende der Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz. Die gebürtige Gelsenkirchenerin streitet im Parlament neben Klimapolitik auch für die Rechte von Frauen und LGBTQ-Menschen.
Der niederländische Europaabgeordnete Bas Eickhout führte im EU-Parlament die Verhandlungen für strengere CO2-Ziele für Lkw und Busse. Der 47-Jährige trat für die Europawahl 2019 zusammen mit Ska Keller als Co-Spitzenkandidat der europäischen Grünen an. Diese umfassen mehr als 30 grüne Parteien aus der EU. Derzeit bilden sie zusammen mit der Europäischen Freien Allianz die viertstärkste Fraktion im Europaparlament.
Die Grünen-nahe Europäische Freie Allianz hat mit Maylis Roßberg aus dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) zudem eine eigene Kandidatin aufgestellt.
Liberale (Renew): FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Die deutsche FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wurde im März 2024 von der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament auf dem Parteikongress der ALDE-Partei als liberale Spitzenkandidatin für die Europawahl gewählt. Strack-Zimmermann ist zudem Spitzenkandidatin der deutschen FDP für die Europawahl.
Hierzulande ist die 66-Jährige für ihre Streitlust bekannt. Mit rhetorischen Angriffen zum Beispiel auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Zusammenhang mit ihren Forderungen nach mehr Waffenlieferungen für die Ukraine zählt die Politikerin zu den Liberalen, die neben Parteichef Christian Lindner ein eigenes Profil entwickeln konnten. Die gebürtige Düsseldorferin ist aus dem Verteidigungsausschuss im Bundestag bekannt. Neben ihr schicken die Liberalen die Europaabgeordneten Valérie Hayer aus Frankreich und Sandro Gozi aus Italien in den Wahlkampf.
Linke: Walter Baier (Österreich)
Für die Europäische Linkspartei tritt ihr Vorsitzender Walter Baier als Spitzenkandidat an. Der 70-Jährige hatte bislang noch keinen EU-Posten inne. Er ist Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und will die Arbeiterklasse in den Mittelpunkt des Kampfes gegen den Klimawandel stellen. Die Linken gehen allerdings mit zwei getrennten Programmen in den Wahlkampf: dem der Europäischen Linkspartei und dem des französischen Altlinken Jean-Luc Mélenchon.
Die beiden Rechtsaußen-Fraktionen im Europaparlament – die Partei Europäische Konservativen und Reformer (EKR) und die Identität und Demokratie Partei (ID) haben keine Spitzenkandidaten für den Vorsitz der Europäischen Kommission nominiert.
In der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sitzen etwa die nationalkonservative polnische PiS-Partei und die Partei der postfaschistischen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Teil der ID-Fraktion sind bislang sowohl die AfD als auch Frankreichs Rechtspopulisten von Marine Le Pen. Die Partei Rassemblement National (Nationale Sammelbewegung, RN) kündigte jüngst allerdings die Zusammenarbeit mit der deutschen Schwesterpartei auf. Anlass sind verharmlosende Äußerungen aus den Reihen der AfD zur SS. Wie es im Rechtsaußenlager im Europaparlament weitergeht, ist aus diesem Grund offen. Die beiden AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl in Deutschland, Maximilian Krah und Petr Bystron, stehen zudem wegen Vorwürfen der Spionage und der Geldannahme aus Russland unter Druck.
Wer sind die Spitzenkandidaten der deutschen Parteien?
Im Grunde ist die Nominierung von Spitzenkandidaten auf deutscher Ebene nicht von Bedeutung. Der Gedanke, der dahinter steht: der Wahlkampf soll personalisiert werden, die Parteien versuchen ein möglichst prominentes Gesicht auf den Plakaten zu präsentieren – und so Wähler zu mobilisieren.
Dementsprechend haben viele der insgesamt 34 Parteien und sonstige politische Vereinigungen, die für die Europawahl 2024 zugelassen wurden, Spitzenkandidaten oder –kandidatinnen nominiert. Die deutschen Parteien haben folgende Spitzenkandidaten für den 9. Juni aufgestellt:
- Christlich-Soziale Union (CSU) in Bayern: Manfred Weber
- Christlich Demokratische Union Deutschland (CDU): Andrea Wechsler
- Bündnis 90/Die Grünen Deutschland (Grüne): Terry Reintke
- Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD): Katarina Barley
- Alternative für Deutschland (AfD): Maximilian Krah (in Vertretung: René Aust)
- Freie Demokratische Partei (FDP): Marie-Agnes Strack-Zimmermann
- Die Linke: Martin Schirdewan und Carola Rackete
- Bundesvereinigung Freie Wähler: Christine Singer, Engin Eroglu, Joachim Streit, Andrea Menke und Gregor Voht
- Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): der ehemalige Linken-Politiker Fabio De Masi und der ehemalige SPD-Politiker Thomas Geisel
- Die Partei: Martin Sonneborn und Sibylle Berg
- Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei): Sebastian Everding, Aída Spiegeler Castañeda und Robert Gabel
- Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP): Manuela Ripa
- Die Piraten: Anja Hirschel, Anne Herpertz und Lukas Küffner
- Familien-Partei Deutschlands: Niels Geuking, Sarah Drewes und Helmut Geuking
- Volt Deutschland (Volt): Damian Boeselager, Nela Riehl, Kai Tegethoff und Rebekka Müller
- Bündnis Deutschland: Lars Patrick Berg
Daneben treten weitere, kleinere deutsche Parteien bei der Europawahl an.
Die Europawahl am 9. Juni
Am Sonntag, den 9. Juni sind alle stimmberechtigten Bürger Deutschlands aufgefordert, ihr Kreuz zu machen, um das neue EU-Parlament zu wählen – zum ersten Mal sind dann auch Jugendliche ab 16 Jahren gefragt. Gewählt werden 720 Abgeordnete.
Während die EU-Kommission die Exekutive der Europäischen Union und für die Ausarbeitung und Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften zuständig ist, vertritt das EU-Parlament die Interessen der EU-Bürger. Es kümmert sich unter anderem um Gesetze, die in allen EU-Ländern gelten sollen. Es geht es zum Beispiel um Umweltschutz oder Regeln für die Sicherheit von Spielzeug.
Ein Zeitraum, in dem alle Mitgliedstaaten der EU die Wahlen abhalten müssen, wird zunächst durch den Rat der Europäischen Union, der die Interessen der Länder vertritt, festgelegt. Mit Beschluss vom 22. Mai 2023 hat der Rat bestimmt, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme in dem Zeitraum vom 6. bis 9. Juni 2024 abgeben.