Die neue Vorstandsvorsitzende Martina Merz und ihr Vorgänger Guido Kerkhoff. Foto: Vennenbernd

Neue Vorstandsvorsitzende beim kriselnden Konzern kommt aus dem Südwesten. "Ich kann auch rustikal werden."

Essen/Rottweil/Villingen-Schweninngen - Beim kriselnden Thyssenkrupp-Konzern ist mit der neuen Vorstandsvorsitzenden Martina Merz eine Frau am Ruder, die zunächst niemand auf der Agenda hatte.

Die Personalie in Essen wird im Südwesten mit doppeltem Interesse verfolgt: Zum einen geht es bei der zu erwarteten Neustrukturierung des Konzerns um einen möglichen Verkauf der lukrativen Aufzugssparte, die mit dem Aufzugstestturm in Rottweil und dem Werk in Neuhausen auf den Fildern eng mit Baden-Württemberg verbunden ist, zum anderen ist die neue Chefin unweit des Testturms aufgewachsen: Martina Merz stammt aus dem 900-Einwohner-Ort Durchhausen im Kreis Tuttlingen und besuchte die Feintechnikschule in Villingen-Schwenningen.

Dass sie immer noch enge Bande in den Südwesten pflegt, zeigt die Tatsache, dass der überraschende Wechsel der bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden an die Spitze des Vorstandes Ende September prompte Auswirkungen in der alten Heimat hatte: Die Feintechnikschule Schwenningen verkündete, dass ein geplanter Vortrag mit Merz als Referentin aufgrund aktueller personeller Entwicklungen bei Thyssenkrupp entfallen muss.

Martina Merz hat nach dem Besuch der Realschule in Trossingen am Technischen Gymnasium der Feintechnikschule ihr Abitur gemacht. Schon im Februar war dort die Begeisterung entsprechend groß, als die 56-Jährige nach nur drei Monaten im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp an dessen Spitze rückte.

Vorgänger nur 14 Monate im Amt

Jetzt hat die frühere Bosch-Managerin die Nachfolge von Guido Kerkhoff als Vorstandschefin angetreten. Kerkhoff war nur 14 Monate im Amt. Ihm wurden mangelnde Erfolge bei der Sanierung des Konzern vorgeworfen, der in der größten Krise seiner über 200-jährigen Geschichte steckt. Die Auflösung seines Vertrags sei einvernehmlich erfolgt, ließ der Konzern mitteilen.

Nun also Martina Merz. Deren Vita weist eine lange Reihe von Führungspositionen aus. Nach dem Maschinenbau-Studium in Stuttgart hatte sie im Bosch-Konzern verschiedene Management-Positionen inne und ist unter anderem im Aufsichtsrat der Lufthansa. Sie bezeichnet sich selbst als durchsetzungskräftig. "Ich lasse es gerne auch mal krachen und ich kann auch rustikal werden", sagte sie in einem Interview.

Wie rustikal Martina Merz nun den Konzernumbau bei Thyssenkrupp vorantreibt, werden die nächsten Monate zeigen. Die Aufgaben, die vor ihr liegen, sind groß: Das Stahlgeschäft schwächelt, der Konzern schreibt hohe Verluste und aufgrund des deutlich gesunkenen Aktienkurses musste Thyssenkrupp inzwischen den deutschen Leitindex Dax verlassen.

Vorerst keine Interviews

Merz will, wie sie ankündigte, die Geschäfte besser aufstellen und die Kosten senken. Hierbei rückt auch der Verkauf oder Börsengang der lukrativen Aufzugssparte in den Fokus. Auf unsere Anfrage in Essen, wie die neue Konzernchefin als eine aus der Region die Bedeutung des Aufzugstestturms in Rottweil und die Zukunft der Aufzugssparte einschätzt, lässt sie mitteilen, dass sie "als redliche Schwäbin" an den Ergebnissen ihrer CEO-Zeit bei Thyssenkrupp gemessen werden wolle und daher zum jetzigen, frühen Zeitpunkt ihres Engagements keine Interviews gebe.

Die Pressesprecherin von Thyssenkrupp Elevator erklärt, dass sich in Bezug auf die Aufzugssparte in den letzten Wochen nichts geändert habe: "Wir haben klar gesagt, dass wir – neben der Vorbereitung des Börsengangs – die vorliegenden Interessensbekundungen potenzieller Interessenten prüfen. Das tun wir gewissenhaft." Deshalb habe man einen strukturierten Prozess für die Bewertung von Angeboten von strategischen Investoren und Finanzinvestoren eingeleitet, mit dem sichergestellt werde, dass die Entscheidung für "Thyssenkrupp und seine Stakeholder nachhaltig und die beste ist. Das gilt auch für den Testturm."