Die Proteste in Ägypten nehmen kein Ende. Foto: dpa

Die Machthaber in Kairo verbitten sich Kritik aus dem Westen. Sie drohen den Muslimbrüdern mit einer Politik der eisernen Faust. Aber die Islamisten geben nicht klein bei. Am Sonntag sterben bis zu 40 Menschen bei einem versuchten Gefangenenausbruch.

Kairo - Ägypten droht ein langer und blutiger Machtkampf zwischen der islamistischen Muslimbruderschaft und der vom Militär eingesetzten Übergangsregierung. Die neuen Machthaber in Kairo wollen sich auch durch Kritik westlicher Geberländer nicht von ihrem harten Kurs gegen die entmachteten Muslimbrüder abbringen lassen. Sie kündigten am Wochenende eine Politik der „eisernen Faust“ an und diskutierten über ein Verbot der Islamisten-Organisation. Die Islamisten-Bewegung mobilisierte am Sonntag erneut Tausende von Anhängern, die gegen den „Militärputsch“ demonstrierten. Die EU will ihre Beziehungen zu Ägypten überprüfen.

Bei einer Geiselnahme während eines Ausbruchs von festgenommenen Muslimbrüdern in Kairo starben am Sonntag möglicherweise zwischen 36 und 38 Menschen. Das berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira am Abend. Die bereits am Samstag festgenommenen Männer hätten am Sonntag während ihres Transports zu einem Gefängnis einen Polizeioffizier als Geisel genommen und einen Fluchtversuch unternommen. Andere Polizisten hätten von außen durch die Fenster des Gefangenentransporters das Feuer eröffnet und alle 38 Insassen des Fahrzeugs erschossen.

Eine offizielle Stellungnahme der Behörden dazu gab es nicht. Das Staatsfernsehen meldete dagegen am Abend, eine Gruppe von Bewaffneten habe versucht, den Transport zu stoppen, mit dem 612 Gefangene in die Haftanstalt gebracht werden sollten. Es entbrannte nach diesen Angaben ein Gefecht zwischen der Polizei und den Angreifern. Dabei seien 36 der Angreifer getötet worden.

Eine ursprünglich für Sonntag geplante Kundgebung auf dem Roxy-Platz in Kairo wurde von den Muslimbrüdern „aus Sicherheitsgründen“ abgesagt. Auf den Dächern der umliegenden Häuser seien „Schläger und Scharfschützen“ gesichtet worden, hieß es. Eine Kundgebung vor dem Verfassungsgericht fiel nach Angaben des staatlichen Fernsehens aus, weil die Sicherheitskräfte die Straßen rund um das Gebäude weiträumig abgesperrt hatten.

In anderen Stadtvierteln von Kairo und in mehreren Provinzstädten fanden unterdessen Protestmärsche der Anhänger von Ex-Präsident Mohammed Mursi statt, den das Militär am 3. Juli abgesetzt hatte. In der Provinz Al-Buheira kam es zu Gewalt zwischen Anhängern und Gegnern von Ex-Präsident Mohammed Mursi.

Merkel will Stopp der Waffenexporte nach Ägypten prüfen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will angesichts der Gewalt in Ägypten einen Stopp der Waffenexporte in das Land prüfen. „Wir werden die Situation neu bewerten müssen“, sagte sie am Sonntag im ZDF. Eine Beschränkung der Waffenexporte sei ein denkbarer Weg, der dortigen Regierung deutlich zu machen, „dass Gewalt nicht akzeptabel ist“.

Die Botschafter der 28 EU-Staaten beraten an diesem Montag in Brüssel über eine europäische Reaktion auf das Blutvergießen. „Die Gewalt und das Töten in den vergangenen Tagen können weder gerechtfertigt noch stillschweigend geduldet werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des EU-Ratsvorsitzenden Herman Van Rompuy und des EU-Kommissionschefs José Manuel Barroso.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) habe ein ernstes Gespräch mit seinem ägyptischen Amtskollegen Nabil Fahmi geführt und an die Regierung appelliert, den Weg zu einer politischen Lösung nicht zu verbauen, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes.

Die Regierung in Kairo reagierte trotzig auf diese Appelle. Außenminister Fahmi sagte, seine Regierung habe die Aufgabe, Recht und Ordnung durchzusetzen. Davon werde sie sich auch durch die Streichung von Entwicklungshilfeprojekten nicht abbringen lassen. Mehrere EU-Staaten, darunter auch Deutschland, haben bereits Finanzhilfen für staatliche Entwicklungsprojekte auf Eis gelegt.

Die Regierung drohte, mit eiserner Faust gegen Terroristen vorzugehen. Der Vorsitzende der Übergangsregierung, Hasim al-Biblawi, schlug vor, die Muslimbrüder verbieten zu lassen. Die Muslimbruderschaft war während der Amtszeit des 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak offiziell verboten.

Seit der Räumung von zwei Protestlagern der Islamisten am Mittwoch sind nach offiziellen Angaben mindestens 750 Menschen Opfer der Gewalt geworden, darunter 57 Polizisten.

Der Armeechef, General Abdelfattah al-Sisi, forderte die Muslimbrüder auf, ihren Protest aufzugeben. Stattdessen sollten sie sich wieder am politischen Prozess beteiligen. Gleichzeitig drohte Al-Sisi, die Sicherheitskräfte würden nicht schweigend zuschauen, wie die Entwicklung des Landes von den Anhängern Mursis sabotiert werde. „Ägypten hat Platz für alle“, sagte Al-Sisi, „ich rufe Euch auf, eure Position noch einmal zu überdenken“.