Ein Gutachter am EU-Gerichtshof stellt die Vorratsdatenspeicherung infrage. In Deutschland sehen sich Kritiker wie Unterstützer in ihrer Haltung bestärkt. In der SPD jedoch regt sich Widerstand.

Ein Gutachter am EU-Gerichtshof stellt die Vorratsdatenspeicherung infrage. In Deutschland sehen sich Kritiker wie Unterstützer in ihrer Haltung bestärkt. In der SPD jedoch regt sich Widerstand.

Luxemburg/Brüssel - Die umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstößt einem Gerichtsgutachten zufolge gegen europäisches Recht. Die Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten der Bürger ohne konkreten Anlass sei „in vollem Umfang unvereinbar“ mit der EU-Charta der Grundrechte. Die Richtlinie soll Ermittlern bei der Aufklärung schwerer Verbrechen helfen.

Die Bewertung sticht in Deutschland mitten in eine heftige Debatte. Sowohl Kritiker wie auch Befürworter sahen sich in ihrer Position bestätigt: Die Union will das Instrument in einer modifizierten Form wieder einführen, während aus der SPD auch kritische Stimmen laut wurden. Datenschützer, Opposition und Netzaktivisten forderten eine Abkehr von der Vorratsdatenspeicherung.

Die Richtlinie verletze das Grundrecht auf Datenschutz und Achtung des Privatlebens, schreibt EU-Generalanwalt Cruz Villalón in seinem am Donnerstag veröffentlichten Gutachten. Zudem sei die Speicherdauer von bis zu zwei Jahren unverhältnismäßig lang. Die Richtlinie von 2006 lege nicht ausreichend genau fest, wann Behörden auf die gespeicherten Daten zugreifen dürfen, schreibt Villalón.

Der Gutachter empfiehlt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) allerdings nicht, die Richtlinie ganz auszusetzen. Stattdessen müsse die EU in „angemessener Zeit“ nachbessern. Villalóns Einschätzung stellt nicht das abschließende Urteil des EuGH dar. In den meisten Fällen folgt der Gerichtshof bei seiner Entscheidung jedoch dem Gutachter. Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

CDU, CSU und SPD haben vereinbart, die Datenspeicherung wieder einführen

Die Richtlinie verpflichtet bisher Telekommunikationsunternehmen in der EU, Verbindungsdaten ihrer Kunden auch ohne konkreten Anlass oder Verdacht bis zu zwei Jahre lang aufzubewahren. Die Daten zeigen, wer wann mit wem telefoniert hat. Ermittler sollen zur Aufklärung schwerer Verbrechen darauf zugreifen können.

Die EU-Mitgliedsstaaten legen selbst fest, wie die Richtlinie national umgesetzt wird. In Deutschland gibt es derzeit keine gesetzliche Regelung dazu, weil sich Union und FDP in der vergangenen Legislaturperiode nicht auf ein neues Gesetz einigen konnten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutsche Regel 2010 gekippt.

CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Datenspeicherung wieder einführen. Zugleich wollen sie sich in der EU dafür einsetzen, die Speicherdauer auf drei Monate zu verkürzen. Ein Richter soll einen Zugriff auf die Daten absegnen müssen. „Das sehen wir bestätigt“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Jens Teschke. „Wichtig ist uns, dass der Generalanwalt nicht die Datenspeicherung an sich als grundrechtswidrig ansieht. Es ist eine Frage des Wie und nicht des Ob.“ Das Gutachten gebe den verabredeten Plänen „Rückenwind“, sagte auch der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings.

SPD-Kreisen hieß es, die Koalitionsvereinbarung müsse nicht revidiert werden. Allerdings wurden auch kritische Stimmen laut. Der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil forderte „eine gründliche Diskussion“. „Ich finde, dass die Argumente der Kritiker dadurch eine größere Bedeutung bekommen“, sagte er der dpa. Jetzt müsse das endgültige Urteil des EuGH abgewartet werden. Sollte der Gerichtshof dem Gutachter folgen, müsste die EU-Richtlinie überarbeitet werden. „Die Chance ist dann auch da, dass die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich abgeschafft wird“, sagte Klingbeil.

Genau das forderten die Grünen im Europaparlament. „Die Vorratsdatenspeicherung muss jetzt umgehend in der ganzen EU abgeschafft werden“, sagte ihr innenpolitischer Sprecher Jan Philipp Albrecht in einer Stellungnahme. Der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar wertete das Gutachten als Signal: Es sei „ein eindeutiger Hinweis aus Luxemburg, der nicht ignoriert werden kann“, erklärte er.