Gut in Form: Frankfurts Stürmer Filip Kostic. Foto: IMAGO//Hölter

Seit einem Vierteljahrhundert ist die Bundesliga im zweitwichtigsten Europapokal ohne Titel. Eintracht Frankfurt und RB Leipzig wollen das in der Europa League jetzt ändern.

In der Bundesliga ist der Eintracht-Adler bis ins Niemandsland der Tabelle auf Rang elf abgedriftet – doch in der Europa League hofft die Elf von Trainer Oliver Glasner auf zwei weitere Festabende. „Ich habe das Gefühl, dass ganz Deutschland Eintracht-Fan ist“, sagt der Chefcoach aus Österreich vor der ersten Etappe, wenn es vor 48 000 Fans in der Arena am Stadtwald an diesem Donnerstag (21 Uhr/RTL) gegen West Ham United im Halbfinal-Rückspiel den 2:1-Sieg von London zu verteidigen gilt.

„Es ist das Wichtigste, dass wir uns nicht von der Lobhudelei einlullen lassen“, warnt Glasner: „Wir müssen das Spiel so sehen, wie es ist: ein absolutes Highlight für uns alle, für den Club, für die Stadt, für die Fans.“

Weil im anderen Semifinale RB Leipzig das Hinspiel gegen die Glasgow Rangers 1:0 gewonnen hat und zeitgleich vor 50 000 Fans im Ibrox Stadium bestehen will, wäre gar ein rein deutsches Finale in der lange belächelten Europa League möglich. Das sichere Start-Ticket für den neuen Titelträger in der Champions-League-Runde 2022/23 wäre dann gewiss – genauso wie das Ende einer Durststrecke für die Bundesliga.

Die große Zeit der Eurofighter

Schließlich ist der letzte Erfolg eines deutschen Clubs im Uefa-Cup ein Vierteljahrhundert her: Es war der 21. Mai 1997, als die Eurofighter des FC Schalke 04 von Cheftrainer Huub Stevens mit Olaf Thon, Jens Lehmann, Youri Mulder, Mike Büskens und Co. im Duell mit Inter Mailand Europas zweitwichtigsten Cup letztmals nach Deutschland holten. Der finale Triumph gelang damals im Guiseppe-Meazza-Stadion, wo Marc Wilmots im Elfmeterschießen der entscheidende Treffer vom Punkt gelang.

Das ist lange her: Denn auch die Europa League, seit Sommer 2009 der Nachfolger des Uefa-Cups, entwickelte sich nicht zum deutschen Erfolgsmodell. Lediglich dem Hamburger SV (2010) und der Eintracht (2019) gelang es, ins Halbfinale einzuziehen, wobei hier gegen englische Clubs (FC Fulham und FC Chelsea) das Aus kam. Ohnehin ist die Siegerliste der Europa League ein elitärer Zirkel: Bis auf den FC Porto (2011) wurde der Wettbewerb bislang allein von englischen und spanischen Vereinen gewonnen.

Diesmal ist es aber der europäische Fußball-Mittelstand, der das Szenario auf der Nebenbühne Europas mit viel Tradition und Engagement belebt: West Ham United, die Rangers und die Eintracht in der Europa League, sowie AS Rom, Olympique Marseille, Feyernoord Rotterdam und Leicester City in der klassentieferen Conference League.

Beckenbauer und der „Cup der Verlierer“

Bereits in den neunziger Jahren hatte der Fußballkaiser Franz Beckenbauer den Uefa-Cup als „Cup der Verlierer“ abgetan. Doch aktuell genießt die Bundesliga ihr Hoch. Ist gar das Ende der 25 titellosen Jahre erreicht? Während in der Königsklasse kein deutsches Team mehr vertreten ist, haben sich die Frankfurter mit ihrem Erfolgszug durch Europa inklusive der unvergesslichen Nacht von Barcelona längst ihre eigene Traumwelt geschaffen. Hinzu gesellt sich RB Leipzig, das als Absteiger aus der Champions League zunächst eine Etage tiefer die bestmögliche Ehrenrunde drehen wollte. Unter Trainer Domenico Tedesco („In einem Halbfinale gibt es keine Geschenke“) haben die Sachsen aber auch international frische Energien getankt – und mit dem Finale dicht vor Augen blut geleckt. Auch, weil nach zwei Bundesliga-Niederlagen in Serie bei RB die Qualifikation für die Champions League in Gefahr ist. „Wir haben etwas vor. Wir wollen Großes gewinnen. Die Chance, den DFB-Pokal zu gewinnen und ins Endspiel der Europa League einzuziehen, ist ein Höhepunkt meiner Karriere“, sagt Emil Forsberg über eine mögliche Teilnahme am Finale in Europas zweitwichtigstem Pokal-Wettbewerb, das am 18. Mai in Sevilla angepfiffen wird.

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Doch trotz des neuen deutschen Elans auf der Euro-League-Bühne steht der Wettbewerb weiter klar im Schatten des großen Bruder Champions League, dessen Spielbetrieb gar weiter ausgebaut werden soll. Daher will die Frankfurter Eintracht, die zum Rückspiel gegen West Ham United auch den Uefa-Präsidenten Alexander Ceferin in ihrer Arena begrüßen darf, gemeinsam mit mehreren europäischen Mittelständlern Teile der Champions-League-Reform stoppen. Hier werden von 2024 an 36 statt 32 Teams spielen. Zudem wird die Vorrunde in einem Ligen-System ausgespielt, was ein Plus von 100 zusätzlichen Spielen bedeutet.

„Ich denke, der Unterschied zwischen Europa League und Champions League ist zu groß“, sagt der Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann vor dem Uefa-Kongress am 11. Mai in Wien. „Die Clubs der Champions League werden immer mehr Geld generieren, und eines Tages werden sie versuchen, in eine Super League einzutreten, weil dies die einzige Möglichkeit ist, um ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen“, ergänzt Hellmann: „Und das müssen wir verhindern.“