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Die EU-Kommission plant umfangreiche Entlastungen für die Landwirte. Damit wird der Klimaschutz ausgehöhlt und die Kritik daran ist scharf.

Nach den wochenlangen Bauernprotesten in zahlreichen EU-Staaten will die Europäische Kommission weitere Entlastungen für Landwirte auf den Weg bringen. Damit werden zentrale Vorschriften im Rahmen des EU-Klimaschutzprogramms Green Deal abgeschwächt. Mit dem Vorzeigeprojekt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll Europa bis 2050 zur ersten klimaneutralen Region weltweit werden. Bauernverbände sehen sich durch die EU-Umweltauflagen aber nicht mehr in der Lage, wirtschaftlich arbeiten zu können.

 

Strenge Regelungen für Pestizide sollen teilweise ausgesetzt werden

Die Brüsseler Behörde hatte jüngst bereits vorgeschlagen, rückwirkend zum 1. Januar die Vorgabe auszusetzen, dass vier Prozent des Ackerlandes brachliegen oder unproduktiv genutzt werden müssen. Das wurde nun am Freitag in einem Papier bestätigt. Mit der Vorgabe soll eigentlich die Umwelt geschützt werden. Die Kommission hatte die Regelung infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ausgesetzt, ursprünglich um die Lebensmittelversorgung abzusichern. Damit Betriebe von der vorgeschlagenen Ausnahme profitieren können, sollen sie im Gegenzug auf sieben Prozent ihrer Ackerflächen stickstoffbindende Pflanzen wie Linsen oder Erbsen beziehungsweise Zwischenfrüchte anbauen. In Deutschland wird im Moment darüber diskutiert, wie dieser Vorschlag umgesetzt werden soll. Geplant ist auch, dass die strengen Regelungen für den Einsatz von Pestiziden teilweise ausgesetzt werden.

Länder könnten Regeln künftig „nach den regionalen Gegebenheiten“ auslegen

Für EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski sind die Planungen offensichtlich schon beschlossene Sache. Er sagte am Freitag in Warschau, die Brachflächen-Regelung sowie die Einschränkung bei der Anwendung von Pestiziden sollten für Polens Bauern nicht zwingend sein. Stattdessen solle das Prinzip der Freiwilligkeit gelten. Landwirte, die umweltfreundlich produzieren, sollten als Anreiz Prämien bekommen. Der EU-Kommissar erklärte zudem, dass der seit Anfang dieses Jahres vorgeschriebene Fruchtfolgenwechsel auf 35 Prozent der Ackerfläche durch ein „Abwechseln“ der Feldfrüchte ersetzt werden soll. Die Mitgliedsländer könnten die Regeln künftig „nach den regionalen Gegebenheiten“ auslegen. Die meisten Änderungen würden 2025 in Kraft treten, einige aber auch rückwirkend zum 1. Januar 2024. „Das heißt für die Bauern, dass sie nicht sanktioniert werden, wenn sie die Vorschriften noch nicht beachtet haben.“

Für sehr kleine Betriebe soll der Verwaltungsaufwand reduziert werden

Doch nicht nur bei der Beackerung von Flächen will die EU-Kommission nacharbeiten. Die Behörde plant auch eine Entlastung der Landwirte von bürokratischen Vorschriften. So sollen bis zu 50 Prozent der Kontrollen von Betrieben durch nationale Behörden wegfallen. Zudem sollen bestimmte Standards, die für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen sorgen sollen, vereinfacht werden. Diese Standards müssen Landwirte einhalten, um von milliardenschweren EU-Agrarsubventionen profitieren zu können.

Für sehr kleine Betriebe soll der Verwaltungsaufwand reduziert werden. So schlägt die Kommission vor, dass Kleinlandwirte mit nicht mehr als zehn Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche von den Regelungen ganz ausgenommen werden. Damit soll der mit den Kontrollen verbundene Verwaltungsaufwand verringert werden, der für kleine Betriebe höher ist als für größere, heißt es in Brüssel. Dies werde „tatsächliche und sofortige“ Folgen für diese Betriebe haben. Der Anteil solcher Höfe an den Empfängern der EU-Landwirtschaftssubventionen beträgt rund 65 Prozent – der Anteil der Fläche, die sie bewirtschaften, jedoch nur 9,6 Prozent.

Kritiker der Änderung spricht von einem „Katalog des Grauens“

Der Abgeordnete Martin Häusling kritisiert die geplanten Maßnahmen scharf. „Die beabsichtigen Änderungen lesen sich aus agrarökologischer Sicht wie ein Katalog des Grauens“, sagte der Grünen-Politiker. So würden Brachflächen geopfert, was negative Auswirkungen auf den Klimaschutz habe. Häusling räumt ein, dass auf Krisensituationen reagiert werden müsse, nur so könne das Einkommen der Landwirte und die Ernährungssicherheit gewährleistet werden. „Aber wir dürfen deshalb nicht das nachhaltige Landwirtschaftsmodell aufs Spiel setzen“, sagte Häusling.