Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande und Europaparlamentspräsident Martin Schulz (rechts) auf dem Gipfel in Brüssel. Foto: dpa

Am Ende sind die europäischen Staatenlenker erschöpft und müde. Zwei Tage dauerte die Brüsseler Budgetschlacht. Der Kompromiss kommt vor allem den reichen Geberstaaten entgegen.

Brüssel - Die reichen EU-Nettozahler Deutschland und Großbritannien haben sich beim Gipfel zu den künftigen Brüsseler Finanzen durchgesetzt. In einem Sparhaushalt wird die Union in den kommenden sieben Jahren erstmals weniger Geld ausgeben als in der Vergangenheit. Insbesondere London und Berlin hatten auf zusätzliche Milliarden-Kürzungen gedrungen. Das Europaparlament hält den Beschluss der EU-Staats-und Regierungschefs vom Freitag allerdings für unzureichend, um grassierende Arbeitslosigkeit und Rezession zu bekämpfen. Die mächtige Volksvertretung droht deshalb mit Ablehnung.

Der Finanzrahmen von 2014 bis 2020 soll 960 Milliarden Euro betragen. In der Vorperiode waren es inklusive Inflationsausgleich 993,6 Milliarden Euro gewesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte durch, das Budget auf genau ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung zu begrenzen. Deutschland, das auch einer der größten Empfänger von EU-Geldern ist, verteidigte zudem die Zahlungen an strukturschwache Regionen in den neuen Bundesländern.

Die 27 Staatenlenker setzten vor dem Hintergrund der Krise ein Zeichen, dass die Union berechenbar bleibt. Der Mehrjahreshaushalt soll die Planungssicherheit für Langfristvorhaben wie Energie- und Verkehrstrassen erhöhen.

"Die Einigung ist geschafft"

Die insgesamt fast 26-stündigen Verhandlungen hatten am Donnerstagnachmittag begonnen, zogen sich über die ganze Nacht hin und liefen am Freitag weiter, da Einzelheiten immer noch umstritten waren und wiederholt in kleiner Runde geklärt werden mussten. Erleichterung herrschte bei allen, als Gipfelchef Herman Van Rompuy am Freitagnachmittag per Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte: „Die Einigung ist geschafft.“

Die Einsparungen gehen quer über verschiedene Bereiche. Dies kommt den Wünschen der Staaten entgegen, die mehr Geld nach Brüssel zahlen, als sie von dort zurückerhalten.

Cameron unter Druck der Euroskeptiker

Die Gipfelrunde half mit der niedrigeren Summe dem britischen Premier David Cameron, der zu Hause unter dem Druck der Europaskeptiker steht und ein Sparbudget präsentieren muss. Er hatte gedroht, die Beratungen wie bereits beim ersten Anlauf im November scheitern zu lassen. Cameron erreichte, dass Großbritannien seinen Abschlag auf Einzahlungen in die EU-Kasse - den „Briten-Rabatt“ - behält: Dieser hatte vorletztes Jahr 3,6 Milliarden Euro ausgemacht. Auch beim Posten EU-Verwaltung wird etwas gespart - die Beamtengehälter sind Cameron seit langem ein Dorn im Auge. Mit 61,6 Milliarden Euro gibt es für die Verwaltung eine Milliarde Euro weniger als zunächst vorgeschlagen.

Zudem half der Gipfel Cameron mit einem Buchhaltungstrick, das Ergebnis besser zu verkaufen: Für die tatsächlichen Auszahlungen allein in der neuen Haushaltsperiode sind nur 908,4 Milliarden Euro vorgesehen, eine Kürzung um 34 Milliarden zur vorherigen Periode. Die höhere Summe von 960 Milliarden Euro, im EU-Jargon Verpflichtungsermächtigungen genannt, sind die erlaubten Finanzzusagen für neue Projekte, die auch über die Haushaltsperiode hinaus laufen und noch danach Kosten verursachen können. Sie sind aber nur im engeren Sinne die Obergrenze der EU-Finanzplanung: Rechnet man auch sogenannte Schattenhaushalte dazu, unter anderem Entwicklungspolitik, steigt die Obergrenze auf 997 Milliarden Euro.

"Ich unterschreibe keinen Defizit-Haushalt mehr"

Die Differenz zwischen Auszahlungen und Verpflichtungen sorgt für Widerstand aus dem Europaparlament, das dem Haushalt zustimmen muss. Der Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) drohte mit einer Blockade: „Das nennt man ein Defizit. Ich unterschreibe keinen Defizit-Haushalt mehr.“ Die Staatenlenker vereinbarten daher, Mittel flexibler als bisher zwischen einzelnen Jahresetats schieben zu können.

Die vor allem süd-und osteuropäischen Empfängerländer, die von Agrarbeihilfen und regionalen Fördergeldern (Strukturfonds) der EU für arme Regionen profitieren, hatten auf dem Erhalt ihres Status quo bestanden. Auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande pochte auf die Agrarzahlungen, von denen sein Land mit rund 10 Milliarden Euro jährlich am meisten profitiert.

Die größten Ausgabenblöcke des Budgets sind traditionell für die Landwirtschaft (373 Milliarden Euro) und die Förderung von Wachstum und armen Regionen (450,4 Milliarden) reserviert. Für eine neue Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit werden 6 Milliarden Euro bereitgestellt.