Tauschten sich zum TigeR-Modell aus (von links): Sybille Krauss, Yasemin Krauss und Elfriede Stephan.Foto: Ortmann Foto: Schwarzwälder Bote

Tagespflege: Bei den "Eulenkindern" in Rotfelden wird eine lebensnahe und familienähnliche Betreuung angeboten

Yasemin und Sybille Krauss betreiben eine von nur einer handvoll Kindertagespflegestellen im Landkreis Calw, die "Tagespflege in anderen geeigneten Räumen", genannt "TigeR", anbietet. Die Kinder lernen bei den beiden Tagesmüttern schon im jungen Alter, selbstständig zu sein.

Ebhausen-Rotfelden. Schon das Schild am Eingang weist auf die sogenannten "Eulenkinder" hin. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein gewöhnliches Wohnhaus – geht man jedoch die Treppe nach oben, gelangt man an einen Ort, der nur den Kindern vorbehalten ist. Sybille Krauss bietet dort zusammen mit Schwiegertochter Yasemin bis zu 15 Betreuungsplätze für Kinder im Alter von elf Monaten bis drei Jahren an. Die Räumlichkeiten sind – so die Besonderheit von "TigeR" – genau an die Kinder angepasst. Egal ob beim Brand- oder Gesundheitsschutz – bei allem gibt es genaue Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Die Betreuung ist zudem nur erfahrenen Tagesmüttern oder pädagogischen Fachkräften gestattet.

Der Alltag bei den "Eulenkindern" ist strukturiert. Ab 7 Uhr wird die Betreuung angeboten; um 8.30 Uhr beginnt die Frühstückszeit. Anschließend ist es – wie könnte es bei so vielen Kindern anders sein – sehr belebt in den Räumen. Überall darf gespielt werden. Neben altersentsprechendem Spielzeug wie Puppen oder Bauklötzen kommen die Kinder auch regelmäßig mit Alltagsmaterial wie Schrauben oder Farben in Kontakt. Damit wird die Betreuung lebensnah gestaltet und auch die Motorik der Kinder soll schon in jungen Jahren gefördert werden. "Kinder kommen bei uns auf geniale Ideen", sagt Yasemin Krauss.

Für das Mittagessen wird in einer eigenen Küche täglich frisch gekocht. "Die Kinder essen bei uns fast alles. Wenn es der eine isst, isst es der andere auch", sagt Sybille Krauss. Bei der Vorbereitung des Mittagessens werden die Kinder regelmäßig mit einbezogen – und helfen dabei, den Tisch zu decken oder die Spülmaschine auszuräumen. "Kinder können so viel, man unterschätzt es", betont Yasemin Krauss. Die Heranwachsenden sollen daher schon früh lernen, selbstständig zu sein. Mit Erfolg: Die Tagesmütter erzählen von einem Kind, das im Alter von eineinhalb Jahren zu den "Eulenkindern" gekommen ist. Zunächst war es überhaupt nicht gewohnt, von Zuhause weg zu sein – doch nach einiger Zeit war das Kleinkind "wie ausgewechselt", sagen Yasemin und Sybille Krauss. Auch die Mutter musste begeistert feststellen: "Es ist ein anderes Kind!" Egal ob Schwierigkeiten beim Einschlafen oder beim Essen – bei den "Eulenkindern" treten diese Probleme nur selten auf: "Die Kinder öffnen sich bei uns", sagt Yasemin Krauss.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen ist Schlafenszeit. Im Bewegungs- und Schlafraum hat jedes Kind ein eigenes Bett. Und auch dort wird regelmäßig gespielt – auch wenn es manchmal nur eine Luftpolsterfolie ist, an der sich die Kinder vergnügen. Man könnte also meinen, dass dort durchaus Unruhe herrscht – doch im Gegenteil: "Nach dem Mittagessen schlafen alle tief und fest", erzählen die Tagesmütter. Die Schlafgewohnheiten der Kinder von Zuhause werden dabei übernommen. "Es wird individuell auf jedes Kind eingegangen", sagt Yasemin Krauss. Es geht darum, ein familiäres Umfeld zu schaffen. "Die Familiensituation zeichnet die Tagespflege aus", erklärt denn auch Elfriede Stephan, erste Vorsitzende des Evangelischen Tageselternvereins im Landkreis Calw.

Wer "TigeR" anbietet, muss professionell aufgestellt sein – sowohl wirtschaftlich, als auch pädagogisch. "Ein guter Businessplan ist die Voraussetzung", erklärt Stephan. Doch selbst der ist manchmal nicht genug, wenn Unvorhergesehenes eintritt – wie zum Beispiel die Corona-Pandemie. "Es wird normalerweise gut und auskömmlich verdient, doch Corona hat einige vorgedachte Anmeldungen zurückgeworfen", sagt Stephan. Daher habe es für Tagesmütter auch Monate gegeben, in denen nichts verdient worden sei – das Risiko der Selbstständigkeit. Yasemin und Sybille Krauss betonen daher: "Wegen dem Geld machen wir es nicht." Denn die Betreuungszeit endet zwar um 15 Uhr – doch die Arbeit der Tagesmütter ist damit noch lange nicht beendet. Neben Büroarbeit stehen auch regelmäßig Elterngespräche auf dem Programm. "Eine gute Kooperation ist wichtig", betont Yasemin Krauss. Den Eltern wird mitgeteilt, was in der Tagespflege gemacht wurde, damit diese Zuhause direkt daran anknüpfen können.

Interessierte können die Räumlichkeiten nach Absprache besichtigen. "Man muss es erleben", sagen Yasemin und Sybille Krauss. Auch die Gemeinderäte haben die beiden bei einem Besuch vor Ort davon überzeugen müssen, das Projekt zu unterstützen. Mit Erfolg. Vor einigen Wochen feierte die Tagespflegestelle ihren ersten Geburtstag. Und auch weiterhin wird – so die Besonderheit von "TigeR" – an 365 Tagen im Jahr Kinderbetreuung angeboten.

Kindertagespflege ist ein Betreuungsangebot für Kinder im Alter von null bis 14 Jahren. Neben den anderen geeigneten Räumen, die speziell für die Kinder eingerichtet werden, kann die Betreuung auch im Haushalt der Tagespflegeperson oder dem der Eltern des Tageskindes erfolgen. In jedem Fall haben die Tagespersonen eine Qualifizierung absolviert, um eine zuverlässige und qualitativ hochwertige Betreuung zu gewährleisten. Der Evangelische Tageselternverein im Landkreis Calw bildet interessierte Frauen und Männer zu Tagespersonen aus. Bei Interesse, selbst Tagesmutter oder Tagesvater zu werden: Fachdienst Kindertagespflege, Landratsamt Calw: Silvia Murphy oder Martina Haag, Telefon 07051/160-146, Email: silvia.murphy@kreis-calw.de oder martina.haag@kreis-calw.de.