Wernau - Freund oder Feind? Vor 150 Jahren sind an der Jagst die letzten Biber in Baden-Württemberg ausgerottet worden. Jetzt kehren sie zurück - die ersten sind auch in der Region Stuttgart angekommen. Konflikte mit Europas größtem Nager scheinen unausweichlich.

Seit Jahren rückt der Biber näher: Unaufhaltsam, wie es scheint. Nach EU-Recht ist er streng geschützt: "Deshalb Hände weg von diesen Tieren und ihren Lebensräumen." So hat es am Dienstag Oswald Jäger formuliert, Artenschutzreferent des Regierungspräsidiums (RP). Er referierte in Wernau (Kreis Esslingen) vor Gewässer-Fachleuten. Und der Biber war das wichtigste Thema. Kein Wunder. In einem dicht besiedelten Gebiet wie dem Landkreis Esslingen sind Konflikte zwischen dem Neuankömmling und dem Menschen programmiert. Dennoch sagen die Fachleute allein für diesen Landkreis ein Potenzial von 130 bis 300 Biberrevieren mit bis zu 1300 Individuen voraus.

Um etwaige Probleme in den Griff zu bekommen, hat das RP sogar die Stelle eines Bibermanagers geschaffen und mit dem Diplom-Biologen Rainer Allgöwer besetzt. "Management heißt aber nicht Eliminierung oder Abschuss." Vielmehr berät das RP auch die neuen Biberberater der Landratsämter, die betroffene Anrainer oder Landwirte unterstützen sollen.

Nahrung:  Drei Festmeter Holz im Jahr

Im Kreis Esslingen wird der Biber demnächst erwartet. Dabei sind die Voraussetzungen dort denkbar ungünstig. Von den 740 Kilometer Ufer sind nur 22 Prozent naturnah und damit ideal für eine Besiedelung. Die anderen 23 Prozent der Gewässer sind durch Siedlungen beeinträchtigt und 56 Prozent sogar naturfern - was erhebliches Konfliktpotenzial berge, so Allgöwer.

Um vom Land ins Wasser und umgekehrt zu gelangen, bauen die Nager Uferröhren von einem halben Meter Durchmesser. Wenn sie einbrechen, führt das auf Feldern zu Maschinenschäden, bei Anwohnern zumindest für Ärger. Und der Biber will auch wohnen. Er baut dazu wehrhafte Biberburgen, die "nur durch Motorsäge oder Bagger" zerschlagen werden könnten, so Allgöwer. Solche Behausungen, die von unten über das Wasser angeschwemmt werden, oben aber ein trockenes Plätzchen bieten, können einen Durchmesser von bis zu zwölf Metern haben.

Vorbild im Hochwasserschutz

All dies, so Allgöwer, würde keinerlei Besorgnis erregen, wäre das Gesetz von 1978 noch in Kraft, nachdem entlang von Gewässern ein zehn Meter breiter Schutzstreifen erhalten bleiben muss. Dort war weder eine Bebauung noch Landwirtschaft erlaubt. Doch das Land Sachsen habe die Aufhebung dieser Regelung erwirkt, sagt Allgöwer ohne Verständnis. Er und Artenschutzreferent Jäger werben dafür, von den Tieren mit der typischen Schwanzkelle zu lernen. "Sie geben uns einen Fingerzeig, unsere Landnutzung zu überdenken", sagt Allgöwer. Dort, wo der Biber auftauche, werde deutlich, "wo wir die letzten Jahre geschlampt haben" - und dies gelte ausdrücklich besonders für den Hochwasserschutz.

Letztlich bleibe nur, ein friedliches Zusammenleben zwischen Mensch und Biber zu ermöglichen, sagt Oswald Jäger. Der Versuch, dem Biber über das Bundesjagdgesetz zu Leibe zu rücken, greife nicht: "Der Biber ist nicht als jagdbares Wild aufgenommen." Dämme seien ein Bestandteil seines Lebensraums, auf den er nicht verzichten könne. Die Seenlandschaft, die sich mitunter dahinter bilde, sei ökologisch wertvoll, weil sich dort seltene Tier- und Pflanzenarten ansiedelten, sich die Wasserqualität verbessere und - zum Vorteil der Anrainer - auch der Wasserstand über das Jahr gesehen weniger schwanke als ohne Damm.

In Geislingen bereits entdeckt

Bislang hat der Biber erst den äußersten Rand der Region betreten. In Geislingen im Kreis Göppingen wurde er entdeckt. Er rückt aus den östlichen Landesteilen Jahr für Jahr etwas näher, seit er Mitte der 1970er und 1980er Jahre erstmals wieder aus dem Ausland nach Deutschland übersiedelte. Zunächst ließ er sich an Rotach und Jagst nieder, dann an Main und Tauber. Auch in Heilbronn, Heidenheim und in Reutlingen sind die dicht behaarten Nager gesichtet worden.

Im Kreis Esslingen wird der Biber demnächst erwartet. Dabei sind die Voraussetzungen dort denkbar ungünstig. Von den 740 Kilometer Ufer sind nur 22 Prozent naturnah und damit ideal für eine Besiedelung. Die anderen 23 Prozent der Gewässer sind durch Siedlungen beeinträchtigt und 56 Prozent sogar naturfern - was erhebliches Konfliktpotenzial berge, so Allgöwer.

Leider, so die Fachleute, seien die Kenntnisse der Menschen über den Biber "sehr einseitig". Falsch sei etwa, dass Biber massenhaft Bäume abholzen, um ihre Kronen zu fressen. Richtig sei, dass sie den gesamten Baum verwerten. Die Stämme werden 40 Zentimeter über dem Boden abgeknabbert, treiben in aller Regel aber wieder aus. Beliebt sind Weiden, Schwarzerlen, Espen, Pappeln und Hainbuchen. So findet entlang der Ufer zwar kein Kahlschlag durch den Biber statt, es kommt aber zu einer Verbuschung: Der Biber ist tatsächlich ein Landschaftsarchitekt.