Gefährten auf und neben dem Platz: die Jungunternehmer Matthias Leibitz (links) und Bundesliga-Torwart René Adler. Foto: T1tan

Prozessauftakt: Ex-Nationalkeeper verklagt Ortenauer Torwarthandschuh-Hersteller / Außergerichtlicher Einigungsversuch scheitert

Ettenheim/München - Wenn es etwas gab, das Oliver Kahn während seiner aktiven Zeit als Fußballer hasste, dann war es zu verlieren. Es dürfte ihm noch immer schwerfallen. Auch wenn der ehemalige Nationalkeeper seinen Gegnern heute nicht mehr im Strafraum entgegenhechtet, sondern sie vor Gericht zerrt. Am Dienstag beginnt Kahns Rechtsstreit mit einem Ortenauer Start-up-Unternehmen, das Torwarthandschuhe herstellt. Der Ex-Kicker mokiert sich an dem Namen, den die Firma auf ihre Produkte schreibt – "T1tan", gesprochen: Titan.

Im April hatte Kahn deshalb beim Münchener Landgericht I Klage gegen das Unternehmen und seinen Geschäftsführer Matthias Leibitz eingereicht. Die Forderung: die Namensnutzung zu unterlassen und Schadenersatz zu zahlen. Der dreifache Welttorhüter und seine Rechtsvertreter sagen, Kahn habe ältere Rechte an dem Namen. Und zwar seit dem Jahr 2002. Damals brachte der heute 49-Jährige die Gegner mit seinen Paraden reihenweise zur Verzweiflung und Deutschland bis ins WM-Finale. Der Boulevard war zur Stelle und machte aus Kahn einen Titan.

Die Fragen, auf die es im Prozess ankommen wird: War das der Ursprung des Titanen-Kults auf dem Fußballplatz? Und noch wichtiger: Kann es nach Kahn weitere Titanen geben, losgelöst vom großen Blonden aus Karlsruhe? Die beiden Parteien vertreten dazu naturgemäß gänzlich konträre Ansichten, wie aus einem höchst amüsanten, mitunter aberwitzigen Schriftsatz hervorgeht, der unserer Zeitung vorliegt.

Zwar bestreiten die Kahn-Anwälte nicht, dass auf dem Erdball noch andere große Athleten leben und lebten, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Leistungen mit den riesenhaften Göttern aus der griechischen Mythologie verglichen werden. Doch wenn es um Fußballer geht – und mehr noch um solche, die das Tor hüten –, dann habe stets der frühere Bayern-Keeper Pate gestanden. Kahn sei "eben der Titan schlechthin", "an welchem sich alle nachfolgenden Torwart-Titanen weltweit messen lassen müssen".

"T1tan"-Geschäftsführer bietet Zahlung an Kahn-Stifung an

Um diese These zu untermauern, führt die Kläger-Seite unter anderem eine Äußerung von Kahns Ex-Kollegen René Adler an. Ausgerechnet. Denn der Torwart von Bundesligist Mainz 05 ist seit anderthalb Jahren Gesellschafter bei "T1tan". Daran war freilich noch nicht zu denken, als Adler auf seiner Homepage einst über eine Operation, bei der ihm eine Metallplatte eingesetzt wurde, schrieb: "Eigentlich kannte ich den Namen Titan vorher nur im Zusammenhang mit einem Kollegen."

"T1tan"-Gründer Leibitz, sagen Kahns Advokaten, hätte sein Unternehmen nie so nennen dürfen. Tat er aber, im Jahr 2013. Was mit einem Business-Plan auf einem Bierdeckel begann, hat sich mittlerweile zu einem weltweit prosperierenden Geschäft entwickelt. Laut Leibitz, der in Ringsheim lebt und dessen Büro in Ettenheim (beide Ortenaukreis) liegt, hat "T1tan" in diesem Jahr schon zwei Millionen Euro umgesetzt. Mehr als 50 000 Paar Handschuhe habe man unter die Leute – vornehmlich Amateur-Keeper – gebracht. Das durchaus selbstbewusste Credo der Firma: Profiqualität zu Niedrigpreisen. 60 Euro kostet das Spitzenmodell von "T1tan", für jene der namhaften Konkurrenz müssen Kunden das Doppelte hinblättern.

