Auch Mountainbiker setzen zunehmend auf elektrische Unterstützung. Foto: dpa

Auf der Messe Eurobike in Friedrichshafen wird das Rad nicht neu erfunden. Dafür präsentieren die Hersteller viele neue Produkte und Trends.

Friedrichshafen - Deutschland ist nicht nur eine Autonation, sondern auch eine Radnation.“ Ein Satz von Angela Merkel, den die Bundeskanzlerin zur Eröffnung der Eurobike 2013 in Friedrichshafen aussprach und der immer noch gilt. Etwa 72 Millionen Fahrräder besitzen die Deutschen, und das Rad ist längst vom Verkehrsmittel für Kleinverdiener zum Sportgerät, zur Mobilitätsalternative für verstopfte Großstädte und zum Statussymbol hipper Stadtmenschen geworden. Wer was auf sich hält, der zeigt Rad. Das sieht man auch auf der Eurobike in Friedrichshafen, wo 1350 Hersteller etwa 80 000 Besuchern und 2000 Journalisten noch bis zum Sonntag Neuheiten präsentieren.

Weiter im Wachsen ist vor allem der E-Bike-Markt. Der Zweirad-Industrie-Verband rechnet für 2016 mit 560 000 verkauften elektrisch unterstützten Velos, was fünf Prozent mehr wären als vor einem Jahr. Der elektrische Rückenwind kommt immer mehr aus der Schmuddelecke, in die ihn Rad-Traditionalisten zunächst gesteckt haben, für die ein unterstützender Antrieb ein Vergehen wider die Männlichkeit ist. Mittlerweile gibt es sogar schon Rennen für E-Mountainbikes, bei denen am Ende die Leute genauso ausgepumpt sind wie ohne Motor, nur eben schneller unterwegs. Der Trend beim E ist jetzt der Zusatzantrieb für alle Spielarten des Fahrrads. Zu Beginn waren Pedelecs meist hollandradähnliche Alltagsvelos mit einem irgendwo angepappten Motor nebst Batteriekasten. Das ist Geschichte.

E-Bike aus Bambus

Aus Taiwan kommt das erste E-Faltrad für den Großstadtmenschen. Eine Firma aus Kiel bietet 2017 das erste Bambus-E-Bike an, das zusammen mit einem Partner aus Ghana nach Angaben der Firma sozialverträglich produziert wird und mit einem handelsüblichen Mittelmotor ausgestattet ist. Völlig neu ist auch ein über den Akku des E-Bikes betriebenes ABS-System, das von 2017 an zur Verfügung stehen soll. Sinnvoll wäre dies vor allem für E-Mountainbikes, wo sicheres Bremsen in der Abfahrt eine echte Kunst ist. Gerade im Bereich der Mountainbikes nimmt das E rasant zu. Hier ist der Motor mittlerweile ein fast schon übliches Accessoire. Und die Räder sind immer opulenter ausgestattet. Die E-Mountainbikes des deutschen Herstellers Haibike verfügen über ein System, das Fahrdaten an eine App überträgt. Damit wird bei einem Sturz ein Notruf abgesetzt.

Gerade bei Mountainbikes geht der Trend dahin, den Motor so zu integrieren, dass er kaum noch auffällt. Die Akkus werden bereits teilweise im Unterrohr verbaut, dazu kommt ein schlankes Design für die Motorkassette. Kurzum – man sieht das E nicht mehr sofort. Das ist auch die Zukunft beim Zusatzmotor für das Rennrad, in diesem Bereich läuft die Entwicklung aber noch langsam. Rennräder werden eben meist von sportlich orientierten Menschen gefahren, die einen Motor ganz bewusst ablehnen. Dazu kommt, dass der übliche Antrieb nur bis zu einem Tempo von 25 Stundenkilometern arbeitet, die Rennvelos in der Ebene aber oft deutlich schneller gefahren werden – wobei man zusätzlich noch das Gewicht des nicht aktiven Motors bewegen muss. Ein No-Go in einem Bereich, in dem die Käufer für ein paar Gramm weniger Gewicht sehr viel Geld ausgeben.

Batterie und Antrieb im Rahmen versteckt

Trotzdem gibt es E-Rennräder. Der österreichische Pionier Vivax hat nun auch ein E-Velo im Programm, das mit 9,7 Kilo Gesamtgewicht schon sehr nahe am Optimum sein dürfte. Der Antrieb ist übrigens komplett unsichtbar, weil Batterie und Antrieb im Rahmen verbaut sind. Das allerdings ist dann doch bedenklich, da haben die Puristen recht. Man(n) sollte schon noch erkennen können, ob man von einem Paar strammer Waden oder einem Motor überholt wird.

Elektropower zum Nachrüsten

Das eigene Rad als Zwitterwesen – mal als E-Bike, mal normal? Das geht mit einer neuen Technik, dem so genannten Steckantrieb. Etwa 85 Prozent aller gängigen Fahrräder können zum Beispiel mit dem Antrieb der Firma Relo als E-Bike nachgerüstet werden. Dazu wird ein Getriebe mit der Tretachse verbunden und mit dem am Unterrohr abnehmbar installierten Motor und der Batterie verbunden. Der Vorteil: Das System kann man auf- oder abstecken, nimmt man Motor und Akku vom Rad, bleiben lediglich 1,5 Kilo Mehrgewicht für das Getriebe übrig. Auch insgesamt ist der 250-Watt-Antrieb mit 3,7 Kilo relativ leicht, das Anbringen des Getriebes sollte aber auf jeden Fall ein Fachmann machen.

