Nicht immer sind die Gaspreise rechtens. Foto: dpa

Ein Gaspreisrebell hat seine Rechnungen nicht bezahlt: Zurecht, sagt das Esslinger Amtsgericht.

Esslingen - Ein sogenannter Gaspreisrebell hat am Mittwoch vor dem Esslinger Amtsgericht in einem Musterprozess recht bekommen. Der Richter wies die Klage der Stadtwerke Esslingen (SWE) zurück.

Der Beklagte ist Kunde der SWE und hat vier Jahre lang Gaspreiserhöhungen von insgesamt 1317,56 Euro nicht bezahlt. Um den vergleichsweise geringen Streitwert entwickelte sich ein langwieriges Verfahren, das jetzt zu Ende gegangen ist. Das Urteil umfasst 23 Seiten.

SWE bleibt Beweis schuldig

Der Kunde hatte seine Gasrechnungen in den Jahren 2005 bis 2008 nur teilweise beglichen, weil er von überhöhten Preisen ausging. Die Stadtwerke verklagten ihn und weitere fünf Haushalte aus dem Kreis Esslingen und dem Rems-Murr-Kreis zu Nachzahlungen. Die Gaspreisrebellen bezogen sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, nach dem die Anbieter die Preise nur dann anheben dürfen, wenn sie den tatsächlichen Kostensteigerungen beim Gaseinkauf entsprechen. Auch sind sie nur dann gerechtfertigt, wenn die Unternehmen die Kostensteigerungen nicht durch Einsparungen in derselben Sparte kompensieren können.

Die Gasversorger selbst müssen im Rechtsstreit nachweisen, dass die Voraussetzungen für einen Preisanstieg erfüllt sind. Doch genau diesen Beweis seien die SWE schuldig geblieben, urteilte jetzt Richter Oliver Schlotz-Pissarek. Er hatte nach den wenig aufschlussreichen Angaben zweier Zeugen 2009 einen Sachverständigen beauftragt. Doch wie vorher dem Richter verweigerten die SWE auch dem Sachverständigen Einblick in ihre Geschäftsunterlagen.

Das Unternehmen begründete dies mit Wettbewerbsnachteilen, falls bestimmte Zahlen bekanntwürden. Der Richter jedoch hält den Einblick für unabdingbar für die Beurteilung, ob zu hohe Gaspreise von den Kunden gefordert wurden. "Das Gericht hält die Weigerung für unberechtigt, weil dem Interesse am Schutz der Geschäftsgeheimnisse hätte Rechnung getragen werden können", so der Richter.

"Es konnte nur dieses Urteil geben"

Weil sich Schlotz-Pissarek ohne die Daten nicht in der Lage sah, die Rechtmäßigkeit der Preisforderung zu prüfen, wies er die Klage der SWE jetzt zurück. Er ließ bei der Verkündung am Mittwoch anklingen, dass die anderen fünf Fälle, in denen das Urteil am 30. März verkündet wird, vom Grundsatz her ähnlich gelagert seien.

Dass er 2008 einer Klage der SWE gegen einen anderen Gaspreisrebellen stattgegeben hat, begründete der Richter damit, er habe "damals etwas übersehen". Bisher seien Abgabepreise mit Bezugspreisen verglichen worden, man müsse sie aber den Bezugskosten gegenüberstellen - also Preis mal Menge.

"Es konnte nur dieses Urteil geben"

Erfreut nahm am Mittwoch der Beklagte das Urteil zur Kenntnis, der jetzt keine Nachzahlungen leisten muss: "Es ist das, was nach dem ganzen Prozessverlauf zu erwarten war." Die Stadtwerke seien ihrer Beweislast nicht nachgekommen - "es konnte nur dieses Urteil geben". Er zollte dem Richter Respekt für das couragierte Urteil.

Die Stadtwerke wollten am Mittwoch die Entscheidung noch nicht kommentieren und sich erst äußern, wenn ihnen das Urteil schriftlich vorliegt. Der kaufmännische Geschäftsführer Wolfram Schetter sagte allerdings: "Wir sind der Meinung, dass wir alle erforderlichen Nachweise erbracht haben." Er sei deshalb gespannt auf die Argumentation des Richters. Schetter ließ auch offen, ob die SWE in Berufung gehen werden.

Das jetzige Urteil ist das bisher aufsehenerregendste seit dem ersten Prozessauftakt gegen Gaspreisrebellen im Oktober 2007. Meist gab es an den Amtsgerichten Esslingen und Nürtingen (Teil-)Erfolge für Klägerin und Beklagte. Zwei Fälle wurden am Landgericht verhandelt und zugunsten der SWE beschieden.