Foto: Sandro Böhme

Mit "Wingsuit" aus 4000 Metern Höhe ungebremst in den Tod gestürzt. Sport nicht gefährlicher als Fallschirmspringen.

Eschbach/Tuttlingen - Aus 4000 Metern Höhe ungebremst in den Tod: Der tödliche Absturz eines Fallschirmspringers mit einem "Wingsuit" hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.

Der Tod des Fallschirmspringers hatte keine gesundheitlichen Ursachen. Wie die Polizei gestern mitteilte, ergab das die Obduktion seiner Leiche. Auch Ansatzpunkte für ein Fremdverschulden oder technische Probleme mit dem Schirm gebe es nicht, so die Staatsanwaltschaft in Freiburg. Grund für den tödliche Absturz war demnach ein Zusammenstoß in der Luft.

Der 39-jährige Familienvater aus dem Raum Tuttlingen war am Samstag über dem Flugplatz Bremgarten in Eschbach (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) im freien Fall mit einem anderen Springer zusammengestoßen. Der 39-jährige galt als erfahrener Fallschirmspringer. Vielleicht verlor er bei der Kollision das Bewusstsein. Genau klären ließ sich das bei der Obduktion des Toten nicht mehr.

Es ist der alte Menschheitstraum vom Fliegen: Erfahrene Fallschirmspringer können der Erfüllung ihres Fliegertraums ein wenig näherkommen, wenn sie mit einem Flügelanzug ("Wingsuit") abspringen, der ihnen einen Gleitflug durch die Lüfte erlaubt, welcher mit einem normalen Fallschirm nicht möglich wäre. Solche Sprünge sind in den vergangenen Jahren in Mode gekommen und gelten nicht zwangsläufig als gefährlicher als reguläre Fallschirmsprünge. Für Außenstehende haftet den "Wingsuits" allerdings der Ruf des Exptremsports an, da sie auch für halsbrecherisch aussehende Sprünge von hoch gelegenen Plattformen ("Base-Jumps") und spektakuläre Flüge entlang von Bergkämmen ("Proximity-Jumps") genutzt werden, bei denen es immer wieder zu tödlichen Unfällen kommt.

Akrobatische Manöver ohne Fluggerät

Sandro Böhme (39, Bild) kennt all diese Sprungvarianten in- und auswendig. Er lebt mit seiner Familie in Karlsruhe und springt unter anderem bei "Skydive Freiburg". Rund 1400 "Wingsuit"-Flüge hat er absolviert. "Der Reiz, nicht nur mit dem Schirm zu fallen, sondern mit einer Vorwärtsgeschwindigkeit zu fliegen, war für mich entscheidend", berichtet er über seine sportliche Leidenschaft. "Man spürt die Luft am eigenen Körper. Man kann ohne Fluggerät akrobatische Manöver vollführen und Formationen fliegen." Sprünge mit dem Flügelanzug aus dem Flugzeug stellen zwar andere Anforderungen an die Sportler, gelten aber nicht als übermäßig unfallträchtig. Jahr für Jahr verunglücken in Deutschland zwischen zwei und zehn Fallschirmspringer tödlich. Bei weit mehr als 300.000 Sprüngen ist das eine eher geringe Zahl.

Um ein Vielfaches unfallträchtiger ist dagegen das "Base-Jumping" von Felsen, Brücken, Gebäuden oder hohen Antennenmasten. Alleine im Berner Oberland in der Schweiz sind zwischen 2006 und 2013 in einem einzigen Tal 30 Springer tödlich verunglückt – bei lediglich 15.000 bis 20.000 Sprüngen im Jahr. Für lebensmüde, waghalsige Spinner hält Sandro Böhme die Springer allerdings nicht. Im Gegenteil: Bis vor wenigen Jahren, kurz, bevor er Vater wurde, hat auch er selbst diesen Sport ausgeübt. "Irgendwann war es mir das Restrisiko nicht mehr wert." Es gehe den Sportlern bei den Sprüngen vor allem darum, das Leben intensiver zu leben und wieder eine Verantwortung für das eigene Leben und ein "eigenes Risikomanagement" jenseits der vielen Sicherheiten des Alltags selbst in die Hand zu nehmen, beschreibt Böhme seine Motivation. "Was man als Zuschauer von außen zu sehen bekommt, ist immer nur das Ergebnis, der spektakuläre Stunt. Was man nicht sieht, ist die akribische Vorbereitung, die in jedem Sprung steckt. Die vielen Trainingssprünge."

"Schwarze Schafe" sind in der Szene selten

Lebensmüde sei in diesem Sport niemand, eher im Gegenteil: "Um zum Beispiel einen Sprung von einem Berggrat zu erleben, muss man häufig einen stundenlangen Aufstieg in Kauf nehmen. Alle Wetterbedingungen kennen. Den besten Absprungpunkt suchen. Und dann eventuell doch wieder absteigen, wenn die Bedingungen es nicht zulassen zu springen", so Böhme. Nur selten gebe es "schwarze Schafe" in der Szene, die zu viele Risiken eingehen und sich selbst, ihre Fähigkeiten und die äußeren Bedingungen falsch einschätzen.

Dass das Springen aber auch bei bester Vorbereitung nicht risikolos ist, weiß Sandro Böhme spätestens seit dem Unfall seiner Ehefrau Susanne. Sie ist seither teilquerschnittsgelähmt und kann mit viel Training und einem Rollator wieder etwas laufen. Ihren Lebensweg seit dem Unfall verarbeitet sie derzeit in einem Buch. Und mit dem Fallschirm springt sie auch wieder. Der alte Traum vom Fliegen lässt Menschen, die ihm verfallen sind, offenbar nicht los.