Dass der Ausdruck Titan für Oliver Kahn erfunden wurde, hatte Firmenchef Leibitz schon gleich nach der Klageerhebung angezweifelt. "Auch in der Kreisliga werden gute Torhüter schon immer so genannt", sagte er damals unserer Zeitung. Eine Auffassung, die die "T1tan"-Anwälte auch beim Prozess vertreten werden – und zwar mit deutlichen Worten.

In ihrer Reaktion auf das Schreiben der Kahn-Vertreter heißt es: "Selbst im Bereich Fußball ist der Kläger einer von vielen Titanen", der seinen Heldenstatus schon lange vor der "T1tan"-Gründung verloren habe: 2013 sei Kahn vor allem "in Klatschblättern im Zusammenhang mit Frauengeschichten" aufgetaucht. Allenfalls habe man noch das "Bild des am Torpfosten sitzenden besiegten Mannes" vor Augen, "der die WM-Niederlage 2002 (mit-)verschuldet hat". Spätestens zu diesem Zeitpunkt "hatte der Kläger jeglichen Anspruch auf den Titel ›Tor-Titan‹ oder ›Torwart-Titan‹ und noch mal mehr ›Titan‹ verloren".

Es folgt die sarkastische Frage: "Und nach diesem ›Anti-Helden‹ – um im Bild zu bleiben – ›Anti-Titanen‹ – sollen die Beklagten ihr Unternehmen und ihr Produkt benannt haben?" Kahn selbst habe seinen Spitznamen im Jahr 2004 loswerden wollen, argumentieren Leibitz’ Anwälte. Als er in einem Interview mit der FAZ sagte: "Ich will kein Titan mehr sein."

Der Termin vor dem Münchener Landgericht wird nicht das erste Aufeinandertreffen zwischen "T1tan" und Kahn. Im Jahr 2014 hatte es, ebenfalls in der bayerischen Landeshauptstadt, schon einmal eine Zusammenkunft gegeben. Deren Inhalt ist strittig. Leibitz’ Version: Kahn wollte seine Firma kaufen und – als er ablehnte – eine neue AG gründen, an der der Jungunternehmer Anteile erhalten sollte. Voraussetzung: Leibitz meldet "T1tan" ab. Der Deal kam freilich nie zustande. Stattdessen hob Kahn Ende 2015 mit "Goalplay" seine eigene Torwart-Marke aus der Taufe.

Dass es nun zum Prozess kommt, hätte er gerne verhindert, sagt Leibitz. Vergangenen Mittwoch hat der 35-Jährige mit Kahn telefoniert und angeboten: "T1tan" zahlt an dessen Stiftung einen Betrag X, wenn der Ex-Fußballer im Gegenzug seine Klage fallen lässt. "Auch wenn wir uns im Recht fühlen, hätte ich gerne auf das Gerichtsverfahren verzichtet", sagt Leibitz.

Doch sein Wunsch wird nicht Realität – und die sozial benachteiligten Kinder und Jugendlichen, für die sich Kahns Stiftung einsetzt, gehen leer aus: Am Donnerstag teilte Kahns Management Leibitz mit, man habe kein Interesse an einer außergerichtlichen Einigung. Der Kampf der Titanen geht weiter.

Info: Kahn vor Ort?

Terminiert ist die Verhandlung Kahn gegen "T1tan" auf Dienstag, 27. November. Auftakt im Sitzungssaal 321 des Landgerichts München (Lenbachplatz) soll um 14.15 Uhr sein. Angesetzt ist, wie bei Zivilsachen üblich, zunächst nur ein Verhandlungstag. "Dann wird sich zeigen, ob und wie es weitergeht", sagte ein Gerichtssprecher unserer Zeitung. Den Streitwert taxiert die Kahn-Seite auf 250 000 Euro. Ob der Kläger selbst im Gerichtssaal Platz nehmen wird, ist noch unklar. Verpflichtet dazu ist er nicht. Definitiv wird der Prozess ein großes Medienecho hervorrufen. Nicht zuletzt, weil Kahn derzeit als künftiges Vorstandsmitglied des FC Bayern München gehandelt wird.