Ebenfalls für fast alle Fahrräder eigenen sich der nachrüstbare, getriebelose Mittelmotor von Binova oder der Hinterradantrieb von BionX. Bei Letzterem wird einfach das Hinterrad gegen ein anderes mit Nabenmotor getauscht, die Batterie ist am Unterrohr befestigt. Wer eine Kettenschaltung selbst einstellen kann, schafft den Wechsel sogar ohne Werkstatt. Zu empfehlen ist das aber nicht.

Für alle Systeme gilt, dass sie mit etwa 2200 Euro plus Montage nicht gerade günstig sind. Für den Preis zuzüglich dem des eigenen, bislang motorlosen Velos bekommt man auch schon ein ganz normales und ordentliches E-Bike. Wer aber auf sein eigenes Rad nicht verzichten will und zudem gerne mal mit oder ohne Motor fahren möchte, für den sind vor allem die schnell wechsel- oder steckbaren Systeme durchaus eine Option. Experten sagen aber, dass ein komplett durchkonzipiertes E-Bike in puncto Fahrkomfort einem nachgerüsteten immer überlegen sei.

Radcomputer: Informationsflut am Lenker

Früher hatte man am Fahrrad einen Tacho, wenn überhaupt. Der zeigte an, wie schnell man fuhr, mit welchem Durchschnittstempo und wie weit. Heute geht der Trend zum Bordcomputer, der Dinge ermitteln kann, von denen die meisten nicht mal wissen, dass sie sie interessieren könnten. Der Bosch Nyon Radcomputer für E-Bikes ist zum Beispiel gleichzeitig ein Navigationsgerät und ein Fitnesstracker, der Puls und Kalorienverbrauch misst und auch noch meldet, wenn auf dem Handy eine neue Nachricht eingeht.

Im Selbstversuch gelingt eine vorher einprogrammierte 50-Kilometer lange Runde über den ehemaligen Truppenübungsplatz bei Münsingen problemlos. Das Navi zeigt ständig die voraussichtliche Restreichweite der Batterie und noch viele andere Werte an. Ob man das alles wirklich braucht, muss jeder für sich entscheiden. Bei Preisen von bis zu 500 Euro müssen einem die zusätzlichen Infos schon ein bisschen was wert sein. Für Räder ohne E-Antrieb gibt es spezielle Navis zum Beispiel von TomTom oder Garmin. Manchen geht die Aufrüstung am Fahrradlenker offenbar zu weit – oder: kein Trend ohne Gegentrend. Auf der Eurobike präsentiert Bosch auch das neue Display Purion – wie der Name sagt, ein puristisches, kleines Teil für den sportlich interessierten Fahrer, ganz ohne Navi oder Fitnesstracker. Fast wie der gute alte Tacho von früher.

Gravelbike: Das Rennrad zum Abbiegen

Mit Blindheit per Definition geschlagen, dennoch nicht unsichtbar, präsentiere ich mich als unbeachtetes und ungeliebtes Stiefkind zeitgenössischer Literatur. Mit Blindheit per Definition geschlagen, dennoch nicht unsichtbar, präsentiere ich mich als unbeachtetes und ungeliebtes Stiefkind zeitgenössischer Literatur. Mit Blindheit per Definition geschlagen, dennoch nicht unsichtbar, präsentiere ich mich als unbeachtetes und ungeliebtes Stiefkind zeitgenössischer Literatur. Allein der Anblick eines normalen Rennrads löst bei manchen Menschen heftige Rückenschmerzen aus. Vor allem die Sitzposition ist, wenn man es richtig macht, extrem: der Sattel deutlich höher als der Lenker, im Profibereich bis zu 20 Zentimeter. Zudem sind die dünnwandigen, schmalen Reifen nur für Asphalt geeignet. Einmal Waldweg heißt mit ziemlicher Sicherheit: Plattfuß. Ein Trend sind daher so sogenannte Gravelbikes (das englische Wort Gravel bedeutet Schotter). Das sind Mischformen zwischen einem Renn- und einem Crossrad, mit denen man durchaus sportlich auf der Straße fahren kann, aber auch abseits einer asphaltierten Piste und in einer etwas entspannteren Position unterwegs sein kann. Im Marketingdeutsch beschreibt man das als „das Rennrad zum Abbiegen.“

Gravelbikes unterscheiden sich durch einen etwas längeren Radstand für einen ruhigen Geradeauslauf, breitere Reifen und Scheibenbremsen von herkömmlichen Rennrädern und finden mehr und mehr ihren Weg von den USA nach Europa. Die Räder gibt es in einfacher Ausstattung von 1200 Euro an, nach oben gibt es wie beim Rennrad fast keine Grenzen. Wer jetzt auf die Idee kommt, einfach sein Rennrad mit breiteren Reifen auszustatten und das wäre es dann, der hat fast immer Pech. Bei den meisten Rennrädern eigen sich dafür weder Rahmen noch Bremsen.