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Ungeachtet der Diskussionen will DFB-Präsident Niersbach am Gastgeberland Ukraine festhalten.

Frankfurt/Main - Deutschland steht als Ersatzausrichter für die Fußball-EM nicht zur Verfügung. Ungeachtet der heftigen Diskussionen über den umstrittenen Turnier-Gastgeber Ukraine lehnte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach eine entsprechende Rolle am Dienstag erneut kategorisch ab. „Mit dem Gedanken einer Verlegung nach Deutschland beschäftigen wir uns keine Sekunde“, sagte Niersbach. „Die Menschen in der Ukraine haben diese EM verdient.“

DOSB-Präsident Thomas Bach reagierte sogar empört auf entsprechende Forderungen aus der Politik. Dies sei „keine Option“, erklärte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). „Die Forderung zeugt von großer internationaler Respekt- und Instinktlosigkeit, weil sie über die Köpfe selbst des Mitgastgeberlandes Polen aber auch der anderen europäischen Nationen und des Veranstalters UEFA hinweg erhoben wird“, schimpfte Bach, auch Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Bach: Boykotte sind sinn- und erfolglos

Bereits in der vergangenen Wochen hatte der deutsche Ober-Olympier auch einem Boykott der EM in der Ukraine eine deutliche Absage erteilt und auf negative Beispiele in der Vergangenheit verwiesen. „Die Geschichte zeigt, wie sinn- und erfolglos Boykotte sind. Diese Einschätzung wird zwischenzeitlich allgemein geteilt.“ Niersbach schloss sich dem an. „Eine Absage der EM bringt ebenso wenig wie der Boykott vergangener Sportveranstaltungen.“

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, hatte Spekulationen über die Verlegungen der EM-Spiele aus der Ukraine nach Deutschland weiter angeheizt. „Bereits vor mehr als einem Jahr haben sich Vertreter von Uefa, DFB und Bundesinnenministerium an einen Tisch gesetzt, um ein Krisen-Szenario zu entwickeln“, sagte Witthaut der „Bild am Sonntag“. Er sprach sogar davon, dass bereits ein „Alternativplan“ in der Schublade liege.

Sowohl beim DFB als auch im Bundesinnenministerium sind solche Pläne allerdings nicht bekannt. Uefa-Turnierdirektor Martin Kallen hatte am Montag deutlich gemacht, dass ein kurzfristiger Wechsel von Spielen nach Deutschland oder in andere Länder ohnehin nicht möglich sei. „Das bekäme man in so kurzer Zeit nicht hin“, stellte Kallen in der „Süddeutschen Zeitung“ klar. Sollte die EM generell nicht durchführbar sein, „gäbe es nur eine Möglichkeit: Dann müsste man an eine Verschiebung des Turniers denken, in ein anderes Jahr.“

Niersbach: EM ist Chance für mehr Demokratie

Niersbach sieht in der Austragung in der Ukraine sogar eine Chance, die Situation der Menschenrechte in dem osteuropäischen Land zu verbessern. „Das Medienereignis Euro 2012 bietet die einmalige Chance, neben der Berichterstattung über den Fußball auch die Missstände in der Ukraine anzuprangern“, sagte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Der Europäsche Fußballverband erhöhte derweil den Druck auf die Ukraine. Bei einem Treffen am Montag, an dem neben Uefa-Präsident Michel Platini auch Regierungsvertreter aus Polen und der Ukraine sowie die Präsidenten der beiden nationalen Fußball-Verbände und Turnierdirektoren teilnahmen, habe sie die Delegation des Co-Gastgebers auf die „von europäischen Politikern und Medien geäußerten Bedenken“ aufmerksam gemacht, teilte die Uefa mit.

Gleichzeitig bekräftigte der Verband seine Sicherheitsgarantie für das Turnier vom 8. Juni bis 1. Juli. Man habe von den Regierungen beider Ausrichterländer „die eindeutige Zusicherung, dass alle für die Sicherheit der Besucher - von den Fans bis hin zu den Spielern - notwendigen Maßnahmen ergriffen“ worden seien.

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger will der Ukraine trotzdem fernbleiben. „Ich selbst habe entschieden, keine Spiele in der Ukraine zu besuchen, weil ich es nicht gut finde, was dort politisch passiert“, sagte Zwanziger, auch Mitglied der Uefa-Exekutive.

Die Uefa war durch die politische Situation in der Ukraine in die Kritik geraten. Die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko sitzt im Spielort Charkow in Haft. Sie gilt als Opfer politischer Rachejustiz im Auftrag des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.