Antisemitismus: Lokalhistoriker Norbert Klein spricht in Altdorfer Synagoge / Akribisch und eindrücklich
Bei der Vortragsreihe des Fördervereins "Ehemalige Synagoge heute Kunsthalle Altdorf" hat Lokalhistoriker Norbert Klein über die Schicksale von Juden im Altkreis Lahr referiert. Es war eine akribische und eindrückliche Aufarbeitung vieler Leidenswege.
Altdorf (red/fx). Nach Kleins Ausführungen anlässlich des 80. Jahrestags der Reichspogromnacht wurden am 22. Oktober 1942 6563 Juden aus Baden und der Saarpfalz ins Konzentrationslager Gurs deportiert und anschließend im KZ Auschwitz ermordet, davon 13 aus Ettenheim und Altdorf.
Die systematische Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger habe bereits mit dem Judenboykott 1933 begonnen und in den Folgejahren mit den Nürnberger Gesetzen von 1935 und der Reichspogromnacht 1938 an Radikalität zugenommen, so Klein, der in Ettenheim geboren wurde und in Lahr lebt. Am Morgen des 10. November 1938 sollten die Juden den von Goebbels propagierten "Volkszorn" zu spüren bekommen. "Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht’s uns noch mal so gut", sollen die vom damaligen Altdorfer Schulleiter dazu angestifteten Schüler die antisemitische Variante des Hecker-Lieds gesungen haben, berichtete der 61-Jährige, der sich seit seiner Jugend mit diesem Thema beschäftigt und einen Großteil seiner Freizeit damit verbringt, historische Orte wie das KZ Auschwitz zu ergründen.
Acht Juden aus Altdorf, darunter Leopold Dreyfuss, Louis Blum und Moritz Gundelfinger, Leopold Levi, Emil Rothschild, Siegfried Wertheimer, Robert Wertheimer seien an diesem Tag mit weiteren 101 Juden aus Ettenheim, Schmieheim, Rust, Nonnenweier, Lahr und Friesenheim in sogenannte "Schutzhaft" genommen und ins KZ Dachau deportiert worden, erklärte Klein. Für ihn sei es wichtig, die Namen und Schicksale der Opfer in die Erinnerung vieler Menschen zu bringen. Darauf hätten sie ein Recht, nachdem sie namenlos gestorben seien. Die Verfrachtung der Juden ins Konzentrationslager Dachau wirke im Nachhinein geradezu wie die Generalprobe für das, was zwei Jahre später folgte.
Der Schicksalsweg aus dem Amtsbezirk Lahr führte bei der Deportation am 22. Oktober 1940 ins Internierungslager nach Gurs und von dort im August 1942 über Paris-Drancy ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, so Klein, der in mühevoller Recherchearbeit Opferlisten studiert und Schicksalswege der jüdischen Familien erfasst hat. Einige Bilder seines Vortrags zeigen Juden auf der "Judenrampe" kurz nach ihrer Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz, andere die elenden Bedingungen der Häftlinge, wieder andere ausgemergelte Kinderleiber und Leichenberge. "Ich habe mittlerweile so viele schreckliche Geschichten gehört und noch schrecklichere Bilder gesehen, dass ich mich immer wieder selber frage, wie man so etwas aushalten kann", reflektierte Klein seine Arbeit als Hobby-Historiker. Dabei wachse immer weiter seine Verachtung für die Täter. Deshalb bemühe er sich auch, durch seine Forschungen Erklärungsansätze dafür zu finden, warum ein Mensch sich so entwickelt, um so bestialisch morden zu können. "Denn auch das ist wichtig, wenn man daran arbeiten will: dass so etwas Grauenvolles nie wieder geschehen darf", so Klein.
Der nächste Vortrag in der Reihe des Fördervereins ist bereits am heutigen Freitag. Zeitzeugin und Holocaustüberlebende Inge Auerbacher wird ab 15 Uhr in der Synagoge Altdorf ihre Lebens- beziehungsweise Überlebensgeschichte erzählen.